Thema: | Die große Begegnung (6) |
Allmählich beobachtete ich, daß in meinem Körper ein langsam voranschreitende Veränderung vorging.
Dieser Zustand war so einmalig neu, daß ich mich schon aus reiner Neugierde äußerst genau beobachtete. Mir entging keine leiseste Veränderung in meinem Organismus. Nie in meinem Leben ist mir auch nur annähernd ein derartiger Zustand in Erinnerung. Ich hatte keine Angst mehr, sondern befand mich in einer apathischen Ruhe und Zuversicht. Auf alle Fälle war ich unerschütterlich davon überzeugt, daß mein Bewußtsein vielleicht einschlafen, aber nicht sterben konnte.
Jetzt zählte ich in langen Pausen meine letzten, kaum spürbaren Herzschläge. Meine Atmung schien schon völlig still zu stehen. Es waren unheimlich lange Pausen bis zum nächsten, schwachen Herzschlag.
Ich war tot, aber ich blieb ich!
Ich war unvergleichlich leicht und frei. - Alle Schwerkraft war von mir gewichen. Ich war ein leichter Dunst, ja, noch weniger als das, denn ich war nur Bewußtsein, nur Gedanke. Das war beileibe kein Traum - das war reale Wirklichkeit, die ich mit ungewöhnlich geschärften Sinnen wahrnehmen konnte. Diese Sinne müssen von diesem Augenblick an rein seelisch gearbeitet haben, sie waren auf jene körperlichen Organe nicht mehr angewiesen. Damit hatte sich aber meine gesamte Wahrnehmungsmöglichkeit und damit auch die Welt verändert.
Nun hörte ich auch schon wieder meine übersinnliche STIMME, doch sie war noch klarer, noch deutlicher zu verstehen und mit jeder Silbe, mit jedem Wort formten sich geistige Begriffe mit spielender Leichtigkeit.
Ich gab mir große Mühe, den Sprecher zu sehen, aber es war unmöglich. Ich befand mich in einer äußersten Dunkelheit, in einer Finsternis, wie ich sie noch nie gekannt hatte. Mein seelisches Auge blieb noch ausgeschaltet. Die Stimme sprach mit ihrer ungewöhnlichen Deutlichkeit, obwohl sie nicht akustisch war:
Vielleicht gibt mein unglaubliches Erlebnis diesen Theologen, die darüber nachdenken, eine klare Antwort. Bisher hat es nie eine Antwort auf diese Frage gegeben, ja, man hat darüber noch nicht einmal nachgedacht. Was sollte CHRISTUS überhaupt in der Hölle zu suchen gehabt haben? CHRISTUS, der den Teufel aus der Wüste wies: "Hebe dich hinweg, Satan!" Oder war meine Höllenfahrt eine reine Wirklichkeit, die nichts mit einer Symbolik des MESSIAS zu tun hatte? Diese Entscheidung vermag ich selbst nicht zu treffen.
"Niedergefahren zur Hölle..." Wo ist die Hölle? - Ich sauste durch ein pechschwarzes Nichts. Es war wie ein leichter Schwindel, der meinen Geist erfaßt hatte. Da rief mich die STIMME an. Sie hatte eine Deutlichkeit, so daß ich glaubte, ihre Entfernung abschätzen zu können. Nach meinem Gefühl mußte der Sprecher in einer Entfernung von zwei bis drei Metern vor mir stehen. Die Stimme rief:
Noch bevor ich recht begriffen hatte, was jetzt vorging, spürte ich einen heißen, unausstehlichen Gestank. Dieser entsetzliche Gestank war so penetrant, daß mir zum Brechen übel wurde. Ich wußte mir keinen anderen Rat, als verzweifelt zu beten. - Nach kurzer Zeit ließ dieser Gestank nach. Ich glaubte schon, daß ich nun außer Gefahr sei und dankte GOTT für die schnelle Hilfe. Da rief die Stimme schon wieder:"ACHTUNG, DU WIRST ANGEGRIFFEN! - WEHRE DICH MIT ALLER KRAFT!"
Wieder betäubte mich ein erstickender Brandgeruch, als ob Lumpen in einer stinkigen Katakombe verbrannt wurden. Dieser Gestank war derartig penetrant und intensiv, daß ich meinen ganzen Willen zusammennehmen mußte, um überhaupt beten zu können. Es war kein Gebet mehr, sondern ein mühseliges Gestammel."DU WIRST ANGEGRIFFEN! - BETE!"
Ich bin mir vollkommen bewußt, daß diese Beschreibung von keinem vernünftigen Menschen geglaubt werden kann, und ich gestehe, daß ich sie auch keinem Menschen glauben würde, wenn ich nicht die persönliche Erfahrung hätte. Für dieses Erlebnis gibt es auch nur eine einzige zutreffende Bezeichnung, nämlich: "Phänomen".
Gleichzeitig stelle ich aber die Frage: Was verstehen wir unter dem Wort "Mystik", und was ist eine Legende? - Woher stammen die Orientalischen Märchen und die vielen Sagen von Elfen und Zwergen? Dieses außerordentliche Phänomen hat mir bewiesen, daß märchenhafte Dinge, so phantastisch sie auch sein mögen, dennoch möglich sind, nur, können sie nicht von jedem Menschen erlebt werden. Immerhin gebe ich mir die größte Mühe, so objektiv wie irgendmöglich zu sein.
Es war mein Fehler gewesen, daß ich an eine leibhaftige oder zumindest geistige Existenz des Teufels nicht geglaubt hatte. Nun sollte ich tatsächlich seine unheimliche Bekanntschaft machen. Das war kein Traum, keine Einbildung, sondern eine schaurige Wirklichkeit, obgleich ich sie nur geistig erlebt habe. Doch wer will diese höchst gefährliche Realität abstreiten?
Ich kann nicht sagen, wie oft ich auf diese Weise angegriffen wurde, denn ich kam aus dem Beten nicht mehr hinaus. Die Angriffe erfolgten in immer kürzeren Abständen und immer heftiger. Schließlich stank es ganz ungeheuerlich nach Schwefelwasserstoff oder nach verfaulten Eiern. In manchen Fällen verließen mich meine geistigen Kräfte, und ich gewahrte, daß ich dem entsetzlichen Unheil unheimlich nahe kam, daß es mich zu erwürgen und zu verschlingen drohte.
Plötzlich hörte jedoch meine Reise auf. Ich stand still. Nun hatte ich das Gefühl, daß ich im Mittelpunkt eines ungeheuren leeren Raumes stand, nichts mehr über mir oder unter meinen Füßen hatte. Ich hing gewissermaßen zwischen Himmel und Erde, völlig schwerelos in einer Finsternis, die das alleräußerste Schwarz bedeutete. Da näherte sich die Stimme, von der ich annahm, daß sie einem ENGEL gehörte und sagte zu mir:
So phantastisch und unglaubwürdig dies erscheinen mag, so war es doch ein dramatisches Spiel von beispielloser Realität. Eine grauenhafte, übersinnliche Auseinandersetzung, wie wir sie nur in der Bibel angedeutet finden. Doch wer an jenen alten Überlieferungen zweifelt, dem rufe ich hiermit zu, daß meine Erfahrungen derartige, große Begegnungen vollauf bestätigt haben."NUN, DANN GEHE IHM EINEN SCHRITT ENTGEGEN."
Ich hatte das Empfinden, dem gefährlichsten RAUBTIER gegenüber zu stehen, das je auf Erden gelebt hat. Eine einzige, verdächtige Bewegung konnte meinen restlosen Untergang, eine Katastrophe bedeuten. Der Leser mag berücksichtigen, daß es für diese Situation keine passenden Worte mehr gibt. Im Geist ging ich ihm einen Schritt entgegen. Die STIMME sagte zu mir:
Ich hatte keine Ahnung, welche Entfernung zwischen uns lag, denn ich hatte keine andere Orientierungsmöglichkeit als nur den Klang jener übersinnlichen STIMME. Trotzdem wurde ich für einen Augenblick wagemutig; ich überlegte, ob ich es wagen könnte, einen weiteren Schritt zu gehen, aber eineinnere Warnung, ein Gefühl hielt mich von diesem ungeheuerlichen Leichtsinn zurück."ER IST DIR AUCH EINEN SCHRITT ENTGEGENGEGANGEN."
Die STIMME sagte zu mir:
Ich überlegte fieberhaft. Was hatte das zu bedeuten? In dieser Situation mußte ich jedes Wort auf die goldene Waage legen. Es ging um mehr als um meine Person. Warum sollte der Satan mich um Verzeihung bitten? - Er hatte doch gegen GOTT gesündigt und sich selbst gegen GOTT zum Feind gemacht. Also konnte er mich nicht um Verzeihung bitten. Darum sagte ich zu der Stimme:"SAGE DEM TEUFEL, ER SOLL DICH UM VERZEIHUNG BITTEN."
"Er kann doch nur GOTT um Verzeihung bitten."
"DANN SAGE IHM, ER SOLL GOTT UM VERZEIHUNG BITTEN!"
Wie wenig hatte ich mich im Leben um die Person des Teufels gekümmert,
daß ich jetzt so naiv sein konnte, dieser Aufforderung so gedankenlos
und unwissend Folge zu leisten, denn ich sagte tatsächlich: "Bitte
GOTT um Verzeihung, denn du hast unendlich viel gesündigt und ein
furchtbares Unglück über die Welt und über die Menschheit
gebracht." Vernichtend drangen die harten Worte an mein geistiges Ohr:
Ich hätte es mir denken können. - Es war irrsinnig, daß ich ihn überhaupt dazu aufgefordert hatte. In diesem Augenblick erkannte ich meine ganze Dummheit. Der ENGEL sprach feierlich mit langsamer Betonung:"ABER ER TUT ES NICHT!"
Jeder lebende, denkende Mensch überlege sich dieses infernalische Dialogspiel, das nicht einmal einen Vergleich in Goethes "Faust" findet. Hier mag jeder Theologe, jeder Wissenschaftler, jeder Christ, jeder Zweifler entscheiden, ob dieses Höllendrama die Ausgeburt einer menschlichen Phantasie sein kann? Welchen Sinn hatte dieses furchtbare Spiel - oder sollte es übersinnliche Wirklichkeit sein?
Ich hatte keine Zeit, um diesen Fall lange zu überlegen. Was bedeutet meine Seele gegen GOTT? - Was bedeutet meine Seligkeit gegen das Unglück einer ganzen Menschheit? - Was bedeutet mein Ich gegen alle Kriege, gegen alles Morden, gegen diese Tränenfluten, die je auf Erden vergossen wurden? Von einem unwiderstehlichen Drang erfaßt, sagte ich ebenso feierlich: "Ja!". Im selben Augenblick verfiel ich in einen Zustand, den ich nur mit Punkten andeuten kann ....
Ich befand mich in einer geistigen Verlorenheit ohne Gleichen. Ich war geistig und seelisch vernichtet in einem ungeheuren Ausmaß und rettungslos der Verlassenenheit und Pein ausgeliefert, die sich je ein Mensch als nur ein Tausendstel vorstellen kann. Es ließ mir keine Hoffnung mehr, bis in alle Ewigkeit. Dieser Zustand hielt aber nicht lange an, denn plötzlich hörte ich die tröstenden Worte:
Im selben Augenblick fiel mir ein Stein, nein, eine ganze Welt vom Herzen. Wie großartig und barmherzig, wie hochherzig und mitfühlend ist doch der ALLMÄCHTIGE, der mich aus dieser furchtbaren Situation gerettet hat. - Aber GOTT läßt es nicht zu! - Was unmittelbar nach dieser Auseinandersetzung folgte, kann ich nicht mehr sagen, da mir jede Erinnerung daran fehlt. Diese Unterhaltung mit dem Teufel hatte mich derartig mitgenommen, daß meine Seele sicher in einen tiefen Schlaf gefallen war - oder GOTT hatte mir die Erinnerung an das weitere Geschehen ausgelöscht."ABER GOTT LÄSST ES NICHT ZU."
Jahrelang habe ich später über dieses Erlebnis in einer ANDEREN WELT nachdenken müssen: Wenn diese Astralreise eine symbolische Bedeutung haben sollte, die durch ein kleines Passionsspiel eingeleitet wurde, so mußte auch die grosse begegnung mit dem Bösen eine größere Bedeutung haben. Ich erlaube mir daher, noch einmal die Frage zu stellen:
Was hatte CHRISTUS in der Hölle, im Reiche des Teufels zu suchen, wenn er GOTTES SOHN ist?
Meine Erlebnisse haben den Sinn gehabt, alles aufzuschreiben, damit es der Menschheit erhalten bleibt. Es ist also gewissermaßen auch eine Offenbarung, obgleich ich kein Heiliger bin, noch ein Theologe. Aber ich spreche als Laie doch die Vermutung aus, daß meine Erlebnisse mit der Höllenfahrt CHRISTI vielleicht identisch sind. Vielleicht hat CHRISTUS die gleiche Auseinandersetzung gehabt und sich erboten, an Stelle des Teufels in die Verdammnis zu gehen, um damit sein Erlösungswerk noch weiter auszudehnen? Dieses Geschehen sollte am besten von Bibelforschern gut überlegt werden. Vor meinem übersinnlichen Scheintod hatte man mir doch angekündigt, daß meine okkulten Erlebnisse dieser Art den Zweck hatten, um CHRISTUS wirklich zu verstehen. Nun, ich persönlich glaube, daß ich ihn verstanden habe.
Ich habe eine Abneigung gegen die Bezeichnung "Parapsychologie". Dieses Wort ist nicht geeignet, den überaus großen Wert der jenseitigen Erlebnisse auszudrücken. Wir dürfen keineswegs die jenseitige Welt verächtlich machen, denn sie überragt unser diesseitiges, materielles Leben in einer sehr bedeutenden Weise. Was wäre unser Körper zum Beispiel ohne den geistigen Inhalt, ohne unser Bewußtsein oder ohne unser Denkvermögen?