Das Buch der Geister

- 10 - ist, daß je nach der niederen oder höheren Stellung der Geister Strafen und Belohnungen zugemessen werden, die auf Erden unbekannt sind. Endlich aber lehren sie uns noch, daß es auf Erden keine Fehltritte gibt, die nicht wieder gutzumachen wären, die nicht gesühnt werden könnten. Das Mittel oder den Weg zur Sühne findet der Mensch in den verschiedenen Existenzen, die ihm je nach Wunsch und Anstrengung das Fortschreiten zur Vollkommenheit ermöglichen, seinem Endziele." Dies ist eine kurze Zusammenfassung der spiritistischen Lehre, wie sich diese nach den Kundgebun- gen höherer Geister darstellt. Und nun wollen wir sehen, welche Einwände dagegen erhoben werden. In den Augen vieler Leute ist die Opposition der gelehrten Körperschaften eine starke Voraussetzung gegen den Spiritismus, doch kann das Urteil der Wissenschaft nicht unwiderruflich sein. Sobald die Wissenschaft aus der äußerlichen Beobachtung der Tatsachen heraustritt, sobald es sich darum han- delt, diese Tatsachen zu würdigen und zu erklären, ist das Feld für die Vermutung weit geöffnet. Da bringt ein jeder sein System mit, dem er Geltung verschaffen möchte und das er daher mit aller Leidenschaftlichkeit verficht. Tatsachen sind das wahre Kriterium für unser Urteil, sie sind der unwi- derlegliche Beweis. Wo Tatsachen fehlen, da ist der Zweifel die Meinung des Weisen. Die gewöhnlichen Wissenschaften beruhen auf den Eigenschaften des Stoffes, mit dem man nach Belieben experimentieren kann. Die spiritistischen Phänomene dagegen beruhen auf der Wirkung von Intelligenzen, die ihren freien Willen haben und uns alle Augenblicke beweisen, daß sie nicht zur Befriedigung unserer Launen zu haben sind. Die Beobachtungen können daher nicht in der gleichen Weise wie bei der Stofflichkeit angestellt werden, sie verlangen besondere Bedingungen und einen anderen Ausgangspunkt. Wollte man sie unseren gewöhnlichen Experimentiermethoden unterwerfen, dann würde man genötigt sein, Analogien anzunehmen, die gar nicht bestehen. Die eigentliche Wissenschaft als solche ist bei der Entscheidung über die Frage des Spiritismus nicht zuständig. Sie hat sich damit gar nicht zu beschäftigen und ihr Urteil, gleichgültig ob günstig oder ungünstig, kann hier schlechterdings von keinem Gewicht sein. Hieraus ergibt sich, daß der Spiri- tismus gar nicht vor das Forum der Naturwissenschaft gehört. Wenn die spiritistischen Lehren im Volke verbreitet, wenn sie von den Massen angenommen sein werden, – und diese Zeit dürfte nicht mehr allzufern sein, – so wird es damit ebenso stehen wie mit allen neuen Anschauungen, die anfangs auf Widerstand stießen: Die Gelehrten werden sich dem Augenscheine fügen, sie werden persönlich durch die Macht der Tatsachen dahin geführt werden. Irrtümer Einzelner, die um der Irrenden selbst willen bedauerlich sind, können natürlich anderweitige Verdienste nicht schmälern. Aber bedarf es denn eines offiziellen Zeugnisses, um gesunden Men- schenverstand zu haben? Gibt es denn nur Dumm- und Schwachköpfe außerhalb der akademischen Lehrstühle? Noch einmal wiederholen wir, daß, wenn die uns beschäftigenden Tatsachen innerhalb der mecha- nischen Körperbewegung geblieben wären, die Untersuchung über die physische Ursache des Phäno- mens der Wissenschaft zufallen müßte. Doch sobald es sich um eine Kundgebung außerhalb der Gesetze der Menschheit handelt, tritt die Untersuchung aus dem Rahmen der materiellen Wissenschaft heraus, denn sie kann dann weder ziffernmäßig noch auf mechanischem Wege zu ihrem Ausdruck gelangen. Fügen wie hier gleich hinzu, daß das Studium einer Lehre, wie es die spiritistische ist, die uns mit einem Male mitten in eine Reihe so neuer und großer Dinge und Tatsachen hineindrängt, mit Erfolg nur von ernsten, festen und vorurteilsfreien Leuten vorgenommen werden kann, die von dem aufrichtigen Wunsche geleitet sind, zu einem Resultat zu gelangen. Wir können Menschen, die von vornherein leichtfertig und ohne vorherige experimentelle Arbeiten urteilen, Menschen, die ihren Studien weder Ordnung noch Regelmäßigkeit noch die nötige innere Sammlung widmen, diese Quali- fikation nicht zuerkennen. Ein wirklich ernsthaftes Studium zeichnet sich durch Ordnung und Beharrlichkeit aus. Ist es da zu verwundern, wenn man auf an und für sich ernste Fragen keine Antwort erhält, wenn diese nur so aufs Geradewohl wie aus der Pistole geschossen inmitten einer Menge alberner und nichtssagender Fragen hingeworfen werden? Jedermann, der sich ein Wissen zu eigen machen will, muß ein methodisches

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