Das Buch der Geister

- 11 - Studium mitbringen, er muß mit dem Anfange anfangen und der Verkettung und Entwicklung der Ideen folgen. Will man sich in der Schule der Geister unterrichten, so muß man unter ihrer Leitung einen richtigen Kursus durchnehmen, man muß, gerade wie unter Menschen, seine Lehrer wählen und dann hingebungsvoll und mit Fleiß arbeiten. Wir haben bereits gesagt, daß höhere Geister nur in ernsthafte Vereinigungen gehen, namentlich in solche, in denen eine vollkommene Gedankengemeinschaft herrscht und die Teilnehmer im Streben nach dem Guten ihren Vereinigungspunkt finden. Leichtfertigkeit und müßige Fragen entfernen sie, wie sich auch unter den Menschen vernünftige Leute dadurch abgestoßen fühlen. Dann bleibt das Feld dem Schwarm der Lügengeister, der leichtfertigen Geister, geöffnet, die immer auf dem Anstande stehen, ihre Scherze anzubringen und sich auf unsere Kosten zu belustigen. Man sei tätig, rührig und beharrlich im Arbeiten: sonst lassen höhere Geister den Lernenden im Stiche, gerade wie es bei Menschen ein Lehrer mit seinen nachlässigen Schülern macht. Die Bewegung der Gegenstände ist eine feststehende Tatsache. Die Frage ist nur die, ob man in dieser Bewegung eine sinnvolle Kundgebung zu erblicken hat oder nicht, und im Falle der Bejahung, welches die Quelle dieser Kundgebung ist. Wir sprechen nicht von der Verständnis verratenden Bewegung gewisser Gegenstände, noch von den Wortmitteilungen, noch von jenen Mitteilungen, die direkt durch das Medium gegeben werden. Derartige Kundgebungen, die für alle, die gesehen und gründlich überlegt haben, über jeden Zweifel erhaben sind, scheinen beim ersten Anblick doch mit dem Willen des Mediums in gewissem Kontakt zu stehen. Sie brauchen daher in einem Neuling nicht notwendigerweise Überzeugung begründen. Wie aber soll man sich die Beschaffenheiten der Antworten erklären, die völlig außerhalb der Vorstellungen und Kenntnisse des Mediums liegen? Und dabei ist noch zu beachten, daß es sich nicht etwa um einsilbige Antworten handelt, sondern oft um mehrere Seiten, die mit erstaunlicher Geschwindigkeit, sei es als freies Thema, sei es über einen bestimmten Gegenstand, niedergeschrieben werden. Unter der Hand eines Mediums, das von schöner Literatur nichts versteht, erstehen manchmal Gedichte von einer Schönheit und Erhabenheit, daß die besten Dichter sie gern als Kinder ihres eigenen Geistes wünschten. Was diese Tatsachen aber noch seltsamer erscheinen läßt, ist der Umstand, daß sie überall vorkommen und die Medien sich ins Unendliche mehren. Man sehe und beobachte, vor allem oft, lange, und unter den verlangten Bedingungen. Was antworten nun die Gegner dieser augenscheinlichen Gewißheit gegenüber? Ihr seid, heißt es, die Opfer von Scharlatanerie oder der Spielball von Illusionen. Dazu sei aber bemerkt, daß das Wort Scharlatanerie da aus dem Spiele bleiben muß, wo es nichts zu verdienen gibt, denn Scharlatane treiben ihr Geschäft nicht gratis. Es könnte sich also höchstens um eine Mystifikation handeln. Aber durch welches wundersame Zusammentreffen hätten sich die Mystifizierenden über die ganze Welt hin verständigt, derart einstimmig zu handeln, gleiche Wirkungen hervorzubringen und über gleiche Themen und Gegenstände in den verschiedensten Sprachen, wenn auch nicht wörtlich, so doch dem Sinne nach, identische Antworten zu geben? Weiter fügt man hinzu, man könnte, falls wirklich kein Betrug vorliegen sollte, das Opfer einer Selbst- täuschung sein. Jeder gute Logiker wird hier einräumen, daß die Qualität der Zeugen ein gewisses Gewicht hat und ihre Aussagen entsprechend unantastbar sind. Man wende diesen Umstand nun auf den vorliegenden Fall an und frage sich, ob die spiritistische Lehre, die heute bereits Millionen von Anhängern hat, diese etwa aus der Zahl der Unwissenden ausgewählt hat? Die Phänomene sind so außerordentlich, daß wir den Zweifel durchaus verstehen können. Was wir aber nicht verstehen können, ist, daß manche Zweifler Anspruch auf den gesunden Menschenverstand erheben, aber ohne Rücksicht auf gesellschaftlichen Anstand oder den sittlichen Wert ihrer Gegner, alle als Schwachköpfe bezeichnen, die nicht ihrer Ansicht sind. Es gibt allerdings einige Einwürfe, die wenigstens auf den ersten Blick verständlich erscheinen. Einer dieser stützt sich auf die Ausdrucksweise gewisser Geister, die der erhabenen Würde nicht angemes- sen erscheint, die man bei übernatürlichen Wesen voraussetzen müßte. Aber man beachte hier die kurze Zusammenfassung der Lehre, die wir eingangs gaben, dann wird sofort klar werden, daß die Geister selbst gar keinen Hehl daraus machen, an Kenntnissen und moralischen Eigenschaften ungleich zu sein, auch, daß man nicht alles, was sie sagen, wörtlich nehmen darf. Hier ist es Sache

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