Das Buch der Geister

- 14 - schreibung kaum Wert legen, besonders, wenn es sich um ernste und wichtige Belehrungen handelt. Ist es nicht schon merkwürdig genug, daß sie sich unterschiedslos in allen Sprachen ausdrücken können und sie alle verstehen? Doch darf man hieraus nicht schließen, daß ihnen die sprachliche Form unbekannt ist: wo es nötig ist, wird sie beachtet. Gedichte, die von ihnen diktiert werden, nehmen es mit jeder Kritik auf, oft trotz der Unwissenheit des Mediums. Weiter gibt es noch Leute, die überall Gefahren wittern, besonders bei allem, was ihnen nicht bekannt ist. So sind sie auch schnell bei der Hand, den Spiritismus in ein ungünstiges Licht zu setzen und sie meinen, wer sich diesen Studien widmete, könnte den Verstand dabei verlieren. Soll man darin einen ernsten Einwand erblicken? Ist es nicht bei Menschen mit schwachem Gehirn mit allen geistigen Beschäftigungen so, wenn man sich ihnen ausschließlich widmet? Wer kennt die Zahl der Narren und Verrückten, die durch mathematische, medizinische, musikalische oder philosophische Studien ihren Verstand verloren haben? Darf man deshalb wohl diese Studien verbannen? Alle großen und ausschließlichen Beschäftigungen des Geistes können Wahnsinn verursachen, Wissenschaften, Künste, ja selbst die Religionen stellen da ihr Kontingent. Grundursache des Wahn- sinns ist immer eine organische Prädisposition des Gehirns, die es gewissen Eindrücken mehr oder weniger zugänglich macht. Ist nun eine solche zum Wahnsinn vorhanden, so wird diese den Charakter der Beschäftigung annehmen, der man in erster Linie obliegt. Sie wird dann zur fixen Idee. Wer sich mit Geistern beschäftigt, dem wird Spiritismus im Falle solcher Veranlagung genau so gefährlich wie etwa Gott, die Engel, der Teufel, die Lebensstellung, Macht, Kunst, Wissenschaft oder ein politisches System. Ein religiös-Wahnsinniger wäre sicher Spiritismus-Wahnsinniger geworden, hätte er den Spiritismus gekannt, und ihm in seinem Leben die Vorherrschaft eingeräumt, wie es auch genau umgekehrt der Fall gewesen sein könnte. Meine Behauptung geht dahin, daß der Spiritismus durchaus kein besonderes Privileg in dieser Hinsicht hat, im Gegenteil, ich behaupte, daß er bei richtigem Gebrauch sogar der beste Schutz gegen Wahnsinn ist. Der wahre Spiritist sieht die Dinge dieser Welt von einem geradezu erhabenem Standpunkte aus an. Sie erscheinen ihm klein und nichtig gegenüber der großen Zukunft, die seiner wartet. Das Leben ist in seinen Augen so kurz und flüchtig, daß ihm alle Mühen und Sorgen nur unangenehme Zwischenfälle einer Reise sind. Er weiß, daß alle Kümmernisse Prüfungen sind, die zu seinem geistigen Fortschritt dienen. Zum Schluß bleiben uns jetzt noch zwei Einwürfe zu betrachten, die tatsächliche Einwürfe sind und diesen Namen verdienen, weil sie auf vernünftigen Theorien fußen. Beide Einwürfe nehmen die Tatsächlichkeit der Phänomene an, sowohl die materiellen als auch die geistigen. Sie lehnen aber die Annahme einer Einwirkung durch Geister ab. Nach der ersten dieser Theorien wären alle den Geistern zugeschriebenen Kundgebungen nichts an- deres als magnetische Wirkungen. Die Medien befänden sich in einem Zustande, den man als "wachen Somnambulismus" bezeichnen könnte, ein Phänomen, das jeder, der den Magnetismus studiert hat, bezeugen kann. In diesem Zustande erhielten die intellektuellen Fähigkeiten eine abnorme Entwick- lung, der Kreis intuitiver Wahrnehmungen gehe weit über die Grenzen des gewöhnlichen Erfassens hinaus. Danach würde das Medium das, was es sagt, und alle Begriffe, die es übermittelt, aus sich selbst und der Gabe seines Hellsehens schöpfen, selbst bei jenen Dingen, die ihm im normalen Zustande fremd sind. Wir geben zu, daß sich viele spiritistische Manifestationen auf diesem Wege erklären lassen, aber eine aufmerksame und kritische Beobachtung weist eine große Menge von Tatsachen auf, wo die Mitt- lerrolle des Mediums in einer anderen Weise als der eines völlig passiven Werkzeugs schlechterdings unmöglich ist. Auch den Anhängern dieser Ansicht rufen wir zu: "Sehet und beobachtet, denn ihr habt nicht alles gesehen!" Ferner halten wir ihnen zwei Erwägungen entgegen, die wir aus ihrer eigenen Lehre ziehen: Woher ist die spiritistische Theorie überhaupt gekommen? Ist es ein System, das sich einige Menschen ausgedacht haben, um damit Tatsachen zu erklären? Wohl kaum. Wer also hat es enthüllt? Gerade jene Medien selbst, deren Hellsehen man so sehr rühmt! Wenn also diese Hellseher wirklich so beschaffen sind, wie man es annimmt und hinstellt, wie wären sie wohl darauf verfallen, Geistern das zuzuschreiben, was sie dann ja aus sich selbst geschöpft hätten? Wie hätten sie diese logischen und erhabenen Lehren über jene außerhalb der Menschheit stehenden Intelligenzen geben

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