Das Buch der Geister

- 166 - Selbstmörder zu betrachten? Antwort: Auch das ist Selbstmord, aber die, die seine Ursache sind und ihn hätten verhüten können, sind strafbarer als der Selbstmörder. Seiner harret die Verzeihung. Glaubt jedoch nicht, daß er ganz freigesprochen werde, wenn er es an Festigkeit und Beharrlichkeit hat fehlen lassen, und wenn er nicht seinen ganzen Verstand nahm, um sich aus seiner schlimmen Lage zu retten. Frage: (1054) Ist Selbstmord, um der Schande einer bösen Tat zu entfliehen, ebenso tadelnswert wie der aus Verzweiflung? Antwort: Selbstmord macht keinen Fehler wieder gut, im Gegenteil, es sind dann ihrer zwei statt eines. Hatte man den Mut, das Böse zu tun, so soll man ihn auch haben, um die Folgen zu tragen. Frage: (1055) Ist der Selbstmord zu entschuldigen, wenn er die Schande, die auf die Familie fällt, verhindern soll? Antwort: Wer so handelt, tut zwar nicht wohl, aber er meint es zu tun und Gott trägt dem Rechnung und betrachtet es als eine sich selbst auferlegte Sühne. Er mildert seinen Fehler durch seine Absicht, aber ein Fehler ist es trotzdem. Anmerkung: Wer sich das Leben nimmt, um der Schande einer Missetat zu entgehen, beweist, daß ihm mehr an der Achtung der Menschen als an Gott gelegen ist. Er steht im Begriff, in das Geisterleben zurückzukehren, beladen mit all seinen Sünden, und hat sich der Mittel beraubt, sie bei Lebzeiten wieder gutzumachen. Frage: (1056) Was ist vom Selbstmord zu halten, um schneller in ein besseres jenseitiges Leben zu kommen? Antwort: Er verzögert damit seine Rückkehr in eine bessere Welt, und er selbst wird dann verlangen, das von sich geworfene Leben zu Ende zu führen. Wie der Fehler auch sei, nie öffnet er das Heiligtum der Auserwählten. Frage: (1057) Ist das Opfer seines Lebens nicht zuweilen verdienstlich, wenn es den Zweck hat, ein anderes zu retten oder seinesgleichen damit nützlich zu sein? Antwort: Das ist erhaben, je nach Absicht, und das Opfer des Lebens ist dann kein Selbstmord. Frage: (1058) Begeht derjenige Selbstmord, der als Opfer von Leidenschaften zugrundegeht, von denen er weiß, daß sie sein Lebensende beschleunigen, denen zu widerstehen er aber nicht mehr die Kraft hat? Antwort: Das ist moralischer Selbstmord. Seht ihr nicht ein, daß der Mensch hier doppelt strafbar ist? Hier findet sich Gottvergessenheit neben Vertierung und Mangel an Mut. Frage: (1059) Wenn jemand einen schrecklichen unvermeidlichen Tod vor sich sieht, darf er sein Leben abkürzen? Antwort: Man ist immer strafbar, das von Gott gesetzte Ende nicht abzuwarten. Ist man denn ganz sicher, daß es dem Anschein zum Trotz auch gekommen wäre? Immer ist es ein Mangel an Ergebung in den Willen des Schöpfers. Frage: (1060) Ist eine Unvorsichtigkeit tadelnswert, die das Leben ohne Not in Gefahr bringt? Antwort: Wo keine Absicht oder kein Bewußtsein, Böses zu tun vorliegt, ist auch keine Schuld vorhanden. Frage: (1061) Sind die Frauen, die sich in manchen Ländern mit der Leiche ihrer Männer verbren- nen lassen, als Selbstmörderinnen zu betrachten und erleiden sie dafür die Folgen?

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