Das Buch der Geister

- 176 - Schlußbetrachtungen I.) Wer vom Spiritismus nichts weiter weiß, als die Bewegungen der Tische, erblickt darin nur eine Belustigung, einen gesellschaftlichen Zeitvertreib. Er ahnt nicht, daß diese so einfache und gewöhnli- che Erscheinung, schon im Altertum und halbwilden Völkern bekannt, mit den wichtigsten Fragen gesellschaftlicher Ordnung in Verbindung steht. Aber auch aus einem einfachen Topf mit siedendem Wasser ging jene gewaltige Dampfkraft hervor, mit der der Mensch die Entfernungen aufhebt. Wisset, daß aus diesem drehenden Tisch, über den ihr lächelt, eine ganze Wissenschaft hervorging und die Lösung von Rätseln, die keine Philosophie bisher entziffern konnte! Gaben sich die Gegner des Spiri- tismus je die Mühe, ihn zu studieren? Urteil und Kritik haben schließlich nur Wert, wenn man sich mit den in Frage kommenden Dingen beschäftigt hat. Etwas Unbekann-tes bespötteln heißt nicht urteilen, sondern läßt Schlüsse zu auf die Armseligkeit der Urteilskraft des Spottenden. Hätte ein Mensch diese gewaltige Philosophie von den Geistern entwickelt, würde man sie vielleicht noch prüfen. Aber sie kommt von Geistern! Verdient sie da, auch nur eines Blickes gewürdigt zu werden? II.) Der Spiritismus ist der gefährlichste Gegner des Materialismus, daher sind Materialisten auch seine Gegner. Gehüllt in den Mantel von Vernunft und Wissenschaft, oft sogar in den der Religion, greifen sie ihn an, und Ziel und Angriffspunkt ist immer das "Wunderbare" und das "Übernatürliche" schlechthin, das sie nie zugeben wollen. Doch damit greifen sie auch die Religion an, was ist sie denn anders als Wunder und Offenbarung, also außermenschliche Mitteilung? Seit Moses Zeiten sprachen alle sakralen Schriftsteller von solcherart Mitteilungen. Der Spiritismus hat nicht zu untersuchen, ob es Wunder gibt oder nicht, er läßt jedem Glauben seine Freiheit. Die Erscheinungen, auf die er sich stützt, sind zwar ungewöhnlich, sind aber nicht übernatürlicher als andere Erscheinungen, die die Wis- senschaft bereits erklärt. Sie sind ohne Ausnahme die Folge allgemeiner Gesetze. Sie enthüllen uns eine bisher unbekannte und unbegriffene Naturkraft, die in der Ordnung der Dinge liegt. Spiritismus ist also weniger wunderbar als die Religion, und selbst Gelehrte, die dies nicht sehen, kennen ihn nicht. Ihr Reich der Natur ist eng und seine Gesetze begrenzt. III.) Unglaube stürzt die Welt in ein Durcheinander. Der Spiritismus belebt den Glauben an das Zukünftige, gibt neuen Mut, läßt die Schwere des Lebens mit Ergebung tragen. Ist das ein Übel? Zwei Lehrmeinungen stehen sich gegenüber. Die eine leugnet, die andere offenbart, die eine erklärt nichts, die andere erklärt alles. Selbstsucht und Liebe stehen sich gegenüber, hoffnungslose Gegenwart und trostreiche Zukunft. Welche Richtung ist die bessere? Alle Laster und Zwiespältigkeiten, aller Neid, Begierde, Gesetzlosigkeiten stammen in letzter Hinsicht aus dem Materialismus. Er treibt zum Bösen, denn er wurzelt in der Stofflichkeit. IV.) Das Prinzip menschlichen Fortschrittes liegt in den Gesetzen von Gerechtigkeit, Gottes- und Nächstenliebe, letzteres trägt alle anderen Gesetze in sich, ist Bedingung menschlichen Glückes. Es kann die Wunden der Gesellschaft heilen, und rückschauend über die Kulturen stellt man seine wohl- tätige Wirkung fest. Kann es zum Fundament menschlicher Einrichtungen werden? Ja, es kann, und es ist schon auf dem Wege! Völker reichen sich gegenseitig die Hände, Gerechtigkeit strebt nach Ver- breiterung, menschliche Gefühle erhöhen sich, Rassenunterschiede verwischen sich und werden aufgehoben, alles schart sich in Anbetung um einen Gott. Das Naturgesetz drängt und die Geschlech- ter lösen sich in ständigem Aufstieg ab. Der Fortschritt ist nicht mehr aufzuhalten. Der Mensch will glücklich sein, das liegt in seiner Natur. Er wird sein Glück erreichen, aber feststel- len, daß da noch etwas an der Vollkommenheit fehlt: Die Sicherheit der gesellschaftlichen Bezie- hungen, die er nur im sittlichen Fortschritt finden kann. Und dabei wird ihm der Spiritismus den mächtigsten Hebel bieten. V.) Der spiritistische Glaube erobert sich die Welt. In allen Kreisen auch der Gebildeten breitet er sich aus, ihm muß also eine Wahrheit zugrunde liegen. Ihn ins Lächerliche ziehen machte nur auf ihn auf-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3