Das Buch der Geister

- 6 - man aus diesem Ideenkreis herauszutreten brauchte, gab es Stoff zu ernsten Studien, die durchaus die Aufmerksamkeit der gelehrten Welt verdienten. Warum ist dies nicht geschehen? In erster Linie möchte man hier wohl die Banalität des bei den ersten Experimenten benutzten Gegen- standes, der Tische, nennen. Oft ist ein Wort bei den gewichtigsten Dingen von Entscheidung. Ohne daß man berücksichtigte, daß doch die Bewegung einem jeden Gegenstande mitgeteilt werden konnte, drängte sich immer der Gedanke an die Tische in den Vordergrund. Und doch ist der Tisch der be- quemste Gegenstand! Man setzt sich doch viel natürlicher um einen Tisch, als um irgendein anderes Möbelstück. Auch intelligentere Menschen sind oftmals kindisch, es ist gar nicht undenkbar, daß sie es unter ihre Würde hielten, sich mit dem zu beschäftigen, was man allgemein als "Tischrücken" bezeichnete. Kann man etwas gegen die Tatsächlichkeit des Phänomens daraus folgern, daß es sich in nicht immer identischer Weise nach dem Willen und den Wünschen des Beobachters zeigt? Sind nicht auch die elektrischen und chemischen Phänomene gewissen Bedingungen untergeordnet? Darf man sie leugnen, weil sie sich außerhalb jener Bedingungen nicht einstellen? Um nun diese Gesetze kennenzulernen, gilt es, die Umstände zu studieren, unter denen die Tatsachen eintreten, und es kann nur eine langwährende Beobachtung sein, die hier Erfolge bringt. Aber es liegt doch so oft ganz augenscheinlicher Betrug vor, wenden manche Menschen ein. Zunächst fragen wir solche Leute, ob sie denn des Betruges ganz sicher sind und ob sie nicht Wirkungen dafür ansehen, von denen sie sich keine Rechenschaft ablegen konnten. Selbst wenn dies das eine oder andere Mal vorgekommen wäre, es wäre kein Grund, die Tatsachen selbst zu leugnen. Darf man die Physik leugnen, weil es Scharlatane gibt, die sich den Titel "Physiker" zulegen? Man sollte auch den Charakter der Personen berücksichtigen und ihr etwaiges Interesse an einer Täuschung. Übrigens läge in einer Mystifikation, die sich über die ganze Erde verbreitet, mindestens eben so etwas Außerordent- liches, als in dem Phänomen selbst. Hätten die uns beschäftigenden Phänomene sich nur auf die Bewegung von Gegenständen beschränkt, sie wären auf dem Boden physischen Wissens geblieben. Aber sie sollten uns die Spur von sonderbar gearteten Tatsachen aufzeigen. Man glaubte die Entdeckung zu machen, daß der den Gegenständen gegebene Impuls nicht nur das Produkt einer blinden, mechanischen Kraft sei, sondern daß bei dieser Bewegung eine intelligente Ursache im Spiele sein müßte. Nachdem sich dieser Gedankengang durchgesetzt hatte, sah man ein ganz neues Beobachtungsfeld vor sich, auf dem vorher der Schleier vieler Geheimnisse lag. Gibt es wirklich eine intelligente Naturkraft? Dies war nun die Frage. Und wenn eine solche Kraft existiert, was ist es für eine, was ist ihr Wesen, ihr Ursprung? Steht sie über der Menschheit? Alle diese Fragen ergaben sich aus der ersten. Die ersten intelligenten Kundgebungen fanden mittels der Tische statt, die sich hoben und durch Aufstoßen mit dem Fuße eine bestimmte Anzahl von Schlägen gaben, so auf eine gestellte Frage nach Übereinkunft mit ja oder nein antwortend. Auch dies konnte eine Zufallswirkung sein. Später aber erhielt man durch die geklopften Buchstaben vollständigere Antworten, indem der bewegliche Gegen- stand durch eine bestimmte Anzahl von Stößen auf einen bestimmten Buchstaben des Alphabets hin- wies. So gelang es, Worte und Sätze als Antwort auf gestellte Fragen herauszubringen. Die Richtigkeit dieser Antworten, ihre korrekte Beziehung zur Frage erregten Erstaunen. Das geheimnisvolle Wesen, das in solcher Weise antwortete, erklärte auf Befragen in Bezug auf seine Natur, daß es ein Geist oder Genius wäre, gab sich einen Namen und lieferte mannigfache Auskunft hinsichtlich seiner Beschaf- fenheit. Dieser Umstand verdient ganz besondere Beachtung! Niemand hat, wie ersichtlich, den Be- griff der Geister erdacht, etwa als Erklärungsmodus für das Phänomen. Das Phänomen selbst enthüllte das Wort. Das geschilderte Korrespondenzmittel war lang und unbequem. Der Geist, - man beachte auch diesen Umstand! - gab ein anderes an. Er gab den Rat, an ein Körbchen oder sonst einen Gegenstand einen Bleistift anzubringen. Das Körbchen wurde auf einen Bogen Papier gestellt, und durch die gleiche verborgene Macht, welche die Tische dreht, in Bewegung gesetzt. Der Bleistift zeichnete nun von selbst Charaktere, Buchstaben, Worte und Sätze, ja, ganze Abhandlungen von mehreren Seiten. Es ergaben sich Abhandlungen über die höchsten Fragen der Philosophie, speziell über Ethik, Meta- physik, Psychologie usw. und zwar mit solcher Geschwindigkeit, als würde mit der Hand geschrieben.

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