Das Buch der Medien

PSYCHOWISSENSCHAFTLICHE GRENZGEBIETE Ausgesuchte Veröffentlichungen aus verschiedenen Bereichen psychowissenschaftlicher Forschung Internet: https://www.psygrenz.de Allan Kardec Das Buch der Medien Ein Wegweise für Medien und Anrufer über Art und Einfluß der Geister, die Theorie ihrer verschiedenen Kundgebungen, die Mittel zum Verkehr mit der unsichtbaren Welt und der möglichen Schwierigkeiten, denen man beim Experimentalspiritismus begegnen kann. Allan Kardec, mit bürgerlichem Namen Lèon Hippolyte Dénizard Rivail, wurde am 3. Oktober 1804 als Sohn einer altbekannten Advokatenfamilie geboren. Er wurde aber nicht Advokat, da er sich schon seit frühester Jugend zum philosophischen Studium hingezogen fühlte. In der Pestalozzischule zu Yverdon /Schweiz erzogen, wurde er einer der hervorragendsten Schüler Pestalozzi's und eifriger Verbreiter seines Erziehungssystems. Mit ganz besonderer Intelligenz begabt, durch Charakter und Fähig-keiten zum Unterrichten befähigt, lehrte er mit 14 Jahren bereits zurückgebliebene Mitschüler. Hier entwickelte er auch seine großen Ideen, die ihn später bekannt machen sollten. Kardec gehörte auch zu den großen Pionieren der Geister- und Jenseits-forschung. Er starb am 31. März 1869 und wurde auf dem berühmten Pariser Prominentenfriedhof Père-Lachaise bestattet. Einleitung Es ist eine Tatsache, daß die Schwierigkeiten in der Ausübung des praktischen Spiritismus zumeist auf Unkenntnis der Grundsätze dieser Wissenschaft beruhen. Wir bemühten uns daher, mit diesem Buch die Klippen für Anfänger aufzuzeigen, denn nur, wenn man sie kennt, kann man sie vermeiden. Wer sich mit Spiritismus beschäftigt, hat natürlich auch den Wunsch, mit den Geistern in einen persönlichen Verkehr zu treten. Dieses Werk soll dazu den Weg ebnen, indem wir den Leser an der Frucht unserer langen, mühevollen Studien teilnehmen lassen. Man würde sich eine ganz falsche Idee machen, dächte man, es genügt zu wissen, wie die Finger auf den Tisch zu legen sind, um ihn in Bewegung zu bringen, oder wie ein Bleistift zu halten ist, um zu schreiben. Ebenso würde man sich täuschen, wenn man glaubt, man finde in diesem Werk eine allgemeingültige, untrügliche Anweisung, um Medien heranzubilden. Zwar besitzt fast jeder die erforderliche Eignung, aber sie ist bei allen Menschen sehr verschieden und hängt von Ursachen ab, die nicht im Belieben des Einzelnen liegen. Die Gesetze der Dichtkunst, Malerei und Musik machen keinen Könner aus jenem, dem die Anlagen dazu fehlen, und ebenso verhält es sich mit unserer Arbeit. Sie kann nur die Wege andeuten, wie man die medialen Fähigkeiten entwickelt, soweit es die Veranlagung eines jeden gestattet, und wie man dann einen nützlichen Gebrauch davon machen kann. Aber dieses ist nicht unser einziges Ziel. Außer den Medien selbst gibt es viele Menschen, die sich praktisch mit dem Spiritismus beschäftigen und seine Erscheinungen beobachten. Diese bei ihren Beobachtungen zu beraten, mögliche Gefahren aufzuzeigen, sie mit der Art und Weise bekannt zu machen, wie man sich mit Geistern unterhält, ihnen Wege zu guten Kundgebungen zu zeigen: dies alles ist die uns gestellte Aufgabe. Wenn daher jemand in diesem Werke Belehrungen findet, die ihm fremd scheinen, möge er sie prüfen. Die Erfahrung wird ihre Nützlichkeit zeigen. Wenn man alles fleißig studiert hat, wird man alle spiritistischen Tatsachen besser begreifen. Die Sprache so manchen Geistes wird weniger fremdartig erscheinen. Diese prakti-

- 2 - sche Anweisung ist daher nicht ausschließlich für Medien gedacht, sondern überhaupt für alle diejenigen, die in der Lage sind, die spiritistischen Erscheinungen zu sehen und zu beobachten. Es wurde gewünscht, daß wir ein kurzgefaßtes Handbuch veröffentlichen sollten, mit Anweisungen, wie man sich mit den Geistern in Verbindung setzen kann, doch wir betrachten ein solches Buch als vielleicht mehr schädlich denn nützlich. Die praktische Ausübung des Spiritismus ist mit sehr vielen Schwierigkeiten verknüpft und nicht immer frei von Unannehmlichkeiten und Gefahren, denen nur ein ernstes und gründliches Studium vorbeugen kann. Eine zu kurz gefaßte Anleitung ließe befürchten, daß leichtfertig gemachte Erfahrungen später Grund zur Reue gäben. • Spiritistische Experimente sind Sachen, mit denen zu spielen weder zulässig noch klug ist! Mit einem kurzen Leitfaden hätten wir also einen schlechten Dienst geleistet, denn wir wenden uns ja an Menschen, die im Spiritismus ein ernstes Ziel erblicken, seine Wichtigkeit voll begreifen und mit den Kundgebungen der unsichtbaren Welt kein Spiel treiben. Dieses Werk, in dem wir alle Lehren einer langen Erfahrung und eines wissenschaftlichen Studiums vereinigt haben, wird dazu beitragen, dem Spiritismus seinen innewohnenden ernsten Charakter zu geben und zu verhüten, in ihm einen Gegenstand leichtsinniger, unterhaltender Beschäftigung zu sehen. Und noch eines kommt hinzu: der üble Eindruck, den leichtsinnige und ohne Kenntnis der Ursachen unternommene Versuche auf noch unerfahrene Personen ausübt. Er bringt den Nachteil mit sich, daß sie von der Geisterwelt eine falsche Idee erhalten und oft begründete Kritik üben. Darum werden Ungläubige auch durch solche Zirkel sehr selten bekehrt. • Unwissenheit und Leichtfertigkeit mancher Medien haben da weit mehr Unheil angerichtet, als man glauben sollte. Der Spiritismus hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Unendlich größere wird er machen, weil er philosophisch begründet und durch aufgeklärte Menschen richtig beurteilt und anerkannt wurde. Er ist eine Lehre, über die jene Menschen, die einst über die tanzenden Tische gelacht haben, nicht mehr lachen. Führen wir ihn auf diesem Wege weiter, so gewinnen wir ihm mehr Anhänger, als durch unüberlegte Kundgebungen, die man mißbrauchen könnte. Nachdem wir im "Buch der Geister" den philosophischen Teil der spiritistischen Wissenschaft behandelt haben, geben wir in diesem Werk den praktischen Teil für alle, die sich mit den Manifestationen beschäftigen wollen, sei es für sich selbst, sei es zur Erklärung der Erscheinungen, deren Tatsachen manchen Menschen neugierig machen. Sie werden darin die Klippen erkennen und somit ein Mittel haben, um sie zu vermeiden. Diese beiden Werke sind, obwohl eines die Folge des andern, voneinander unabhängig, doch raten wir demjenigen, der sich ernstlich damit beschäftigen will, zuerst wegen der Grundprinzipien das "Buch der Geister" zu lesen. Er wird dann einige Teile des vorliegenden Werkes besser verstehen. Das "Buch der Medien" wurde mit ganz besonderer Sorgfalt von den Geistern korrigiert, sie fügten eine Menge von Bemerkungen und Instruktionen von größtem Interesse hinzu. Da sie das Ganze also durchgeforscht und nach ihrem Belieben entweder gebilligt oder entsprechend abgeändert haben, so kann man sagen, daß es großenteils ihr Werk ist. Wo es nötig schien, gewisse Kundgebungen zu charakterisieren, wurde der Name des sich kundgebenden Geistes genannt. Aber wie man weiß, kommt es kaum darauf an, das Wesentliche besteht darin, daß die gesamte Arbeit dem gesetzten Zwecke entspricht. Hinweise zu diesem Buch Spiritismus: Physikalische Manifestationen, welche die Existenz von Geistwesen beweisen. Spiritualismus: Die höhere Form des Spiritismus, welche sich ausschließlich mit Belehrungen durch autorisierte Geistlehrer und Lichtboten beschäftigt. Einfachheitshalber wird in diesem Buch auch der Spiritualismus mit Spiritismus bezeichnet.

- 3 - Kurzbiografie Allan Kardec's Allan Kardec, mit bürgerlichem Namen Lèon Hippolyte Dénizard Rivail, wurde am 03. Oktober 1804 als Sohn einer altbekannten Advokatenfamilie geboren. Er wurde aber nicht Advokat, da er sich schon seit frühester Jugend zum philosophischen Studium hingezogen fühlte. In der Pestalozzischule zu Yverdon/Schweiz erzogen, wurde er einer der hervorragendsten Schüler Pestalozzi's und eifriger Verbreiter seines Erziehungssystems. Mit ganz besonderer Intelligenz begabt, durch Charakter und Fähigkeiten zum Unterrichten befähigt, lehrte er mit 14 Jahren bereits zurückgebliebene Mitschüler. Hier entwickelte er auch seine großen Ideen, die ihn später bekannt machen sollten. Als Katholik in einem protestantischen Lande aufwachsend, umgeben von Intoleranz in allen religiösen Dingen, begriff er früh die Notwendigkeit einer religiösen Reform. Aber ihm fehlte das entsprechende Element zur Lösung dieses großen Problems. Erst der Spiritismus lieferte es ihm später und gab seiner Arbeit ein ganz besonderes Gepräge. Nach Beendigung seiner Studien kam er nach Frankreich. Als ein gründlicher Kenner der deutschen Sprache übersetzte er verschiedene Werke für Deutschland, die sich mit Erziehung und Ethik befaßten. Kardec war Mitglied einer Anzahl von gelehrten Gesellschaften, unter anderem auch der "Königlichen Akademie von Arras". Von 1835 bis 1840 hielt er in seiner Wohnung für Interessenten Gratiskurse über Chemie, Physik, vergleichende Anatomie, Astronomie usw., ab. Um jene Zeit entdeckte er auch eine geniale Methode zum Erlernen des Rechnens, erfand eine mnemotechnische Tafel der französischen Geschichte und beschäftigte sich mit Schriften über die Erziehung. Von diesen Erziehungsschriften sind besonders erwähnenswert: "Plan zur Verbesserung des öffentlichen Unterrichts" "Praktischer Kurs und Theorie der Arithmetik nach Methode Pestalozzi zum Gebrauch der Lehrer" "Klassische französische Grammatik" "Prüfungshandbuch zur Erlangung von Fähigkeitsausweisen" "Vernünftige Schlüsse über Fragen und Probleme der Arithmetik und Geometrie" "Grammatikalischer Katechismus der französischen Sprache" und noch manche andere Werke. Kardec war also als Schüler Pestalozzis ein ausgesprochener Pädagoge und Lehrer, solange er noch seinen bürgerlichen Namen als Verfasser gebrauchte. Als etwa gegen 1855 die Frage der Geistermanifestationen populär wurde, wählte L. H. D. Rivail das Pseudonym Allan Kardec, und beschäftigte sich völlig mit den spiritistischen Phänomenen. Er machte es sich zur besonderen Aufgabe, die philosophischen Folgerungen aus den Erscheinungen abzuleiten und sie zu fundieren. Kardec war es, der als Erster das Prinzip neuer Naturgesetze in den Phänomenen erkannte, jener Gesetze, die die Beziehungen der sichtbaren und unsichtbaren Welt zueinander beherrschen. Er erkannte in der Wirkung dieser Gesetze eine von den Naturkräften, deren Erkenntnis auf eine Menge bisher unlösbarer Probleme blitzartig Licht warf. Er erfaßte ihre Tragweite besonders hinsichtlich des Religiösen. Und wie er früher sein Wissen als Pädagoge literarisch auswertete, so schrieb er auch über den Spiritismus eine Anzahl von Büchern, die seiner Zeit alle wegweisend wurden. Seine Hauptwerke waren: "Das Buch der Geister" (der philosophische Teil), 1857 "Das Buch der Medien" (experimentalwissenschaftlicher Teil), 1861 "Das Evangelium nach dem Spiritismus" (ethischer Teil), 1864 "Der Himmel und die Hölle", oder die Gerechtigkeit Gottes nach dem Spiritismus, 1865 "Die Genesis", Wunder und Weissagungen nach dem Spiritismus, 1868 "Revue Spirite", Zeitschrift für psychologische Studien, monatlich erschienene Sammlungen ab 1858. Ins Deutsche übersetzt wurden von seinen Werken nur "Das Buch der Geister" und "Das Buch der Medien". Am 01. April 1858 gründete Kardec in Paris die erste regelrecht eingesetzte spiritistische Gesellschaft der Welt, unter dem Namen: "Société Parisienne des Etudes spirites", deren ausschließliches Ziel das Studium alles dessen war, was zum Fortschritt des Spiritismus beitragen konnte.

- 4 - Allan Kardec hat nichts unter dem Eindruck vorgefaßter oder systematischer Ideen geschrieben. Kaltblütig und nüchtern hat er alle Tatsachen beobachtet und von ihnen die Gesetze abgeleitet, durch die sie bestehen. Er war der erste Theoretiker des Spiritismus und brachte ihn in ein methodisches Lehrgebäude. Indem er bewies, daß alle fälschlich als "übernatürlich" bezeichneten Tatsachen bestimmten Gesetzen unterworfen sind, reihte er sie in die Ordnung der Naturerscheinungen ein, und zerstörte so die letzten und stärksten Elemente des Aberglaubens. In den ersten Jahren ihres Auftauchens waren die spiritistischen Phänomene mehr Gegenstand der Neugierde als Objekt ernsten Nachdenkens und Forschens. Das "Buch der Geister" brachte hier neue Impulse. Es betrachtete die Sache von einem völlig neuen Gesichtspunkt aus. Da verließ man die drehenden Tische, die das Vorspiel waren, und versammelte sich um einen wissenschaftlichen Kernpunkt, der alle die Menschheit interessierenden Fragen umfaßte. Von hier an beginnt die wahre und konzentrierte Begründung des wissenschaftlichen Spiritismus, die bis dahin nur aus zerstreuten Elementen ohne Verbindung bestanden hatte. Die Lehre fesselte die Aufmerksamkeit ernster Menschen und nahm eine rasche Entwicklung. Alle Schichten der Gesellschaft in allen Ländern der Erde verhalfen der Lehre zu einem Erfolg ohnegleichen. Die Bücher Kardec's, klar und eindeutig geschrieben, frei von abstrakten Ausdrücken der Metaphysik, lassen sich mühelos lesen, was wesentlich für die Verbreitung seiner Idee ist. Seine streng logische Beweisführung bietet bei strittigen Punkten wenig Handhabe zur Widerlegung und macht den Leser für die Überzeugung empfänglich. Die materiellen Beweise, die der Spiritismus von der Existenz der Seele und vom künftigen Leben gibt, haben die Zerstörung der materialistischen und pantheistischen Weltanschauungen zur Folge. Einer der fruchtbarsten Grundsätze dieser Lehre, der sich aus dem Vorhergehenden ergibt, ist der von der Vielheit der Existenzen, die schon von einer Menge alter und moderner Philosophen vermutet worden war, doch waren diese Vermutungen Hypothese und nicht beweisbar geblieben. Der Spiritismus aber zeigt die Wirklichkeit dieser Vermutungen auf und beweist, daß die Reinkarnation eines der unerläßlichen Attribute der menschlichen Wesenheit und Sinnbild göttlicher Gerechtigkeit ist. Von diesem Prinzip leitet sich die Lösung aller scheinbaren Widersprüche des menschlichen Lebens, aller intellektuellen, moralischen und sozialen Ungleichheiten ab. Seine Tatsachen klären den Menschen darüber auf, woher er kommt, wohin er geht, zu welchem Zweck er auf der Erde ist und weshalb er leidet. Die angeborenen Ideen und Begabungen erklären sich durch die in früheren Leben erworbenen Erkenntnisse, der Kulturfortschritt einzelner Völker und der Gesamtmenschheit durch die Wiederkehr fortgeschrittener Wesen, Zuneigung und Abneigung durch die Natur der früheren Verbindungen zueinander. Die Beziehungen der großen, menschlichen Familie aller Zeiten mit den Prinzipien der Brüderlichkeit, Freiheit, Gleichheit und allgemeiner Zusammengehörigkeit: sie haben nicht mehr eine bloße Theorie, sondern die Naturgesetze selbst zur Basis! Statt des Grundsatzes "Außerhalb der Kirche kein Heil", der die Trennung und Erbitterung zwischen den einzelnen Sekten nährt und erhält, und der schon so viel Blutvergießen auf der Welt gekostet hat, erhebt der Spiritismus die Wahrheit "Außerhalb der Nächstenliebe kein Heil" zum Grundsatz, also Gleichheit unter den Menschen vor Gott, Toleranz, Gewissensfreiheit und gegenseitiges Wohlwollen! Anstelle des blinden Glaubens, der die Denkfreiheit vernichtet, sagt er: Es gibt keinen unerschütterlichen Glauben, der menschlicher Vernunft aller Zeitalter ins Auge schauen könnte. Der Glaube braucht eine Grundlage, und diese Grundlage ist die vollkommene Einsicht dessen, was man glauben soll. Um zu glauben, genügt es nicht allein zu sehen, man muß vor allem verstehen! Blinder Glaube ist nicht mehr Sache unseres Jahrhunderts, denn gerade das Dogma des blinden Glaubens erweckt heute die größte Zahl der Ungläubigen, weil er sich aufdrängen will und weil er die Hingabe, das Aufgeben einer der kostbarsten Fähigkeiten des Menschen verlangt: die Vernunft und den freien Willen. –– Allan Kardec, der unermüdliche Arbeiter und Forscher, starb am 31. März 1869 an einem Schlaganfall. Kurz vor seinem eigenen irdischen Ende sagte er noch: "Der Tod trifft augenblicklich mit doppelten Schlägen die berühmten Reihen! Wen wird er jetzt befreien ... ?" Ihn selbst traf das Schicksal. Er mußte in den unendlichen Raum, aus dem er einst kam, zurücktauchen und ging mit jenen, welche einmal als Leuchttürme der kommenden, neuen Generation zurückkommen werden.

- 5 - Erster Teil: Spiritistische Begriffe Gibt es Geister? Der Zweifel am Dasein von Geistern hat die Unkenntnis ihrer wahren Natur zur Hauptursache. Im allgemeinen denkt man sich Geister als Wesen außerhalb der Schöpfung. Viele Menschen kennen sie nur als Gestalten phantastischer Erzählungen, ohne jedoch zu untersuchen, ob diese Erzählungen, von lächerlichen Beisätzen befreit, nicht eine reale Grundlage haben. Wenn man sich von Geistern einen Begriff machen will, muß sich der Glaube an sie notwendigerweise auf das Vorhandensein eines intelligenten Prinzips außerhalb der Materie gründen. Mit der absoluten Ableugnung dieses Prinzips ist er unvereinbar. Wir nehmen unseren Ausgangspunkt vom Hinscheiden aus diesem Leben, vom Überleben und der Individualität der Seele, welche der Spiritismus offenbar kundig darlegt. Sehen wir vorerst von den Manifestationen im eigentlichen Sinne ab, bleiben wir bei direkten Schlußfolgerungen, und wir werden sehen, zu welchen Konsequenzen wir gelangen werden. Sobald man das Dasein der Seele und ihre Individualität einmal anerkannt hat, muß man auch zugeben, daß sie von einer anderen Wesenheit als der Körper ist, denn sobald eine Trennung eingetre-ten ist, hat sie nicht mehr seine Eigenschaften. Ferner, daß sie ihr eigenes Selbstbewußtsein besitzt, weil man ihr Freud und Leid zuschreibt, denn sonst wäre sie ein untätiges Wesen, und eine Seele zu haben oder nicht zu haben wäre gleich. Dieses zugegeben, geht die Seele also irgendwohin. Wohin geht die Seele, und was wird aus ihr? Nach allgemeinem Glauben geht sie entweder in den Himmel oder in die Hölle. Aber wo sind der Himmel und die Hölle? Einst sagte man, daß der Himmel oben und die Hölle unten sei, aber was bedeutet im All oben und unten, seit man die Kugelgestalt unserer Erde und die Bewegung der Gestirne kennt? Im Verlaufe von zwölf Stunden wird im Raume das Oben zum Unten und umgekehrt. Und wenn man noch die Tiefen der Erde für untere Orte hielt: was ist aus diesen Tiefen geworden, seit die Geologie sich ihrer forschend annahm? Ähnlich ist es mit den Sphären des Himmels geworden, seit man weiß, daß die Erde nicht den Mittelpunkt der Welt bildet, und daß selbst unsere gewaltige Sonne nur eine von den Milliarden von Sonnen ist, von denen jede einzelne den Mittelpunkt eines kosmischen Wirbels bildet. Die Vernunft weigert sich, die Nutzlosigkeit des Unendlichen anzunehmen. Alles sagt uns, daß diese Welten bewohnt sind und sein müssen, aber wenn sie bewohnt sind, liefern sie ja auch ihren Anteil zur Seelenwelt! Und nochmals: Was wird aus diesen Seelen, da Astronomie und Geologie die ihnen angewiesenen Wohnungen in Nichts auflöste, besonders seit diese vernunftgemäßen Lehren von der Menge der Welten ihre Anzahl ins Unendliche vermehrt hat? Da die Annahme einer Lokalisierung der Seele mit den Grundsätzen der Wissenschaft nicht mehr übereinstimmt, muß ihnen eine andere, mehr logische Lehre als Aufenthalt nicht mehr einen beschränkten Ort, sondern den ganzen Weltraum zubilligen. Wir leben in der Mitte einer völlig unsichtbaren Welt, die uns umgibt, die uns beständig berührt. Sollte dies etwas Unmögliches sein, was der Vernunft widerspricht? Keineswegs, ganz im Gegenteil sagt uns alles dies, daß es gar nicht anders sein kann. Aber was wird dann aus den künftigen Belohnungen und Strafen, wenn man ihnen diese besonderen Orte wegnimmt? Der Unglaube an diese Orte der Strafen und Belohnungen ist überhaupt erst dadurch entstanden, daß man sie unter unannehmbaren Bedingungen darstellte, würde man den Menschen erläutern, daß die Seelen ihr Glück oder Unglück aus sich selbst schöpfen, daß ihr Schicksal von ihrem moralischen Zustande abhängig ist, daß sie nach dem Grade ihrer Reinigung Dinge durchdringen und durchschauen, die gröberen Seelen verborgen sind: die ganze Welt würde es ohne Mühe begreifen. Sagt ihnen ferner, daß sie den höchsten Grad ihrer Veredelung nur durch geistige Anstrengungen und erst nach einer Reihe von Prüfungen der Reinigung erreichen; daß Engel Seelen sind, die diesen höchsten Grad bereits erreicht haben, den alle erreichen können, die guten Willens sind, und daß diese Engel Boten Gottes sind, dann gebt ihr ihnen ein schöneres Ziel als die Nutzlosigkeit einer beständigen Gott-Anschauung. Sagt ihnen auch, daß Teufel und Dämonen nichts anderes sind als die Seelen der Bösen, die zwar noch nicht geläutert sind, es aber im Laufe der Zeiten werden, und das wird der Gerechtigkeit und Güte Gottes mehr entsprechen als eine Lehre von der ewigen Strafe.

- 6 - Geister sind also nichts anderes, als menschliche Seelen von ihrer Körperhülle entblößt. Wären sie besondere Wesen, dann wäre ihr Dasein viel zweifelhafter. Gibt man zu, daß es Seelen gibt, muß man auch zugeben, daß es Geister gibt; gibt man zu, daß sich Seelen überall befinden, müssen sich also auch Geister überall befinden. Bedeutsam ist, daß einer Theorie weder Vernunft noch Wissenschaft widerspricht, bedeutsamer, wenn sie noch durch Tatsachen erhärtet wird. Bei vielen Menschen beschränkt sich der Glaube daher auf die vorhandenen Tatsachen, aber die Möglichkeit eines Verkehrs mit den Geistern wird abgeleugnet, weil offensichtlich immaterielle Wesen nicht auf die Materie wirken können. Man macht sich von Geistern völlig falsche Begriffe. Bringen wir ihn in Verbindung zum Körper, so ist er als denkendes und überlebendes Wesen das Primäre. Der Körper ist nur eine Zugabe des Geistes, ein Kleid, das er ablegt, wenn es abgenützt ist. Außer diesem Kleid, der völlig materiellen Hülle, hat der Geist noch eine halbmaterielle Hülle, die ihn mit der ersten verbindet. Beim Tode befreit er sich von der ersten Hülle, aber nicht von der zweiten, die wir Perisprit (Astralkörper) nennen. Diese bildet für sich einen Körper, der uns im Normalzustande zwar unsichtbar ist, der aber dennoch einige Eigenschaften der Materie besitzt. Der Geist ist also kein Nichts, keine Abstraktion, sondern ein bestimmtes und begrenztes Wesen, dem nichts fehlt, als sichtbar und ertastbar zu sein. Warum sollte er da auf die Materie keinen Einfluß haben? Da das Dasein Gottes und jenes der Seele, die sich aus dem Dasein Gottes ergibt, die Grundlage des ganzen Gebäudes bildet, ist es bei Diskussionen wichtig, ob dies vom Partner zugegeben wird. Glaubt er an Gott, eine Seele, an ein Fortleben nach dem Tode, so wird davon die Existenz der Seelen ganz natürlich abgeleitet. Zur Frage, ob sich der Geist dem Menschen mitteilen kann, ob es möglich ist, mit ihm Gedanken auszutauschen, bleibt nur festzustellen, daß der Mensch ein in einen Körper eingezwängter Geist ist. Warum sollte sich ein freier Geist einem gefangenen Geiste nicht mitteilen können, wie dies ja im Leben auch der Fall ist? Gibt man ein Überleben zu, muß man auch die Fortdauer der Zuneigung zugeben. Es wird sich also die Seele aller verfügbaren Mittel bedienen, sich den zurückgelassenen Lieben bemerkbar zu machen, hat sie doch im Leben auch auf die Materie eingewirkt, warum sollte sie es nicht können, wenn ihr ein materieller Körper geliehen wird? Fordern wir doch die Ungläubigen auf, zu beweisen, daß dies nicht möglich ist! Stellen wir uns auf ihren Standpunkt, der alles mit irdischen Gesetzen erklären will, und lassen wir uns beweisen, unter der Voraussetzung des Fortbestehens der Seele: daß das Wesen, das bei Lebzeiten in uns denkt, nach dem Tode nicht mehr denken kann, doch wenn es denkt, daß es nicht an jene denken muß, die es hier geliebt hat, und wenn es an sie denkt, daß es nicht auch den Wunsch hätte, sich ihnen mitzuteilen, und wenn es überall sein kann, daß es nicht an unserer Seite sein könnte, und wenn es doch an unserer Seite ist, daß es sich uns nicht mitteilen könne, daß es mit seiner flüchtigen Hülle auf die träge Materie nicht einwirken könne, wenn es aber auf die träge Materie einwirken kann, daß es keinen Einfluß auf ein anderes belebtes Wesen haben könne, wenn es aber auf ein belebtes Wesen einwirken kann, daß es seine Hand nicht ausstrecken könne, um damit zu schreiben, und wenn es dies vermag, daß es nicht auf gestellte Fragen antworten und dem Fragestellenden seine Gedanken nicht übertragen könne. Wenn uns die Gegner des Spiritismus bewiesen haben, daß dies nicht möglich sei, und zwar durch ganz unantastbare Beweise, dann werden wir anerkennen, daß ihre Zweifel begründet sind. Ihr Unglück ist aber, daß ihr einziges Argument in den Worten besteht: "Ich glaube es nicht, denn es ist ja unmöglich!" Sie werden im Gegenteil sagen, daß es unsere Sache sei, die Wirklichkeit der Kundgebungen zu beweisen. Wir beweisen sie ihnen auch, durch Wirklichkeiten und Vernunftgründe, wenn sie aber weder das eine noch das andere annehmen wollen, wenn sie sogar das noch leugnen, was sie selbst sehen, so ist es ihre Sache, zu beweisen, daß unser Urteil falsch ist und die spiritistischen Tatsachen unmöglich sind.

- 7 - Das Wunderbare und Übernatürliche Warum trifft man den Glauben an Geister und ihre Kundgebungen bei allen alten und neuen Völkern und in den heiligen Büchern aller bekannten Religionen? Kritiker sagen, weil der Mensch zu allen Zeiten das Wunderbare geliebt hat. Doch was ist das Wunderbare? Man meint, was übernatürlich ist. Und das Übernatürliche ist das, was gegen die Gesetze der Natur ist. Kennt man denn diese Gesetze so gut, daß es möglich ist, die Grenzen für Gottes Allmacht zu umreißen? Wer will beweisen, daß Geister und ihre Kundgebungen nicht in die Naturgesetze eingeschlossen sind? Trägt der Spiritismus nicht alle Anzeichen eines ganz wunderbaren Gesetzes an sich, das alles aufklärt, was bisher Rätsel war? Eine Auferstehung von dem Tode, ganz körperlich, wäre übernatürlich und phantastisch und eine völlige Abweichung vom Naturgesetz. Gott würde so etwas nicht eintreten lassen, es geschähe denn ein Wunder. Aber solche Dinge gibt es nicht im Spiritismus. Man wird aber sagen: "Ihr gebt ja zu, daß ein Geist einen Tisch aufheben und ihn in der Luft halten könne. Ist dies nicht eine Abweichung vom Gesetz der Schwere?" Ja, eine Abweichung von einem bekannten Gesetze. Aber hat denn die Natur schon ihr letztes Wort über ihre Gesetze gesagt? Bevor man die aufsteigende Kraft gewisser Gase erforscht hat, wer hätte da geglaubt, daß eine schwere, viele Menschen tragende Maschine über die Anziehungskraft triumphieren werde? Warum also sollte ein unbekanntes Fluidum nicht auch die Eigenschaften besitzen, unter gewissen Umständen die Wirkung der Schwere aufzuheben, wie der Wasserstoff die Schwere des Ballons aufhebt? Dies ist ein Vergleich, doch nicht eine Gleichstellung, um durch Analogie zu zeigen, daß die Sache, physisch genommen, nicht unmöglich ist. Die Tatsache ist da, kein Leugnen kann sie verschwinden lassen, denn Leugnen heißt nicht beweisen, für uns ist nichts "übernatürlich". Wenn die Sache erwiesen ist, wird man sagen, wir nehmen sie an, wir nehmen sogar die von euch eben angeführte Ursache an, nämlich die von einem unbekannten Fluidum. Wer aber beweist das Einwirken der Geister? Hier benötigt man einen Beweis, der nicht am Platze wäre, denn er geht aus allen Teilen der Lehre hervor. Aber um ihn mit einigen Worten zu wiederholen, sagen wir, daß er sich in der Theorie auf folgenden Grundsatz stützt: Jede intelligente Wirkung muß eine intelligente Ursache haben. In der Praxis also auch die Wahrnehmung, daß die spiritistischen Erscheinungen, indem sie Beweise von Intelligenz gegeben haben, ihre Ursache außerhalb der Materie haben müssen. Ferner daß diese Intelligenz, da sie keinem der dabei Anwesenden gehört – und das ist eine Erfahrungssache – außerhalb derselben zu suchen ist. Da man das handelnde Wesen nicht sehen konnte, war es also ein unsichtbares Wesen. So ist man von Beobachtung zu Beobachtung zu der Erkenntnis gekommen, daß dieses unsichtbare Wesen, dem man den Namen "Geist" gab, nichts anderes ist als die Seele derer, die einmal körperlich gelebt haben, und die der Tod von ihrer groben, sichtbaren Hülle befreit hat, ihnen aber eine ätherische Hülle gelassen hat, die in ihrem normalen Zustande unsichtbar ist. Da ist das Wunderbare und Übernatürliche auf seine einfache Bedeutung zurückgeführt. Wenn einmal das Dasein der unsichtbaren Wesen dargelegt ist, so ist ihr ganzer Einfluß auf die Materie das Resultat der Eigenschaft ihrer fluidischen Hülle. Dieser Einfluß ist ein intelligenter, denn bei ihrem Ableben haben sie ja nur ihren physischen Körper verloren, aber ihre Vernunft, die ihr Wesen bildet, behalten. Dies ist der Schlüssel zu allen Erscheinungen, die man zu Unrecht für übernatürlich hielt. Für diejenigen, die feste Materie als die einzige Kraft der Natur betrachten, ist alles wunderbar und übernatürlich, was durch ihre Gesetze nicht erklärt werden kann, und das Wunderbare ist für sie gleichbedeutend mit Aberglauben. Nach dieser Ansicht wäre aber auch die Religion, die sich auf das Dasein eines unkörperlichen Prinzips gründet, ein Gewebe von Aberglauben. Sie wagen es nicht, dies laut zu sagen, aber meinen es in der Stille. Das religiöse Prinzip kann nur wahr oder falsch sein. Ist es wahr, so ist es für die ganze Welt wahr, ist es aber falsch, so ist es nicht besser für die unwissenden wie für die aufgeklärten Leute. Alle Menschen, die den Spiritismus im Namen des Wunderbaren angreifen, stützen sich hauptsächlich auf das materialistische Prinzip, indem sie durch Wegleugnung alles außerhalb der Materie befindlichen Wirkens das Dasein der Seele selbst wegleugnen. Sie schieben alles, was vom Dasein der Seele abgeleitet wird, dem Wunderbaren zu, und so bleiben sie sich selbst getreu. Da sie die Ursache nicht

- 8 - anerkennen, dürfen sie auch ihre Wirkungen nicht zugeben. Darin gründet bei ihnen die vorgefaßte Meinung, die sie unfähig macht, den Spritismus gründlich zu beurteilen. Um über eine Sache sprechen zu können, muß man sie auch kennen, dies ist ein Gesetz der Logik. Die Meinung eines Kritikers hat nur dann einen Wert, wenn er mit voller Kenntnis über die Sache spricht. Dann erst könnte seine Meinung, selbst wenn sie falsch wäre, in Betracht gezogen werden. Aber von welchem Wert ist sie über einen Gegenstand, den er überhaupt nicht kennt? Der echte Kritiker muß Beweise geben können, von seiner Ausbildung, seiner gründlichen Kenntnis des Gegenstandes oder der Sache, von einem gesunden Urteil und von einer erprobten Unparteilichkeit, sonst könnte sich jeder Musikant das Recht anmaßen, einen Rossini, jeder Malerstümper, einen Raphael zu bemängeln. Der Spiritismus nimmt daher nicht alle für wunderbar und übernatürlich gehaltenen Tatsachen an. Vielmehr weist er die Unmöglichkeit einer großen Anzahl derselben nach und das Lächerliche gewisser Meinungen, die den Aberglauben bilden. Aber wo bleibt der Glaube des Spiritismus stehen, wird man fragen. Die Antwort lautet: Lest und beobachtet, und ihr werdet es wissen! Jede Wissenschaft erwirbt man sich durch das Studium und mit der Zeit. Der Spiritismus, der die schwierigsten Fragen der Philosophie und dazu alle Zweige der gesellschaftlichen Ordnung berührt, der den physischen und moralischen Menschen zu gleicher Zeit umfaßt, ist für sich selbst eine ganze Wissenschaft, eine ganze Philosophie, die man nicht in ein paar Stunden erlernen kann. Wer sich mit dem Oberflächlichen allein nicht begnügen will, dem genügen nicht Stunden, sondern er setzt Monate und Jahre daran, alle Geheimnisse des Spiritismus zu ergründen. Hiervon ausgehend, schließe man auf den Grad des Wissens und den Wert der Meinung jener, die sich das Recht der Beurteilung anmaßen. Wir fassen unsere Lehre in folgenden Sätzen zusammen: 1. Alle spiritistischen Erscheinungen haben das Dasein der Seele, ihr Überleben des Körpers und ihre Kundgebungen zur Grundlage. 2. Da sich diese Erscheinungen auf ein Naturgesetz gründen, haben sie nichts Wunderbares und Übernatürliches im Sinne des Wortes an sich. 3. Viele Erscheinungen werden für übernatürlich gehalten, weil man ihre Ursache nicht kennt. Da ihnen der Spiritismus eine Ursache nachweist, führt er sie wieder in das Bereich natürlicher Erscheinungen zurück. 4. Unter den Tatsachen, die für übernatürlich erklärt werden, sind viele, deren Unmöglichkeit der Spiritismus nachweist und die er als Aberglauben bezeichnet. 5. Obwohl der Spiritismus in manchem Volksglauben den Grund der Wahrheit anerkennt, übernimmt er keineswegs die Bürgschaft für alle phantastischen, durch Einbildungskraft entstandenen Erzählungen. 6. Den Spiritismus nach Tatsachen zu beurteilen, die er nicht zugibt, heißt seine Unkenntnis an den Tag legen. 7. Die Erklärung der Tatsachen, die der Spiritismus zuläßt, das Darlegen ihrer Ursachen und moralischen Folgen bildet eine eigene Wissenschaft für sich, eine ganze Philosophie, die ein ernstes und tiefes Studium erfordert. 8. Der Spiritismus kann nur den als ernsten Kritiker betrachten, der mit Geduld und Beharrlichkeit eines objektiven Beobachters alles gesehen, studiert und erwogen hat, und der von diesem Gegenstande so viel weiß wie der aufgeklärte Anhänger. Dem man auch keine Tatsache vorlegen kann, die er nicht kennt, kein Argument, das er nicht durchdacht hätte, der nicht durch Ableugnen, sondern durch gewichtige Gründe zurückweist und der den anerkannten Tatsachen eine logische Ursache beizumessen vermag. Wir haben das Wort "Wunder" gebraucht. In seiner ersten Auffassung bedeutet dies Wort, daß eine außerordentliche Sache wunderbar anzusehen sei. Heute hat es sich von seiner ursprünglichen, schlichten Bedeutung entfernt und bedeutet einen Akt der göttlichen Macht gegen die bestehenden Naturgesetze. Es fällt uns nicht ein, zu erforschen, ob Gott es für gut hielt, die von Ihm selbst gegebenen Naturgesetze aufzuheben. Wir wollen nur zeigen, daß die spiritistischen Erscheinungen niemals diese Gesetze aufheben, so außerordentlich sie auch sein mögen, und daß sie ebensowenig wunderbar und übernatür-

- 9 - lich sind. Wunder lassen sich nicht erklären, aber die spiritistischen Erscheinungen auf die vernünftigste Art. Sie sind also keine Wunder, sondern Tatsachen, die ihre Begründung in den allgemeinen Gesetzen finden. Wenn ein Mensch, der wirklich gestorben ist, durch göttliche Dazwischenkunft wieder zum Leben erweckt wird, so ist dies ein wahres Wunder, weil es gegen die Naturgesetze ist. Wenn aber dieser Mensch nur scheintot ist, wenn in ihm noch ein Rest der verborgenen Lebensfähigkeit ruht, und wenn Wissenschaft und Behandlung mit Magnetismus ihn wieder ins Leben zurückrufen, so ist das für aufgeklärte Menschen eine natürliche Erscheinung, und nur bei Unwissenden wird diese Tat als ein Wunder gelten. Eine der wichtigsten unter allen spiritistischen Erscheinungen ist ohne Zweifel die unmittelbare Schrift, denn sie zeigt uns in auffallender Weise die Tätigkeit der verborgenen Intelligenzen. Allein sobald diese Erscheinung durch verborgene Wesen bewirkt wird, ist sie ebensowenig wunderbar wie alle anderen Phänomene, die man den unsichtbaren Agentien, d. h. Triebkräften, verdankt. Diese verborgenen Wesen, die den Raum erfüllen, bilden eine von den Naturkräften, deren Einfluß sowohl auf die materielle als auch auf die moralische Welt unausgesetzt wirkt. Indem uns der Spiritismus diese Kraft erklärt, gibt er uns den Schlüssel zu einer Menge unerklärter und auf keine andere Weise erklärbarer Tatsachen, die in vergangenen Zeiten als Wunder gelten konnten. Zugleich enthüllt er uns den Magnetismus, ein zwar nicht unbekanntes, aber schlecht erklärtes Naturgesetz. Man kannte wohl seine Wirkungen, aber man kannte das Gesetz selbst nicht, und diese Unkenntnis hat den Aberglauben erzeugt. Nachdem man es erkannte, verschwand das Wunderbare und seine Erscheinungen traten in die Reihe der ganz natürlichen Dinge. Der Spiritismus kommt der Religion zu Hilfe, indem er die Möglichkeit gewisser Tatsachen nachweist, die zwar nicht den Charakter des Wunderbaren an sich tragen, aber dennoch ganz außerordentlich sind. Aber deshalb ist Gott nicht weniger groß, auch nicht weniger mächtig, weil Er Seine eigenen Gesetze nicht aufgehoben hat. Zu den spiritistischen Tatsachen muß man in erster Linie die Erscheinungen der Geister zählen, weil sie die am häufigsten vorkommenden sind. Jene von der Salette1, die auch die Geistlichkeit anerkennt, ist für uns nichts Seltenes. Wir können zwar nicht behaupten, daß die Sache wirklich geschehen ist, denn uns fehlt der materielle Beweis, aber für uns ist sie möglich, weil uns Tausende von ähnlichen neueren Erscheinungen bekannt sind. Nach unserer Theorie, die wir später von den Geistererscheinungen geben werden, wird man sehen, daß eine Menge physischer Erscheinungen nur deshalb wunderbar wirken, weil man nicht den Schlüssel dafür hat. Die vom Spiritismus hervorgebrachten Tatsachen zeigten uns neue Gesetze auf und gaben uns über manches übernatürlich scheinende Vorkommnis Aufklärung. Man findet täglich Menschen, die von keiner Tatsache Augenzeuge waren, die nie einen Tisch sich bewegen oder ein Medium schreiben sahen, und dennoch sind sie fest von allem überzeugt: nur, weil sie gelesen und verstanden haben. Wollte man nur das glauben, was man mit eigenen Augen sah, würden sich unsere Überzeugungen auf wenige Dinge beschränken! Die Methode Ein ganz natürliches und lobenswertes Begehren der Spiritisten, das man nicht genug unterstützen kann, ist es, Anhänger zu gewinnen. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern und ihnen Anstrengungen zu ersparen, versuchten wir, einen gangbaren Weg zu erforschen. Wir sagten, der Spiritismus sei eine ganze Philosophie, eine ganze Wissenschaft für sich. Derjenige also, der ihn allen Ernstes kennenlernen will, muß sich daher zunächst einem ernsten Studium hingeben und überzeugt sein, daß er diese Wissenschaft genausowenig wie eine andere erlernen kann. Der Spiritismus berührt alle Fragen, welche die Menschheit interessieren, sein Feld ist unermeßlich, und von diesem Standpunkte aus muß man ihn betrachten. 1 Marienerscheinung von La Salette.

- 10 - Der Glaube an Geister bildet zweifelsohne die Grundlage, doch er genügt nicht mehr als Bildungsgrad für einen Spiritisten, ebensowenig, als der Glaube an Gott genügend ist, einen Theologen zu machen. Auf welche Art kommt man hier am sichersten zum Ziel? Allgemein glaubt man, daß es zur Überzeugung genügend sei, auf Tatsachen hinzuweisen. Das scheint zwar der richtige Weg zu sein, aber die Erfahrung lehrt uns, daß es nicht immer der beste Weg ist. Man trifft oft Personen, die sich selbst durch die offenkundigsten Tatsachen nicht überzeugen lassen. Woran liegt das? Im Spiritismus ist die Frage nach Geistern eine Nebenfrage und eine Schlußfolgerung. Sie ist nicht das Ziel unserer Untersuchung und schafft den Fehler, der uns gewissen Personen gegenüber zu Falle bringt. Da die Geister nichts anderes sind als die Seelen der Menschen, so ist der wahre Punkt der Diskussion das Dasein der Seele. Wie kann der Materialist zugeben, daß noch Wesen außerhalb der materiellen Welt bestehen, wenn er glaubt, daß er selbst nichts anderes als Materie ist? Wie kann er an Geister außerhalb seiner Person glauben, wenn er nicht einmal glaubt, daß er selbst einen besitzt? Umsonst und vergeblich würde man vor seinen Augen die greifbarsten Beweise anhäufen, er wird alle bestreiten, weil er doch das Prinzip nicht anerkennt! Jeder methodische Unterricht muß vom Bekannten zum Unbekannten schreiten. Für den Materialisten ist das Bekannte die Materie. Geht daher bei ihm von der Materie aus, trachtet ihn bei ihrer Beobachtung zu überzeugen, daß in ihr etwas bestehe, das sich den Gesetzen der Materie entzieht. Kurz gesagt: Bevor ihr ihn zum Spiritisten macht, trachtet ihn zuvor zum Spiritualisten zu machen. Und da gibt es eine andere Ordnung der Dinge, eine ganz besondere Belehrung durch andere Mittel. Ihm von Geistern zu reden, bevor man ihn vom Besitze einer Seele überzeugt hat, hieße dort anfangen, wo man endigen sollte. Bevor man daher einen Ungläubigen überzeugt, und sei es durch Tatsachen, ist es nötig, seine Meinung über die Seele zu kennen, d. h. ob er auch an seine Weiterexistenz, an sein Überleben des Körpers, an seine Individualität nach seinem Tode glaube. Ist seine Antwort verneinend, dann wäre es eine vergebliche Mühe, mit ihm von Geistern zu reden. Dies ist eine Regel. Unter den Materialisten muß man zwei Klassen unterscheiden: Die erste Klasse sind diejenigen, die es aus Prinzip sind. Bei diesen besteht kein Zweifel, es ist eine völlige Ableugnung, die sie auf ihre Art verteidigen. In ihren Augen ist der Mensch nichts als eine Maschine, die nur solange geht, als sie aufgezogen ist, die sich abnutzt und von der nach dem Tode nichts anderes übrig bleibt als das Gerippe. Die meisten von ihnen beharren aus Stolz auf ihrer Meinung. Aus Eigenliebe glauben sie, darauf beharren zu müssen. Und sie verbleiben dabei trotz und gegen alle Beweise des Gegenteils, weil sie nicht unterliegen wollen. Mit solchen Leuten ist nichts anzufangen. Man darf sich nicht einmal durch die Ehrlichkeit jener täuschen lassen, die da sagen: "Laßt mich sehen, und ich werde es glauben!" Es gibt auch solche, die noch viel weiter gehen und sagen: "Ich werde sehen, und dennoch nicht glauben!" Die zweite Klasse der Materialisten, und zwar die viel zahlreichere, denn der wahre Materialismus ist eine widernatürliche Denkart, umfaßt jene, die es aus Gleichgültigkeit sind, und man kann sagen, in Ermangelung des Besseren. Sie sind es nicht aus überlegtem Vorsatze, und sie wünschen nichts sehnlicher, als glauben zu können, denn die Unwissenheit ist für sie eine Qual. Bietet ihnen daher etwas Vernünftiges, und sie werden es mit Eifer annehmen. Diese können es auch begreifen, denn sie sind uns viel näher, als sie es selbst glauben. Mit den ersteren redet nie von der Offenbarung, nie von den Engeln oder vom Paradiese, sie würden es nicht verstehen. Versetzt euch in ihre Lage und beweist ihnen anfangs, daß die Gesetze der Physiologie noch nicht alles zu erklären vermögen, das andere kommt dann von selber. Anders aber verhält sich die Sache, wenn der Unglaube nicht ein vorsätzlicher ist, denn dann ist der Glaube nicht gleich Null, er ist ein erstickter Keim, den man wieder beleben kann. Es ist ein Blinder, dem man sein Gesicht wieder gibt und der sich glücklich schätzt, wieder sehen zu können. An der Seite der Materialisten gibt es eine dritte Klasse von Ungläubigen, die dem Namen nach zwar Spiritualisten, aber dennoch sehr widerspenstig sind. Das sind die Ungläubigen aus bösem Willen. Sie weigern sich zu glauben, denn dieses würde ihre Ruhe beim Genuß der materiellen Freuden trüben. Sie fürchten darin die Verdammung ihres Ehrgeizes, ihrer Selbstsucht, ihrer menschlichen Schwächen zu finden, so lange diese ihr Vergnügen bilden. Sie schließen ihre Augen, um nicht zu sehen, verstopfen ihre Ohren, um nicht zu hören. Diese kann man nur bedauern.

- 11 - Wir wollen noch von einer vierten Kategorie reden, die wir die eigennützigen Ungläubigen oder Ungläubige vom schlechten Glauben nennen wollen. Diese wissen recht wohl, was sie vom Spiritismus zu halten haben, aber sie verdammen ihn aus Gründen ihrer eigenen Interessen. Von diesen ist nichts zu reden, weil mit ihnen nichts anzufangen ist. Wenn sich der Materialist offenbar irrt, so hat er doch für sich die Entschuldigung des vermeintlichen guten Glaubens. Man kann ihn gewinnen, indem man ihm seinen Irrtum beweist. Hier aber ist es eine Aufgabe, bei der alle Beweisgründe scheitern. Außer diesen verschiedenen Gattungen von Gegnern gibt es eine große Menge Menschen mit Unterschieden, wozu man die Ungläubigen aus Kleinmut rechnen kann. Der Mut wird ihnen kommen, wenn sie sehen, daß sich die anderen nicht verbrennen. Dann die Ungläubigen aus religiösem Skrupel. Ein aufgeklärter Unterricht wird sie belehren, daß sich der Spiritismus durchaus und nur auf die religiösen Grundlagen stützt, und daß er jeden Glauben beachtet. Dann gibt es ferner Ungläubige aus Hochmut, aus Widerspruchsgeist, aus Gleichgültigkeit, aus Leichtsinn. Eine besondere Gattung können wir hier nicht weglassen, es sind die Ungläubigen durch Betrug. Zu ihnen gehören alle jene Personen, die von einem übertriebenen Glauben zum Unglauben übergingen. Sie sind jenen gleich, die den guten Glauben leugnen, weil sie getäuscht worden sind. Wenn jemand von den Geistern genarrt oder mystifiziert worden ist, so hauptsächlich darum, weil er sie über das befragte, was sie nicht sagen können und nicht sagen dürfen, oder weil er über den Gegenstand nicht genügend aufgeklärt war, um Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Viele endlich sehen im Spiritismus nur ein neues Mittel zur Wahrsagerei und glauben, die Geister seien dazu da, um uns gute Ereignisse zu verkünden. So kündigen sie den jungen Mädchen ihre Männer an, den Ehrgeizigen ihre Ehrenstellen, Erbschaften, verborgene Schätze usw., und daher stammen oft die Betrügereien, vor denen sich aber ein kluger und ernster Mensch zu schützen versteht. Eine sehr zahlreiche Klasse, überhaupt die zahlreichste von allen, die man aber nicht unter die Gegner einreihen kann, ist die der Unschlüssigen. Im allgemeinen sind sie grundsätzlich Spiritualisten, bei vielen ist eine unbestimmte Anschauung spiritistischer Ideen vorhanden, ein Vorgefühl für eine Sache, die sie nicht näher bezeichnen können. Ihren Gedankengängen fehlt nichts, als geordnet und formuliert zu werden. Der Spiritismus ist für sie ein Licht, das den Nebel verscheucht. Sie nehmen ihn mit Eifer an, denn er befreit sie von der Angst der Unwissenheit. Wenn wir nun einen Blick auf die verschiedenen Arten der Gläubigen werfen, so finden wir zuerst Spiritisten, die davon gar nichts wissen. Es ist sozusagen eine Abart oder Schattierung von der vorhergehenden Klasse. Ohne je von der spiritistischen Lehre gehört zu haben, besitzen sie ein angeborenes Gefühl von den großen Grundsätzen, die daraus entspringen, und dieses Gefühl macht sich in einigen Zügen ihrer Schriften und Reden geltend, und zwar oft so lebhaft, daß man sie für vollkommen Eingeweihte halten möchte. Unter denen, die ein direktes Studium der Geisterlehre zur Überzeugung gebracht hat, kann man unterscheiden: 1. Solche, die einzig und allein an die Manifestationen glauben. Für sie ist der Spiritismus eine Erfahrungswissenschaft, eine Reihe von merkwürdigen Tatsachen. 2. Solche, die im Spiritismus anderes als nur Tatsachen erblicken. Sie begreifen seinen philosophischen Teil, sie bewundern die Moral, die daraus entspringt, aber - sie befolgen sie nicht. Sie würden sich nicht einen einzigen Genuß versagen. Für diese Menschen ist die christliche Nächstenliebe nur ein schöner Grundsatz, eine ideale Lebensregel. Es sind halbe Spiritisten. 3. Solche, die sich nicht damit begnügen, die spiritistische Moral zu bewundern, sondern die sich auch danach richten. In der Überzeugung, daß das irdische Dasein eine vorübergehende Prüfung sei, bemühen sie sich, diese kurze Zeit dazu zu benutzen, auf dem Wege des Fortschrittes vorwärts zukommen, der sie allein in der Hierarchie der Geisterwelt zu erheben vermag. Die Nächstenliebe ist in allen Dingen ihre Lebensregel. Das sind die christlichen und die richtigen wahren Spiritisten. 4. Endlich gibt es noch exaltierte Spiritisten. Übertreibung ist in allem schädlich. Im Spiritismus im besonderen erzeugt sie ein blindes und geradezu kindisches Vertrauen in bezug auf die unsichtbare Welt. Sie läßt uns leicht und ohne Kontrolle das annehmen, was unser Nachdenken und die Untersuchung als abgeschmackt oder unmöglich bezeichnen würde. Solche Anhänger

- 12 - sind dem Spiritismus mehr schädlich als nützlich. Sie sind am allerwenigsten geeignet, zu überzeugen, weil man ihrem Urteile mit vollem Recht nicht traut. Sie sind trotz besten Glaubens Spielball teils von Spottgeistern, teils von Menschen, die ihre Leichgläubigkeit auszubeuten suchen. Das Schlechteste dabei ist, daß sie, ohne es zu wollen, jenen Ungläubigen die Waffen geben, die mehr Gelegenheit zum Lachen als sich zu überzeugen suchen. Die Mittel zur Überzeugung sind außerordentlich verschieden, je nach dem Individuum. Was den einen überzeugt, hat oft beim andern keine Wirkung. Dieser ist durch bestimmte materielle Manifestationen überzeugt, jener durch verständige Mitteilungen. Die größte Anzahl Anhänger gewann der Spiritismus durch Vernunftschlüsse. Wir können behaupten, daß für die meisten, die nicht durch Belehrung vorbereitet waren, die materiellen Erscheinungen nur wenig Gewicht hatten. Ein jeder sieht sie von seinem besonderen Gesichtspunkte aus und erklärt sie sich auf seine eigene Art. Der Materia-list sieht darin eine rein physische Angelegenheit oder einen Betrug, der Unwissende eine übernatürliche oder gar teuflische Sache, während eine vorausgehende Belehrung die vorgefaßten Meinungen zerstört, und wenn schon nicht die Wirklichkeit, so doch wenigstens die Möglichkeit der Sache nachweist. Man begreift sie, bevor man sie gesehen hat. Ist aber bereits die Möglichkeit anerkannt, so ist schon dreiviertel der Überzeugung gewonnen. Ist es nun überhaupt vorteilhaft, einen völlig Ungläubigen überzeugen zu wollen? Wir haben schon gesagt, das hängt ganz von der Ursache ab und von der Art seines Unglaubens. Sehr oft läßt ihn der Eifer, mit dem man ihn zu überzeugen sucht, an seine persönliche Wichtigkeit glauben, und das ist für ihn ein Grund mehr zur Ablehnung. Wer sich weder durch Worte noch durch Taten überzeugen läßt, muß sich der Prüfung des Unglaubens unterziehen. Man muß es in diesem Falle der Vorsehung überlassen, günstigere Umstände für ihn herbeizuführen. Der Spiritismus liegt in der Luft. Er verbreitet sich durch die Kraft der Tatsachen und macht alle glücklich, die sich dazu bekennen. Wenn seine Gegner ihn anwachsen sehen und sogar bei ihren Freunden, werden sie schließlich ihre Absonderung begreifen und werden gezwungen sein, entweder zu schweigen oder sich zu ergeben. Um bei der Darlegung des Spiritismus so vorzugehen, wie man es bei anderen Wissenschaften tun würde, müßte man nach und nach seine ganzen Phänomene vorführen, aber das kann nicht sein. Es ist unmöglich, einen experimentalen Kursus des Spiritismus zu lehren, wie etwa bei Physik und Chemie. Bei den Naturwissenschaften hat man es mit Rohstoffen zu tun, man kann sie nach Willkür behandeln und fast mit Sicherheit ihre Wirkungen lenken. Beim Spiritismus jedoch hat man es mit Intelligenzen zu tun, die ihren freien Willen haben, die uns laufend beweisen, daß sie nicht unseren Launen und Wünschen unterworfen sind. Man kann daher nur beobachten, den Erfolg abwarten, und ihn bei seinem Eintreten ausnutzen. Es ist auch undenkbar, zu glauben, daß die Geister nur darum erscheinen sollten, um sich zu zeigen oder um sich wie Schaugegenstände der Erforschung preiszugeben. Die Phänomene könnten also gerade dann fehlschlagen, wenn man sie benötigt, oder in einer ganz anderen Reihenfolge eintreten, als man es wünschte. Setzen wir noch hinzu, daß zu ihrer Hervorbringung Personen mit besonderer Anlage benötigt werden, und daß diese Anlagen je nach Individuum bis ins Unendliche hin verschieden sind. Da es nun sehr selten ist, daß eine Person alle gewünschten Fähigkeiten besitzt, ist dies eine Schwierigkeit mehr. Man müßte eine ganze Sammlung von Medien zur Verfügung haben. Diesem Übelstande ist mit einem einfachen Mittel vorzubeugen: Man muß mit der Theorie anfangen. Hier werden alle Erscheinungen anschaulich gemacht, man kann davon Bericht geben, ihre Möglichkeiten begreifen, die Bedingungen erkennen, unter denen man sie hervorbringen kann, und auch die Hindernisse erkennen, denen man begegnen kann. In welcher Ordnung sie dann je nach Umständen auftreten, ist gleich, es gibt nichts mehr, was überraschen könnte. Noch ein anderer Vorteil ergibt sich dadurch: es werden demjenigen, der diesen Weg geht, eine Menge von Enttäuschungen erspart. Gegen alle Schwierigkeiten gerüstet, kann er sich in acht nehmen und es vermeiden, Erfahrung auf eigene Kosten zu sammeln. Die beste Methode, Spiritismus zu lehren, ist die, sich zuvor an den Verstand, dann erst an die Augen zu wenden. Das vorstehend erläuterte Studium der Theorie hat noch den Vorteil, die Größe des Zieles und die Tragweite der Wissenschaft unmittelbar zu zeigen. Wer damit anfängt, einen sich drehenden oder klopfenden Tisch anzusehen, ist meist zum Lachen aufgelegt, weil er sich schwerlich denken kann,

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