Das Buch der Medien

- 100 - 1.) Die einfache Besessenheit Diese tritt ein, wenn ein boshafter Geist sich einem Medium aufdrängt, sich gegen seinen Willen in dessen Verbindung mit Jenseitigen einmengt, es verhindert, mit andern Geistern zu verkehren und sich für jene ausgibt, die man ruft. Man ist noch nicht im Zustande der Besessenheit, wenn man von einem Lügengeiste betrogen wird. Dem besten Medium kann dies geschehen, besonders anfangs, weil noch die nötige Erfahrung fehlt. Auch bei uns können rechtschaffene Menschen das Opfer von Betrügern werden. Man kann also betrogen werden, ohne besessen zu sein. Besessenheit besteht in der Hartnäkkigkeit des Geistes, von dem man sich nicht wieder losmachen kann. Bei der einfachen Belästigung weiß das Medium, daß es mit einem Truggeiste zu tun hat. Dieser verbirgt auch seine schlechten Absichten und den Wunsch, hinderlich zu sein, durchaus nicht. Da das Medium diese Betrügerei kennt und auf der Hut ist, wird es selten betrogen. Diese Art Besessenheit ist also nur unangenehm und bringt keine großen Nachteile mit sich. In diese Gruppe kann man auch jene physischen Belästigungen einreihen, die in tobenden und hartnäckigen Kundgebungen böser Geister bestehen, und Schläge und anderes Getöse von selbst hören lassen. 2.) Die Verblendung Sie hat schwerere Folgen. Es ist eine Täuschung, hervorgebracht durch die unmittelbare Einwirkung des Geistes auf die Gedanken des Mediums. Sie behindert in gewisser Weise sein Urteil hinsichtlich der Kundgebungen. Das verblendete Medium glaubt sich nicht betrogen. Der Geist vermag ihm blindes Vertrauen einzuflößen. Dies verhindert, die Absurdität seiner Kundgebungen zu begreifen, selbst wenn sie der ganzen Welt in die Augen springt. Die Täuschung kann so weit gehen, daß das Medium in der lächerlichsten Kundgebung etwas Erhabenes sieht. Diese Besessenheit kann nicht nur einfache, urteilslose Menschen befallen, sondern die verständigsten, geistreichsten und aufgeklärtesten Menschen werden ihre Opfer. Durch das Gelingen dieser Täuschung begünstigt, führt der Geist den von ihm Beherrschten wie einen Blinden und kann bewirken, daß er die wunderlichsten Lehren, die falschesten Theorien als den einzigen Ausdruck der Wahrheit annimmt. Er kann das Medium sogar zu lächerlichen, kompromittierenden und gefährlichen Handlungen treiben. Man begreift also den Unterschied zwischen Besessenheit und Verblendung, begreift auch, daß die Geister, die diese Zustände bewirken, in ihrem Charakter verschieden sein müssen. Ist der erstere Geist nur lästig durch seine Zudringlichkeit, ist der letztere ein geschickter und verkappter Geist. Nur durch die Maske der Tugend, durch große Worte der Nächstenliebe, der Demut und der Liebe zu Gott, klammert er sich fest, läßt aber trotzdem alle Zeichen seiner Niedrigkeit durchblicken. Man muß tatsächlich verblendet sein, es nicht wahrzunehmen. Darum fürchtet er auch die Leute, die ihn durchschauen. Er fordert die Beseitigung eines jeden Menschen, der dem Medium die Augen öffnen könnte. 3.) Die vollständige Unterjochung Sie ist ein Zwang, der den Willen des Unterjochten völlig aufhebt und ihn gegen seinen Willen handeln läßt. Die Unterjochung kann eine moralische oder körperliche sein. Im ersteren Falle ist der Unterjochte gezwungen, lächerliche und abgeschmackte Entschlüsse zu fassen, die er durch eine Art Illusion für notwendig hält, und die ihm vernünftig scheinen. Im zweiten Falle wirkt der Geist auf die Körperorgane und ruft unfreiwillige Bewegungen hervor. Ein Schreibmedium zum Beispiel hat das ständige Bestreben zu schreiben, selbst in den unpassendsten Augenblicken. Wir sahen Medien, die ohne Bleistift oder Feder die Schriftzeichen beständig mit dem Finger machten, im Sande, auf der Gasse, an Toren und Mauern. Manchmal geht diese körperliche Unterjochung noch weiter, bis zu den lächerlichsten Taten. Wir kannten einen Mann, weder jung noch schön, der sich unwiderstehlich gezwungen sah, vor einem jungen Mädchen auf die Knie zu fallen und sie als Gattin zu begehren. Zu anderen Malen fühlte er auf dem Rücken und in den Kniegelenken solchen Druck, daß er in die Knie gehen und an einem öffentlichen Orte in Gegenwart vieler Menschen die Erde küssen mußte. Er war durchaus kein Narr und litt fürchterlich unter diesen Zuständen. Man bezeichnet diese Herrschaft der Geister bis zur Beirrung der Geistesfähigkeiten als Besessenheit. Wir dagegen haben dafür die Bezeichnung Unterjochung, und zwar aus zweierlei Gründen: Besessenheit läßt den Glauben erwecken, als wäre das Wesen böse geschaffen und müßte ewig böse bleiben, während es nur mehr oder weniger unvollkommene Wesen gibt, die sich alle bessern können. Ferner weil er die Idee von der Besitzergreifung des Körpers durch einen fremden Geist ausdrückt, eine Art von Mitbewohnung des Mediumkörpers, während er in Wirklichkeit nur einen Zwang ausübt. Das

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