103 Eine ältere Frau geht zu ihrem Seelsorger und sagt: „Herr Pfarrer, seit 13 Jahren bete ich nun schon jeden Tag zweimal! Aber ich habe noch nie das Gefühl gehabt, dass Gott irgendwie bei mir ist.“ Der Pfarrer guckt eine Weile aus dem Fenster. Dann fragt er: „Können Sie stricken?“ – „Ja, kann ich.“ – Da sagte der Pfarrer: „Dann setzen Sie sich doch einfach hin und stricken Sie! Und dabei stellen Sie sich vor, dass Gott auf Sie schaut. Mehr nicht. Tun Sie das jeden Tag zweimal. Jedes Mal eine viertel Stunde lang.“ Nach vier Wochen kommt die Frau wieder und ist ganz glücklich. „Herr Pfarrer, ich wollte es Ihnen nur sagen: Jetzt kann ich manchmal fühlen, dass Gott bei mir ist.“ Was sich vielleicht zunächst wie ein Witz liest, ist gar nicht so witzig. Es sagt ganz einfach: Es müssen gar nicht so viele Worte sein … * Lieber Leser, ich habe einen ehrlichen Wunsch in mir: Ich wollte, ich könnte jedem, der es braucht, etwas weiterreichen von dem, was in mir ist. Diese ruhige Zuversicht, dieses Vertrauen. Ich fühle mich unter einer großen Obhut. Ich lebe mit dem sicheren Gefühl, dass nichts sinnlos ist und dass alles gut wird. Ebenso gerne würde ich jedem, der es braucht, etwas von „meiner Art zu glauben“ weiterreichen: Diese Gewissheit, dass eine große Liebe über uns allen waltet, mag es auf der Welt auch noch so schlimm, so gottlos und bösartig zugehen. Mit dieser Lebenseinstellung habe ich ein leichteres Leben, finde ich, früher schon und besonders jetzt im Alter und in diesen sorgenvollen Zeiten. Ein angstfreies, ein entspanntes Leben, das wünsche ich gerade meinen älteren Mitmenschen. Wieder geht es mir durch den Kopf: Wir können uns versichern wie wir wollen, eine Sicherheit aber wird es nie geben. Auch der reichste Mann der Welt weiß nicht, was morgen mit ihm und seiner Familie sein wird. Es gehört zu unserem Leben, zu unserem Menschsein dazu, dass wir mit dieser Unsicherheit leben müssen. Das ist manchmal wirklich schwer. Und dabei möchten wir doch nichts lieber als Sicherheit! Ich jedenfalls habe schon oft unter dieser Unsicherheit gelitten. Irgendwann, es war im Jahre 2006, fiel mir etwas in den Schoß, es war ein ganz klares Gefühl: „Es wird alles so gefügt, dass ich damit leben kann.“
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