Nachruhm

- 5 - "Das ist alles", sagte der Engel. "Lehrt eure Wissenschaft nicht auch, daß es k e i n e n Gott und k e i n e Vergeltung und k e i n Leben nach dem Tode gibt? – Ich muß nun gehen. Bleibe in deinem Paradies." Der Tote blieb in seinem Paradiese und hatte es vor Augen Stunde um Stunde, Tag für Tag und Jahr für Jahr. Es ist dies mit einer Zeit nicht mehr zu messen, jedenfalls nicht wissenschaftlich, und das ist doch das einzig Maßgebliche, nicht wahr? - Aus sehr weiter Ferne klang ein altes Lied aus einer alten Zeit, kaum noch hörbar und verhallend: Wie wird's sein, wie wird's sein, wenn wir ziehn in Salem ein, in die Stadt der goldnen Gassen... Vielleicht bedeutet dieses Lied d o c h etwas, denn wir müssen ja alle einmal sterben? Aber wer denkt heute daran, im Zeitalter der aufgeklärten europäischen Wissenschaft? Die Zeitungen brachten spaltenlange Nachrufe über den berühmten großen Forscher und Gelehrten, seine Exzellenz den "Wirklichen Geheimen Medizinalrat", dessen Tod einen unersetzlichen Verlust für die Wissenschaft bedeute, dessen Name aber für alle Zeiten ein Ruhmesblatt in der Geschichte der Menschheit bleiben würde, ein herrliches Zeichen unserer fortschrittlichen Kultur und ein Denkmal allen kommenden Geschlechtern, wie es die Besten vor ihm waren. Ehre diesen großen Toten! Ja, sie ruhen von ihrer Arbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach. Bad Salzuflen, im Mai 2001

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