Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 64 - Obwohl Rufinus die vorhandene lateinische Übersetzung des Originals von Peri Archon aus Gründen, die in der theologischen Entwicklung des 4. Jahrhunderts zu suchen sind, dem herrschenden Zeitgeist und seinem eigenen Verständnis angepaßt hat, so ist es dennoch möglich, eine ganze Reihe von Aussagen des Origenes zu finden, die mehr oder weniger deutlich die Reinkarnation ansprechen, besonders wenn man die Schriften der Origenes-Gegner heranzieht. Zunächst Origenes: "Ich halte es eher für möglich, daß von denen, die den bösen Fürsten, Gewalten und Weltherrschern unterstehen, in jeder einzelnen Welt oder in (der Abfolge) mehrerer Welten einige früher, andere später durch wohltätige Einflüsse und durch ihren eigenen Willen zur Änderung ihres Zustandes dereinst zum Menschsein gelangen werden."129 Ausgehend von der Stelle (Römer 9, 13) "Der Ältere wird dem Jüngeren dienen", gemäß dem Schriftwort "Jakob habe ich geliebt, Esau aber gehaßt" stellt Origenes fest: "Was Esau und Jakob betrifft, so findet man bei genauerem Studium der Schrift, daß keine Ungerechtigkeit ist bei Gott, so daß, ehe sie geboren waren und etwas getan hatten - nämlich in diesem Leben - gesagt ward, der Ältere solle dem Jüngeren dienstbar sein; und man findet, daß es auch keine Ungerechtigkeit war, daß Jakob im Mutterleib seinen Bruder zu Fall brachte. Wir müssen so annehmen, daß er aufgrund von Verdiensten eines früheren Lebens von Gott mit Recht geliebt wurde, so daß er auch nach Verdienst dem Bruder vorgezogen wurde."130 "Wir müssen also den Satz beachten, den der Apostel bei der Erörterung über die Geburt von Esau und Jakob ausspricht: 'Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne!' und ich halte es für richtig, ihn auch bei allen (anderen) Geschöpfen anzuwenden; denn die Gerechtigkeit des Schöpfers muß, wie wir vorhin sagten, in allem sichtbar werden. Sie erscheint, meine ich, erst dann genügend deutlich, wenn man von jedem himmlischen, irdischen oder unterirdischen Wesen sagt, es habe in sich selbst Ursachen für die Verschiedenheit, welche der körperlichen Geburt vorausgehen."131 "Wenn Gott gegen einige Sünder langmütig ist, so ist er das nicht ohne vernünftigen Grund, sondern weil es ihnen zuträglich ist in Anbetracht der Unsterblichkeit der Seele und der Unendlichkeit der Zeit, wenn ihnen nicht rasch zur Heilung verholfen wird, sondern wenn sie langsam zu ihr geführt werden, nachdem sie viel Übel erfahren haben . . . Denn Gott lenkt die Seelen nicht im Hinblick auf die, sagen wir fünfzig Jahre des irdischen Lebens; sondern auf die unendliche Ewigkeit; denn er hat die geistige Substanz unvergänglich gemacht und ihm selbst verwandt, und die vernünftige Seele ist nicht von der Heilung ausgeschlossen, als wäre sie auf das Leben hier auf Erden beschränkt."132 "Für diese bestimmte Seele, welche vorzeitig das Höhere wollte und nicht auf dem regelrechten Wege zu ihm vorangeschritten war, war es besser, das zu erlangen, was sie wollte; sie sollte in diesem Punkte zu einer Verurteilung ihrer selbst kommen und die Geduld aufbringen, sich danach im Verlauf langer Zeit der naturgemäßen (Vorbereitung, vergleichbar einer) Bearbeitung des Bodens zu unterziehen."133 "Wenn der, der nicht nur die geistigen, sondern auch die irdischen Menschen schafft, gut ist, so ist es doch möglich, daß jemand infolge irgendwelcher früherer sittlicher Leistungen jetzt (d. h. in diesem Leben) ein Gefäß der Ehre wird, und dann, wenn er nicht tut, was einem Gefäß der Ehre entspricht und angemessen ist, für eine andere Lebensperiode ein Gefäß der Unehre wird. Ebenso ist es umgekehrt möglich, daß jemand aus Gründen, die vor diesem Leben liegen, hier ein Gefäß der 129 Origenes, PA I, 6, 3 (S. 227) 130 Origenes, PA II, 9, 7 (S. 415) 131 Origenes, PA II, 9,7 (S. 417) 132 Origenes, PA III, 1, 13 (S. 507f.) 133 Origenes, PA III, 1, 14 (S. 513)

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3