Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 67 - IV. Die Beseitigung des Wissens um die Wiederverkörperung aus dem christlichen Glaubensgut 1. Persönlichkeit und Bedeutung des Origenes Die christlichen Kirchen behaupten heute, daß die Lehre von der Reinkarnation dem Urchristentum fremd gewesen wäre und erst nachträglich von Anhängern des griechischen Philosophen Pythagoras in die christliche Lehre eingebracht worden sei. Daraufhin hätte sich die Kirche veranlaßt gesehen, diese Lehre als Irrlehre auf einem Konzil zu verurteilen. Entspricht diese Behauptung jedoch den Tatsachen? Die historische Wissenschaft steht vor dem Problem, daß Glaubensfanatiker der Vergangenheit bedenkenlos historische Zeugnisse vernichtet und verfälscht haben und ihre Mei-nungsgegner nicht mit geistigen, sondern kriegerischen Mitteln bekämpften. Der aus dem Kampf hervorgegangene Sieger verkündete dann seine Anschauung als die alleingültige Wahrheit. Toleranz und Meinungsfreiheit sind Ideale, die sich erst in der heutigen Zeit allmählich entfalten können. Das Machtgefüge der politischen Gesellschaft spiegelte sich auch im geistigen Bereich der Theologie. Will man daher heute feststellen, ob die Lehre der Wiederverkörpe-rung der Seele im Urchristentum enthalten war, dann müssen wir die politischen Hintergründe, das politische und theologische Machtgefüge jener Zeit aufhellen. Vorab muß klargestellt werden, daß es in den ersten Jahrhunderten nach Christus noch keine Trennung in eine griechische und römische Kirche gab. Eindeutig entstammten die ersten großen Kirchenlehrer dem griechischen Kulturkreis (Justinus, Clemens von Alexandria, Origenes usw.). Erst im 4. Jahrhundert profilierte sich die römisch-lateinisch orientierte Kirche mit den Kirchenvätern Augustinus und Hieronymus und anderen. Die Streitigkeiten zwischen der römischen und der griechischen Kirche führten später zur Kirchenspaltung in die griechisch-orthodoxe und römisch-katholische Kirche. (1054 n. Chr.) Origenes, der von 185-253 lebte, war auch nach dem Urteil der heutigen Wissenschaft ein Gelehrter von Weltrang. Er war ein Universalgenie, ein Wissenschaftler, der alle weltlichen Ehren der damaligen griechischen Bildungswelt errang. Er wurde ein begeisterter Christ, der nach dem Ruhm des Martyrertodes trachtete, den auch sein Vater erlitten hatte. Er war der erste Gelehrte des Urchristentums, der fast alle damals bekannten Dokumente des Christentums, sowohl die heiligen Schriften der Juden als auch die Evangelien, Apostelbriefe und apogryphe Schriften sammelte, verglich und in ein Lehrsystem brachte. Er erlernte zu diesem Zwecke sogar die aramäische Sprache, die Muttersprache Jesu, um selbst die Original-literatur verstehen zu können. Seine sprachwissenschaftliche und theologische Leistung wird auch heute noch akzeptiert; selbst die Kirchen zitieren heute noch Origenes bei theologischen Fragen. Origenes lebte und wirkte anfangs in Alexandria, der Stadt, in der sich die berühmteste Bibliothek des Altertums befand mit der umfangreichsten Schriftensammlung der gesamten damaligen Welt. Kein späterer Gelehrter hatte solche Voraussetzungen für seine wissenschaftliche Arbeit wie Origenes, denn im Jahre 389 n. Chr. wurde die berühmte Bibliothek von Alexandria, wohl wegen der "heidnischen" Literatur des Altertums von einem Glaubens-

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