Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 69 - Unter diesem Meinungsterror entwickelte sich selbst der heilige Hieronymus, der ursprünglich ein großer Bewunderer und Anhänger des Origenes und seiner Lehre war, zu seinem erbittersten Gegner, da er nicht von der inzwischen starkgewordenen Bischofsmacht der Häresie bezichtigt werden wollte.146 Die theologischen Streitigkeiten um die Lehre des Origenes wurden mit einem für die heutige Zeit unvorstellbaren Fanatismus ausgetragen. Die folgenschwerste und blutigste Auseinandersetzung wurde im 6. Jahrhundert, also 300 Jahre nach der Zeit des Origenes, in den Sabasklöstern Palästinas ausgelöst. Offensichtlich hatte sich in diesem ehemaligen Wirkungsland des Origenes eine treue Anhängerschaft erhalten können.147 Da aber teilweise bürgerkriegsähnliche Zustände unter den betroffenen Mönchsgruppen herrschten, übergaben Origenes-Gegner dem 542 in Palästina weilenden päpstlichen Apokrisiar (Gesandter) Pelagius eine Klageschrift an Kaiser Justinian in Konstantinopel. 2. Der Einfluß Ost-Roms (Konstantinopel) Die Mönche suchten also Hilfe bei der weltlichen Macht. Es war das Ziel Kaiser Justinians (527-565) "die politische, religiöse und rechtliche Einheit des infolge der Einbrüche barbarischer Völker und häretischer Spaltungen des Christentums vom Zerfall bedrohten römischen Weltreiches" wiederherzustellen.148 Hierzu mußte er langjährige und kostspielige Kriege führen: In Afrika gegen die Vandalen (533-548), in Italien gegen die Ostgoten (535-554), an der Donau gegen die Slaven, in Kleinasien gegen die Perser (540-562). Rigoros ging er an die Ausrottung des Heidentums und die gewaltsame Unterdrückung der theologischen Lehrmeinungen, die nicht seinen persönlichen Vorstellungen entsprachen: "Auch als Christ blieb Justinian Römer, und die Idee einer Autonomie der religiösen Sphäre war ihm völlig fremd. Päpste und Patriarchen behandelte er als seine Diener. In derselben Weise wie er das Staatswesen leitete, dirigierte er auch das Kirchenleben, in jede Einzelheit der Kirchenverfassung persönlich eingreifend."149 Noch deutlicher steht es bei Altaner-Stuiber: "Justinian, rastlos tätig als Staatsmann, Gesetzgeber und Bauherr, ging mit rücksichtslosen Maßnahmen der Gesetzgebung gegen Häretiker, Juden und Heiden vor. Da er sich auch für den obersten Herrn der Kirche hielt, griff er immer wieder in das innere Leben der Kirche ein, auch soweit es die kirchliche Lehre betraf. Mit terroristischer Politisierung der Theologie versuchte Justinian, die geistigen Anreger der Vergangenheit und Gegenwart zu verketzern, hatte aber auch den Ehrgeiz, selbst als theologischer Schriftsteller zu glänzen." 150 146 Kettler, "Origenistische Streitigkeiten", a.a.O., S. 1701f. und ebenso Campenhausen, Griechische Kirchenväter, a.a.O., S. 140-147. Campenhausen bezeichnet diese Ereignisse lapidar als "beschämende Vorgänge" (S. 140). 147 Eine ausführliche Darstellung der origenistischen Streitigkeiten, siehe: Ginzel, Josef, a. a. 0., S. 361-379 148 Höfer-Rahner, a.a.O., S. 1228 149 Ostrogorsky, a.a.O., S. 65 150 Altaner/Stuiber, S. 513

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