Reinkarnation - eine urchristliche Lehre

- 70 - Umso leichter hatte es Kaiser Justinian, da in Rom Papst Vigilius residierte, der wegen der Ostgotengefahr auf militärische Hilfe des Kaisers angewiesen war und darüber hinaus eine Marionette der Kaisergemahlin Theodora war, der er das Papstamt letztlich verdankte. Die Persönlichkeit des Kaisers, die allgemeine Kriegssituation im oströmischen Reich und dazu die drohende Gefahr, in Palästina durch origenistisch gesinnte Mönchsgruppen noch einer zusätzlichen innenpolitisch-religiösen Kriegsfront gegenüberzustehen, diese Gründe gaben das politische Motiv zur Beseitigung des Wissens um die Reinkarnation. Justinians Reaktion auf die Klageschrift ließ nicht lange auf sich warten: Er wies den Patriarchen Mennas von Konstantinopel an, eine Synode der Ostkirche einzuberufen und verlangte in einem sehr ausführlichen Brief (Justiniani Imperatoris liber adversus Originem) und neun kaiserlich vorgegebenen Anathemen (Bannflüchen), daß die Lehre des Origenes zu verurteilen sei.151 3. Die Synode der Ostkirche von Konstantinopel 543 n. Chr. Mennas berief schon im Januar 543 eine Synode der Ostkirche ein, weil er dadurch auch die Möglichkeit sah, seinen größten Rivalen am Kaiserhof, den Origenes-Anhänger Theodor von Askidas, Bischof von Caesarea, auszuschalten. Sowohl bei Mennas als auch bei Pelagius war das treibende Motiv "Eifersucht gegen den allmächtigen Theodor von Askidas".152 "Ihr Vorschlag entsprach ganz der Neigung des Kaisers, in kirchlichen Dingen zu Gericht zu sitzen. Er erließ ein Edikt, worin Origenes und jene Kapitel mit dem Anathem belegt wurden. Mennas unterschrieb es mit den in Konstantinopel anwesenden Bischöfen; dann wurde es auch den übrigen Patriarchen, Vigilius von Rom (Papst), Zoilos von Alexandrien, Ephräm von Antiochien und Petrus von Jerusalem zugeschickt und alle unterzeichneten es."153 Da es nicht Aufgabe dieser Schrift ist, alle verworfenen Lehrmeinungen des Origenes zu betrachten, seien nur die beiden Bannflüche wiedergegeben, die 543 n. Chr. zur Beseitigung der "Präexistenz der Seele" und der "Wiederherstellung aller" auf kaiserlichen Befehl hin aus der Lehre der Kirche beseitigt wurden. Die nur für die Frage der Reinkarnation entscheidenden und von Kaiser Justinian vorgegebenen Bannflüche Nr. 1 und 9 lauten: 1. "Wenn einer sagt oder meint, die Seelen der Menschen seien präexistent gewesen, insofern sie früher Geistwesen und heilige Mächte gewesen seien, es haben sie aber Überdruß ergriffen an der Schau Gottes und sie hätten sich zum Schlechten gewendet, darum sei die göttliche Liebe in ihnen erkaltet, hätten davon den Namen "Seelen" (Seele - psyche ist abgeleitet von psychros = kalt) bekommen und seien zur Strafe in Körper hinabgeschickt worden, der sei anathema (d. h. verflucht)." 9. "Wenn einer sagt oder meint, die Bestrafung der Dämonen und der gottlosen Menschen sei zeitlich und werde zu irgendeiner Zeit ein Ende haben oder es werde eine Wiedereinbringung von Dämonen oder gottlosen Menschen geben (Apokatastasis), der sei verflucht."154 Mit diesen Bannflüchen wurde der bedeutendste Theologe der frühen Kirche aus rein weltlichen Gründen unter die ketzerischen Irrlehrer eingereiht und seine Lehre verdammt. 151 Das griechische Original und die lateinische Übersetzung sind erhalten bei Mansi, a.a.O., S. 487-534 152 Diekamp, a.a.O., S. 40, ebenso auch Ginzel, a.a.O., S. 377f. 153 Diekamp, a.a.O., S. 40, auch Mansi, a.a.O., S. 523 154 Mansi, a.a.O., S. 534 (DS 403 und 411)

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