Zeilen aus dem Jenseits

mache Menschen auch mit ihrer seelischen Vergangenheit bekannt. Ulli will jetzt endlich ihre Familiengeschichte erfahren, die Vergangenheit ihrer Angehörigen und ihre eigene Stellung darin. Ich weiß, dass ich jetzt Hilfe aus der geistigen Welt benötige. Ullis Wunsch birgt mir gegenüber eine große Verantwortung, denn sie will die ganze Wahrheit hören und ich ahne jetzt schon, was da auf mich zukommen wird. Ich sehe Ulli immer noch an, dann schließe ich meine Augen und lehne mich in meinem Sessel zurück. Mein Atem wird tief und ruhig, wieder tauche ich in nebelartige Wolkenschleier ein. Sie sind mir wie immer sehr vertraut, ich öffne meine inneren Augen ganz weit: Ein Schienenpaar wird sichtbar, Gleise, die ich aus unzähligen Berichten und Bildmaterial kenne. Dann entsteht ein Torbogen mit den grausamen Worten: Arbeit macht frei! Es ist der Eingang zum Vernichtungslager Auschwitz. Ich spüre, dass der Zug mit den entsetzlichen Viehwaggons gleich kommen muss, er wird in das Lager einfahren. Ich will das alles nicht sehen, ich will das nicht! Mein Unterbewusstsein bäumt sich heftig auf, ich will aus dieser Vision aussteigen! Aber ich kann es nicht, es geht einfach nicht! Ich tue das alles ja für Ulli, nicht für mich. Im gleichen Moment werde ich wieder ruhiger, lasse es nun doch geschehen. Der Zug ist immer noch nicht in Sicht. Die Gleise, das Tor mit der Überschrift sind noch vorhanden. Ich versuche die Baracken des Todeslagers zu erkennen – nichts, immer nur die Schienen und die Worte über dem Eingangstor. Plötzlich begreife ich: Ullis Großmutter Paula ist nie in Auschwitz angekommen, sie ist nie aus einem dieser Waggons ausgestiegen! Erleichtert atme ich auf und kehre in die Gegenwart zurück. „Wir müssen deine Großmutter auf dem Weg nach Auschwitz suchen. Sie ist irgendwo auf der Strecke dahin verschollen. Aber sie war im Zug, in einem der vielen Züge, dessen bin ich mir ganz sicher“, sage ich zu Ulli, die mit angespanntem Gesichtsausdruck auf meinen Bericht wartet. Die Freude darüber, dass ihre Großmutter augenscheinlich nicht in einer Gaskammer ermordet worden ist, steht in ihren Augen geschrieben. Dieses Wissen tut uns beiden gut, es ist eine spürbare Erleichterung. Erneut schließe ich meine Augen, wiederum gehe ich auf die Suche nach Ullis Großmutter Paula. Mit einem Mal befinde ich mich selbst in einem der Waggons im Zug nach Auschwitz. Dicht gedrängt stehen die Menschen, die Luft ist stickig und entsetzlich heiß. Die körperliche und seelische Belastbarkeit ist bei jedem an

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