Als Karl aus dem Straflager freikam, wurde er sogar Bürgermeister in einer kleinen Gemeinde. Aber er musste erst sein Leben wieder aufbauen, bevor er sich seinen Kindern widmen konnte. Die aber lehnten ihn allesamt vehement ab, denn sie fühlten sich von ihrem eigenen Vater im Stich gelassen. Keiner ihrer noch lebenden Verwandten, keiner ihrer Mitmenschen hat ihnen augenscheinlich den wahren Sachverhalt klargemacht oder auch nur irgendeine Erklärung abgegeben. Das ist aus meiner Sicht grausam und sehr bedauerlich, jedoch nicht mehr zu ändern. Mathias fordere ich auf, auf seinen Urgroßvater stolz zu sein. Schließlich und endlich war dieser Urgroßvater ein Gegner des damals herrschenden Regimes unter Adolf Hitler. Dazu, teile ich ihm mit, gehörte eine Riesenportion Mut und eine freie Denkweise. Dafür sperrte man Karl lange Zeit ein, und das war zur damaligen Zeit auch ein entsetzlicher Zustand. Mathias nickt zufrieden. Jetzt, da ihm die ganze Tragweite der Situation um seinen Urgroßvater bekannt ist, ist er auch sofort bereit, dessen positive Charakterseiten anzuerkennen. Ich bemerke so nebenbei, dass ein winziger Funke an stolzer Freude aus seinen Augen zu leuchten beginnt. Er weiß nun, dass sein Urgroßvater einen Platz unter den „Helden“ hat. Jetztmuss nur noch Ulli ihrem eigenen Vater klarmachen, dass sein Vater alles andere als ein elender „Versager“ war, dass der „Rabenvater“ absolut keine Chance bekommen hat, in väterlicher Weise für seine Kinder zu sorgen. Er war selbst das Opfer einer Zeit, die mit Mord und Totschlag, aus Wahnwitz und Willkür Menschen vernichtet hat. Ullis Vater muss nun selbst lernen, sein Wissen um seine Kindheit in die damalige Zeit zu versetzen, um ohne Vorwürfe an seinen Vater denken zu können. Vorausgesetzt er ist bereit, die Wahrheit um seine Vergangenheit zu akzeptieren. Ulli wird ihren Eltern Karls Botschaft in Briefform vorlesen. Sie freut sich schon jetzt auf den ungläubigen Ausdruck in ihren Gesichtern. „Na servas“, seufze ich, „die werden sich vielleicht wundern!“ Und genau das ist auch einige Zeit später geschehen! Wieder sind einige Monate vergangen. Mit Ulli und ihrem Sohn Mathias halte ich engen Kontakt. Sie sind beide meine „Ersatzfamilie“ geworden. Ulli ist auch Teilnehmerin in einer meiner Meditationsgruppen und arbeitet fleißig an ihrer eigenen Hellsichtigkeit. Sie hat große Fähigkeiten, es fehlt ihr jedoch noch etwas an Mut, um sich intensiv mit ihnen zu beschäftigen. Und die Zeit! Wer hat heute schon Zeit, um auch für sich etwas zu tun? Beruf, Familie, Haustiere – das alles unter „einen Hut“ zu bringen ist Schwerarbeit, mit Sicherheit nicht nur für sie.
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