haben? „Mutter dachte immer in die Vergangenheit“, sinniert Elfriede, „sie hat keinen Augenblick ihres Lebens genossen. Sie war nie glücklich und von Zufriedenheit war niemals auch nur die leiseste Andeutung. Nur damals, als Papa im Krieg war, da war ich ihre einzige Ansprechpartnerin. Und ich war viel zu klein um irgendetwas zu verstehen. Außerdem – geliebt hat sie mich so und so nie, ich war doch bloß so eine Art von Zwangsbeglückung“. Elfriedes Erinnerungen werden mit einem Mal sehr intensiv. Sie sieht sich auf Vaters Knien sitzen, es sich in seinem Schoß herrlich bequem machend. Es war so selten, dass sie das konnte. Papa war schließlich Soldat und die Heimaturlaube erfolgten sehr, sehr spärlich. Außerdem musste sie ihn dann auch noch mit der Mama teilen. Aber Papa war so zärtlich zu ihr, er strich ihr über das Haar und nannte sie „seine kleine Prinzessin“. In diesen Augenblicken fühlte sie sich sicher und geborgen, wohl behütet: Nichts in aller Welt würde ihr auf diesem Platz geschehen. Sie saß auf Papas Schoß und Papa saß in dem großen Lehnsessel. Damals war dieser Lehnsessel der Ort ihrer geheimsten Träume. Papa würde ja eines Tages wieder für immer heimkehren und sie dann für immer bei ihm sein können. Tatsache ist jedoch, dass mit der Heimkehr ihres Vaters Elfis Probleme so richtig ihren Anfang nahmen. Es war die Nachkriegszeit und nichts war in Ordnung. Alles war mit Schwierigkeiten verbunden. Alles, was das eigentliche Leben betraf, wuchs zu einem Riesenberg an Hindernissen an. Elfi ging zwar noch nicht einmal zur Schule, aber sie fühlte sich bereits schuldig an den Geschehnissen, ihre Schuldgefühle wuchsen ebenfalls zu einem Gebirge an: War sie es doch, deretwegen die Mutter geheiratet hatte, war sie es doch, die nie heiraten sollte – eben wegen der „Zwangsbeglückungen“. Elfi verstand kein Wort, sie hatte keine Ahnung, was die Mutter wirklich sagte, aber sie merkte von Tag zu Tag, dass die Mutter ihr immer mehr entglitt. Sie war von einem Tag zum anderen nicht mehr die kleine Elfi, sie wurde zum Störfaktor, zum Hindernis. Nur in der Gegenwart ihres Vaters fühlte sie sich noch zu Hause und als Kind anerkannt. Es gab doch eine Zeitspanne im Leben der kleinen Elfi, in der sie glücklich war. Das geschah, als die Eltern ein Häuschen auf dem Land mieteten und Elfi dort herrliche Ferien verbringen konnte. Das Haus war alt, es gab nur einen Brunnen zum Wasserholen – aber es war Elfis Traumschloss, wo sie der bösen Hexe
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