Ich weiß, dass ich bei dir bleiben darf, denn auch du weißt, dass ich nirgendwo hinkann – und in das Heim will ich nicht mehr. Mit besten Grüßen, deine Mama Vorneweg will ich eines sagen: Ich habe gewusst, wohin meine geistigen Helfer Elfriedes Mutter gebracht haben, nachdem sie sich in unserem Gespräch wie eine Verrückte gebärdet hatte. Ihre Worte waren voll Eifersucht und haltlosen Vorwürfen der Tochter gegenüber gewesen. Da gab es eben nur diese eine Lösung: Eine sofortige Trennung der beiden Frauen für eine gewisse Zeit. Elfriede habe ich das nicht mitgeteilt, um bei ihr eine Art von „Mitleidsschub“ zu verhindern. In diesem „Heim“, wie sich die Mutter ausdrückt, ist sie selbst augenscheinlich etwas zur Ruhe und zur Besinnung gekommen, da der eben geschriebene Brief nicht mehr so dramatisch ausgefallen ist wie das vorhergegangene Gespräch mit der Tochter. Aber, und das ist schon ein sehr bedeutendes Aber: Von Liebe oder Zuneigung zu einem Kind seitens der Mutter ist nichts zu erkennen. Die Vorwürfe sind immer noch sehr groß, wenn auch in gedämpften Ton. Auch die Forderungen sind äußerst massiv und beweisen, dass es vielen Verstorbenen nicht bekannt oder bewusst ist, dass sie keinerlei Rechte mehr den Lebenden gegenüber haben. Elfriedes tote Mutter setzt sogar voraus, dass die Tochter immer noch das Leben so zu führen hat, wie es ihr die Mutter als der „wichtigste Mensch“ vorgibt. Dabei widerspricht sie sich jedoch immer wieder, indem sie die Tochter als „nicht normal“ hinstellt, um dann zuzugeben, dass sie es „als einzige“ zu etwas gebracht hat. Im Prinzip weiß ich während des Schreibens nie genau um den Inhalt der angesagten Sätze. Jedoch spüre und fühle ich sehr deutlich die darin enthaltenen Emotionen. Bei Elfriedes Mutter habe ich sofort die Unwahrheiten bemerkt, die in dieser Botschaft enthalten sind. In derartigen Situationen habe ich das Gefühl, als ob sich jedes einzelne meiner Kopfhaare „sträubt“. Das geschieht nämlich immer dann, wenn etwas nicht in der von mir erwarteten Ordnung abläuft. Doch was auch immer geschieht, Elfriede wollte diese Mitteilung ihrer verstorbenen Mutter, und das ist einzig und allein für mich von Gültigkeit. Es war ihr Wunsch und den konnte und sollte ich ihr erfüllen – wenn auch mit „gesträubten Haaren“.
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