Zeilen aus dem Jenseits

Elfriedes Reaktion ist hingegen sehr positiv. Sie findet die Worte ihrer Mutter sind gut so wie sie sind, denn es ist der Charakter dieser Frau, der aus dem Schreiben spricht. Somit ist Elfriede in der Tat zufrieden und beide gehen gemeinsam nach Hause: Die energetische Seele der Mutter und die noch immer gehorchende lebende Tochter. Jedoch nur unter einer Bedingung: In dem Häuschen am Land, wo Kater „Mutzliputz“ der „Herr im Haus“ ist und den „Chef“ spielt, ist der Geist der Mutter unerwünscht. „Mutter bleibt in der Stadtwohnung. Dann freut sie sich vielleicht auf mein Kommen und ich weiß, wer in dem Lehnsessel sitzt. Also geschieht alles so wie in alten Zeiten.“ Wenn Elfriede mit dieser Regelung zufrieden ist, und das ist sie, dann ist diese Angelegenheit auch für mich in Ordnung. Das MUSS so sein, denn ich MUSS neutral und objektiv jeder Situation gegenüber bleiben. So lautet die Grundbedingung für diese meine Arbeit. Ein knappes Jahr später hegt Elfriede wieder den Wunsch, neuerlich mit ihrer Mutter in Kontakt zu treten. In den vergangenen Monaten haben wir viel miteinander erlebt. Ich als „Mittlerin“ zwischen zwei Welten, Elfriede als Katzenmutter und Naturfreundin. Eine neue Lebensqualität hat sich für jede von uns dadurch ergeben. Somit waren wir beide voller Erwartung, was die tote Mutter diesmal von sich geben würde: Vorwürfe? Anklagen? Feststellungen? Forderungen? „Du musst das nicht so eng sehen“, sagt Elfriede mit ernsten Worten. „Sie ist meine Mutter, ich kenne sie ein Leben lang nur so. Warum sollte sie anders sein, nur weil sie jetzt tot ist?“ Auf meine Erwiderung, in der anderen Welt hätte jede Seele die Gelegenheit sich auch positiv weiterzuentwickeln, bekomme ich eine Antwort im resignierenden Tonfall: „Ja sicher, alle anderen. Aber alle anderen sind nicht meine Mutter. Alle möglicherweise, aber doch nicht meine Mutter!“ Dann gesteht mir Elfriede, dass sie der Mutter bereits erlaubt hat, mit ins Haus auf dem Land zu fahren, um auch dort an ihrem Leben teilzuhaben. „Sie stört mich nicht, ich weiß ja, dass sie keinerlei Rechte mir gegenüber hat und ich auch ihr gegenüber keinerlei Pflichten habe. Alles, was ich für sie tue, tue ich aus der Tatsache heraus, dass sie im Leben meine leibliche Mutter gewesen ist. Dass sie sich ihr eigenes Leben so schwer gemacht hat, hat nichts mit mir zu tun. Das muss sie wahrscheinlich eines Tages mit sich selbst ausmachen. Vielleicht sogar erst dann, wenn auch ich als Geist durch das Universum schwebe. Aber dann, das weiß ich, in meiner neuen Welt. Wie es dann letztendlich weitergeht, wird man sehen. Jetzt ist es so, wie es ist, und ich bin mit diesem Zustand zufrieden.“

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