Mutter zufrieden ist und endlich Ruhe herrscht. Es gibt in der Folge auch für Elfriede weder Panikattacken noch Migräneanfälle. Sie befolgt die Wünsche der Mutter peinlich genau zu deren Geburtstag, zum Muttertag, zu Weihnachten und selbstverständlich auch noch an anderen Gedenktagen. Sie besorgt zu derartigen Anlässen hübsche Blumensträuße und zündet jeweils eine Kerze an. Auf den Friedhof an das Grab der Eltern geht sie jedoch nicht unbedingt, ist die Mutter ja bei ihr und in ihrer Nähe. Das, was im Grab liegt, ist der Körper und hat nichts mehr mit der eigentlichen Mutter zu tun. So lautet zumindest deren Aussage. Für Elfriede ist auch das in Ordnung, denn sie weiß, was ihre Mutter meint. Trotzdem wird die Grabstätte mit Liebe gepflegt, denn das ist eine Tradition, mit der Elfriede sehr stark verbunden ist. Auf meine Frage, wie es ihr jetzt wirklich gehe im „Banne“ der Verstorbenen, antwortet Elfriede mit ernsten Worten: „Wenn meine Mutter damit endlich ihre Ruhe oder sogar ihren Frieden findet, ist es auch für mich kein Problem.“ Einige Jahre sind vergangen, seitdem ich Elfriede kennengelernt habe. Sie ist ein ruhiger, zufriedener Mensch geworden. Nur an den bestimmten Festtagen überkommt sie stets eine leichte Unruhe. Sie weiß nie genau, ob der „Geist der Mutter“ noch mit ihrem Verhalten einverstanden ist und atmet jedes Mal erleichtert auf, wenn solch ein Tag in Ruhe vorübergegangen ist. Ich selbst habe bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Kontakt mehr mit der Toten aufgenommen. Sollte es jedoch wieder einmal Elfriedes Wunsch sein, dann werde ich es selbstverständlich und gerne tun – vielleicht ist doch noch ein Wunder geschehen und aus ewigen Forderungen ist Liebe entstanden. „Ja, das wäre schön“, seufzt Elfriede, „aber…ob das auch geschehen wird?“ Ich habe die Geschichte von Elfriede und ihrer Mutter wie ein Märchen begonnen und so beende ich sie auch: Ende gut – alles gut! Ist das Ende gut, dann ist alles gut!
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