Zeilen aus dem Jenseits

ganz in meiner Nähe bist und doch so unendlich weit weg von mir. Wie eine Filmleinwand – man sieht und hört alles, kann es aber nicht angreifen. So schwer, das richtig zu verstehen, weil es für mich so sinnlos ist. Du bist traurig, ich fühle mich nicht wohl – wozu das alles? WARUM MUSS MAN STERBEN, WENN MAN DANN DOCH NICHT TOT IST? Ist das die ewige Verdammnis unserer Kirche? Und wo – bitte – sind all die anderen lebenden Toten oder die toten Lebenden? Es ist für mich nicht klar, was das alles soll. Mein Begleiter lächelt nur dazu und sagt, es gibt auf jede Frage hier eine Antwort. Ich habe ihn nach einem Lexikon gefragt mit all den Antworten und er hat gesagt, das müsse ich mir selber schreiben – BLÖDSINN. Das ginge doch leichter: Ein Buch für alle meines Typs – er sagt, jeder habe sein eigenes Wissen und seine Werte. Jetzt weiß ich überhaupt nichts mehr. Er sagt – ich solle mich nicht so aufführen, sondern nachdenken – das sei die einzige Aufgabe, die ich hier momentan habe. Er geht mit mir ständig herum, um mir alles zu zeigen – vor allem die Gegend. Da sind so helle Wesen in weißen Gewändern, die da herumwandeln. Alle haben ernste, aber nette Gesichter und blaue Augen – weiß und blau. Ich darf sie nicht anreden, aber sie dürfen mich anreden. Aber sie sprechen eine Sprache, die ich noch nie gehört habe – ich verstehe die Worte nicht. Er sagt, das müsse so sein, denn sie reden über ein Wissen, das mir noch fehlt. Aber – das hat nichts mit Dummheit zu tun – meint er. Langsam weiß ich, dass sein Wille hier zählt, und ich mitmachen muss, sonst muss ich allein bleiben. Sturheit ist hier nicht gut, weil dann bleibt man über. Und die Brigitte ist auch wieder weg. Sonst ist keiner da – ich bin noch nicht so weit. Er sagt, wenn ich mit anderen zusammentreffe, würde er mich verlieren, und dazu brauche ich noch viel Zeit. Aber langweilig ist es nicht. Er sagt, ich hätte mein Leben eben intensiver leben müssen, mit mehr Werten, aber das versteh ich auch nicht. Welche Werte? Sei froh, dass du ihn nicht an deiner Seite hast, er geht mir ganz schön auf die Nerven! Ich denke viel an dich und wäre lieber wieder ein lebender Lebendiger, aber – das geht leider nicht – schade. Ich glaube, ich würde vieles nicht oder anders tun – aber das geht auch nicht. Und im Übrigen – hier geht vieles NICHT, viel zu vieles nicht. Wie in einem Haus, wo überall Verbotstafeln stehen – nur sieht man die nicht, man weiß nur, dass sie da sind. Du fragst nach dem Peperl – ich weiß nicht, wo er ist – da gibt es auch keine Antwort, aber – ich werde ihn bald sehen dürfen. Er hat viel zu tun, sehr viel –

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