Du musst nämlich wissen, dass das Wort Liebe in mir jetzt andere Gefühle weckt, es sind nicht mehr die irdischen, es sind vielmehr reinere, feinere und tiefe. Eine Liebe ohne „Unterleib“ sozusagen. Jetzt kann ich auch verstehen, dass die Frauen sich manchmal weigern, sexuelle Gefühle auszuleben. Frauen lieben anders, sie lieben mit dem Herzen und ich liebe dich jetzt auch so. Wie du siehst, habe ich nicht sehr viel verstanden, obwohl es mir schwerfällt, das einzugestehen. Überhaupt sehe ich jetzt sehr viele Dinge aus einem völlig neuen Blickwinkel – ich würde gerne mit dir darüber sprechen, aber das geht halt eben noch nicht. Mein Freund meint, ich bin jetzt reif für die nächste „Klasse“, und er meint auch, dieser Lernprozess würde ein wesentlich schwierigerer werden. Aber, ich kann mir Zeit lassen, Zeit, so viel, wie ich möchte und brauche. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es ist nicht so gut für dich, wenn du mich spürst, du wirst dann so entsetzlich depressiv, traurig und verzweifelt. Es sieht so aus, als würde meine „Gegenwart“ dein Leben als Mensch nur belasten. Er, mein Freund, meint, ich solle dich direkt fragen und um eine ehrliche Antwort bitten. Also, ich frage dich hiermit. In großer Liebe, aber auch in großer Sorge, dein Karl Diese Zeilen waren die letzte Botschaft an Maria, die ich schreiben durfte. Es waren Abschiedsworte aus der „anderen Welt“, sie waren verständnisvoll und voll sorgender Liebe. Karl wollte Maria nicht mehr verletzen, er wollte ihr auch nicht mehr seine „neue Heimat“ beschreiben, er wollte in Zukunft – sofern dies die rechte Bezeichnung ist – seinen Weg alleine fortsetzen. Er – Karl – hatte begriffen, dass er Maria nicht helfen konnte, im Gegenteil: Er stand ihr im Weg, er verbaute ihr den Zugang zu ihrem neuen Leben, einem irdischen Leben ohne seine Anwesenheit. Maria konnte mit der Situation des Hin- und HergerissenWerdens nicht konform gehen. Sie hatte nur mich als Übermittler, sie konnte Karl weder sehen noch mit ihm sprechen. Sie spürte lediglich seine Anwesenheit und wurde darüber noch trauriger, noch verzweifelter. Es war für sie wie ein „Teufelskreis“, aus dem sie sich nicht befreien konnte. Karl wollte jedoch nicht so einfach verschwinden und dadurch vielleicht für immer fortbleiben – er hatte seinen Teil der Verantwortung längst übernommen: Noch einmal sie im Stich lassen – so, wie er es immer wieder als Mensch, als Mann, getan hatte – das würde er niemals mehr zulassen. Nur mit ihrem Einverständnis konnte er
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