Zeilen aus dem Jenseits

deine Mutter verlassen musste und ich zweifle, dass es einen Gott gibt. Wenn es ihn gibt, warum lässt er das zu. Ich muss es endlich wissen, du musst mir helfen. Wo ist dieser Gott, wo finde ich ihn. Ich hatte dich sehr lieb von Anfang an und bin oft in eurer Nähe. Es gibt mir Halt, dass du an mich denkst und ich weiß, dass du mir helfen kannst. Danke für alles! Vati Gerlinde versteht den Inhalt des Briefes mit Tränen in den Augen und sie ist beruhigt. Auch wenn ihr Vater kein richtiges Grab hat, sie weiß ihn in ihrer Nähe. Sie wird mit ihm laut und deutlich sprechen. Sie wird ihm ihre Lebensgeschichte erzählen, ihre Erinnerungen auffrischen. Und – vor allem – sie wird ihn an ihrem gegenwärtigen Leben teilhaben lassen. Ihre Frage an mich, ob ihr Vater wohl mit der Wahl ihres Ehemannes einverstanden ist, kann ich nicht beantworten. Im Gegenteil, ich muss innerlich ein wenig lachen, denn genau diese Frage kommt immer wieder, wenn sich ein verstorbener Vater bei der noch lebenden Tochter meldet. Meine Meinung dazu ist: „Frag ihn doch selbst, dann gibt es im nächsten Brief vielleicht eine Antwort“. Gerlinde ist einverstanden, sie will ganz sicher wiederkommen. Sie hat so lange auf Nachrichten ihres Vaters gewartet. Jetzt will sie auf keinen Fall mehr auch nur eine einzige versäumen. Muss sie befürchten, dass er sich nicht mehr meldet, dass diese Botschaft lediglich ein einmaliges Erlebnis bleibt? Nun, muss sie nicht, ganz sicher nicht! Ich spüre die Liebe dieses Vaters zu seinem Kind und diese Liebe ist ein Band, das durch nichts und niemand getrennt werden kann. Aus meiner langjährigen Erfahrung weiß ich, dass der Vater ab sofort immer in Gerlindes Nähe bleiben wird. Er will Antworten auf seine Fragen, er braucht diese Antworten. Die beiden werden eine festgefügte Gemeinschaft bilden. Es ist nie zu spät für eine solche, auch wenn sie aus zwei Welten besteht. Gerlinde ist glücklich, ich sehe es an ihren Augen. Sie wird um einen neuen Termin bitten, das ist ihr fester Wille. Dann gehen die beiden nach Hause – Vater und Tochter. Ob sie ihn auch spürt? Wieder sitzt Gerlinde vor mir auf ihrem Platz. Es ist jetzt ihr Platz, denn da spürt sie ihren Vater ganz intensiv. Sie ist glücklich und freut sich wie ein Kind auf eine neuerliche Botschaft. Ungeduldig wartet sie auf den Brief, der ihr so viele Fragen beantworten soll. Unzählige davon hat sie an ihren Vater, sie „sprudelt“ auch alle gleich heraus.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3