Zeilen aus dem Jenseits

gegeben, bin zurückgeblieben und habe die Stellung gehalten bis unsere eingetroffen sind. Es war ein sinnloses Massaker, eine sinnlose Ehrung, denn letztendlich waren alle tot – ein verlorener Krieg. Viele hatten diese Ehre eigentlich nur, um den Kampfgeist anzuspornen. Genauso verlogen wie der ganze Krieg. Ich war nicht einmal stolz darauf, aber MUSSTE es annehmen. Wenn es wichtig ist, dann ist es gut, dass du um die Wahrheit weißt. Besser noch, man vergisst es. Danke nochmals, dass du so viele Gedanken an mich hast. Du bist meine liebe Kleine und ich hatte dich sehr lieb, Vati Langsam, Schritt für Schritt, lernt Gerlinde den Menschen kennen, den sie liebevoll „Vati“ nennt. Sie beginnt die Sehnsucht zu verstehen, die sie ein Leben lang unerkannt begleitet hat. Es ist und war die Schwingung der Seele ihres Vaters, der in Liebe und Fürsorge an ihrer Seite verweilt hat, der immer noch für sie da ist, der ihr Aufmerksamkeit schenkt und ab jetzt kein Unbekannter mehr ist. Gerlinde fühlt sich endlich geborgen und in guten Händen. Sie beginnt ihr eigenes gegenwärtiges Schicksal zu verstehen und lernt mit den Situationen ihres Lebens besser umzugehen. Fragen über Fragen! Gerlinde will alles wissen, alles erfahren, was ihren Vater betrifft, und das soll nach Möglichkeit alles auf einmal geschehen. Sie will auch Erklärungen, warum sie so ist, wie sie ist, warum ihr Leben nicht anders verlaufen ist und ob es so sein muss, wie es ist. Gerlinde ist nicht zufrieden mit ihrer Lebenssituation, sie ist weder glücklich, noch hat sie große Freude am Alltag. Banalitäten machen ihr zu schaffen, ihre Nerven liegen blank. Sie weiß sich in vielen Belangen nicht zu helfen. Da ist die bereits sehr alte, schwach gewordene, ewig nörgelnde Mutter, die sich mit aller Kraft an die Existenz ihrer Tochter klammert und dieser mit ihren ewigen Vorwürfen das Leben zur Hölle werden lässt. Und da ist der nicht unbedingt pflegeleichte Ehegatte, der sie ebenfalls zur Gänze beansprucht, der um vieles älter ist. Gerlinde ist mit allem überfordert, sie weiß nicht mehr ein und aus. Aber da gibt es ja jetzt den Vati, den heiß geliebten, endlich wieder gefundenen Vater. Er wird ihr helfen, er wird sie unterstützen, er wird auf alles einen Rat wissen. Gerlinde hofft und bittet ihn um Hilfe. Sie bedenkt jedoch nicht, dass er bereits tot ist, dass er in der anderen Welt zu Hause ist, dass in dieser Welt andere „Gesetze“ wichtig sind.

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