mitbekommen – was ist in ihm in diesem Augenblick vorgegangen? Musste er lange leiden? Bange Fragen aus dem Herzen einer Tochter, die den „Heldentod“ ihres Vaters weder verstanden noch verkraftet hat. Die einzige Möglichkeit Antworten auf all diese Fragen zu bekommen, ist die Rückerinnerung ihres Vaters an die Zeit vor seinem Tod. Ich bin mir nicht sicher, ob er nach so vielen Jahren in der anderen Welt noch weiß, was damals war. Die Unsicherheit ist stets mein unsichtbarer Begleiter, wenn eine derartige Situation auf mich zukommt. Selbstverständlich wünsche ich mir, dass der verstorbene Vater all die vielen Fragen seiner Tochter beantworten wird – sicher bin ich mir jedoch nicht. Ich muss objektiv bleiben, darf keinerlei Emotionen in meiner Arbeit aufscheinen lassen, muss unbelastet und frei von allen Gedanken und vollkommen neutral die Worte niederschreiben, die mir der Vater diktiert, ohne jedoch deren Sinnhaftigkeit zu erkennen. Was wirklich in solchen Briefen steht, weiß ich selbst erst dann, wenn ich sie meinen Klienten vorlese. Wie gesagt, ich habe großteils keine Ahnung, was ich geschrieben oder gesagt habe. Meistens kommen die Botschaften aus der anderen Welt in Briefform, manches Mal jedoch spreche ich sie. Gesprochene Botschaften sind für mich etwas schwieriger zu erkennen und zu hören. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber es funktioniert ebenso wie ein Brief. Ich bin der Meinung, dass ein Brief wesentlich überzeugender wirkt als eine gesprochene Mitteilung. Der Brief enthält meine Schrift, lediglich ein paar Worte, manchmal auch ein Satz, sind nicht mein Schriftzug. Eines jedoch passt in den meisten Fällen ganz genau: Die Unterschrift des Mitteilenden. Es freut mich immer wieder, wenn meine Klientin ausruft: „Das ist ja genauso unterschrieben wie vom …“ Und irgendwo mitten im Schriftstück steht eine Botschaft, eine Mitteilung, die nur der Betreffende wissen kann. Auch das funktioniert immer wieder zu meiner großen Erleichterung. Das, was ich durch meine Fähigkeiten erreiche, ist eine große Verantwortung den Menschen gegenüber. Es ist weder „Spaß an der Freude“, es ist auch nicht „lustig, was da geschieht“. Es geschieht auch nicht aus Neugierde oder Wissensdurst. Es geschieht als „Hilfe zur Selbsthilfe“. Das ist die Bedingung, die ich mir gestellt habe! Ich bin zu ernst und zu verantwortungsvoll in meinem Können und in meinem Wissen, um all das auf die leichte Schulter zu nehmen. Menschen verdienen Respekt und Achtung, wenn sie vor mir sitzen. Den Toten biete ich selbstverständliche Offenheit in Objektivität und Neutralität. Ich bin lediglich die „Sekretärin“ einer übergeordneten „Firma“ und schreibe das, was
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