mir mitgeteilt wird. Mehr ist es nicht! Hallo, meine kleine Linde! Ich weiß, dass du unendlich viele Fragen an mich auf dem Herzen hast, aber ich weiß auch, dass ich viele deiner Fragen nicht beantworten kann. Der Krieg ist ein grauenvolles Erlebnis und ich habe und hatte viel Mühe, ihn zu vergessen. Das Hurra-Geschrei der jungen und alten Männer habe ich nicht mitgemacht, im Gegenteil, ich hatte große Angst vor dem Sterben und genau das ist passiert. Ich war ein Opfer dieses Wahnsinns und mit einem Schlag war mein Leben vernichtet. Aber es ist sinnlos, darüber nachzudenken, denn das Geschehene kann keiner mehr verändern. Deine Mutter ist alt, sehr alt geworden, mein Versprechen an ihrer Seite zu stehen konnte ich nicht halten, das Schicksal hat es verhindert. Ihre Verbitterung ist zu verstehen, das Leben hat auch bei ihr zugeschlagen. Menschen, die aus der Zeit eines derartig entsetzlichen Krieges kommen, muss man anders behandeln. Sie sind die Opfer, die überleben mussten. Da ist es für mich um vieles leichter, ich habe mir viel erspart. Jetzt geht es mir sehr gut und ich muss nicht wieder auf die Erde. Zu viele Kriege, zu viel Leid und Not. Du bist ein tapferes Kind, weil du dich so um deine Mama sorgst, aber du kannst sicher sein, alles wird gut – auch für dich. Es sind mit mir schon viele da, die auf sie warten. Das ist hier so Sitte, weil die Seele sonst einen Riesenschock hat, wenn sie weiß, dass ihr Mensch tot ist. Du weißt ja, als Lebender hat man Angst vor dem Tod und darum sind viele da. Dann ist auch die Angst weg. Hier gibt es viele Möglichkeiten. Man kann arbeiten, aber nicht so wie bei euch. Man kann helfen, wenn Hilfe gebraucht wird – so wie bei euch. Man kann sich weiterbilden, lernen, Unterricht geben, Kinder und Tiere betreuen. Alles ist möglich, wenn man will. Man kann in ein neues Leben einsteigen. Viele tun das auch, weil es ihnen hier zu langweilig ist. Die wollen „Leben pur“ und viele Aktionen. Aber das tun nur die, die gute Erlebnisse in Erinnerung haben. Nicht solche wie ich. Aber wenn man bei seiner Familie sein will, bei den Menschen, dann tut man nichts. Man ist einfach da und begleitet sie. Ich bin jetzt bei deiner Mutter und warte, bis sie bereit ist. Sie denkt viel nach, aber sie hat doch noch Angst. Sei nicht ungeduldig, lass sie reden und rede nicht dagegen. Das ist das Beste, was du tun kannst. Ich umarme dich in Liebe.
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