Freundschaften. Noch immer ist sie den Wertvorstellungen der Mutter ausgeliefert. „Meine Mutter ist sogar auf den Schatten einer Kerze eifersüchtig“, unterbricht sie ihre Erinnerungen. Dann fährt sie erregt fort: „Sogar meine erste ernsthafte Beziehung zu einem Mann hat sie hintertrieben. Sie hat mir solche Szenen gemacht, dass ich ihn freiwillig verlassen habe.“ Um in der Folge von der Mutter die Vorwürfe zu hören, sie hätte den besten Partner der Welt einfach im Stich gelassen. Gerlindes erste Liebe ist zerbrochen, aber die Mutter ist gegenwärtig noch immer mit ihm in Verbindung. (Was für eine kuriose Geschichte – sind meine Gedanken dazu). Zu einem relativ späten Zeitpunkt hat Gerlinde dann dennoch den Mann fürs Leben gefunden, den auch die Mutter – wenn auch zähneknirschend – akzeptiert hat. Glücklich ist die Tochter jedoch nicht geworden. Es ist ihr immerhin gelungen, dem Bannkreis der Mutter einigermaßen zu entkommen. Gerlinde macht eine Pause und scheint in gedanklichen Erinnerungen zu versinken. Es ist still im Raum, nur die Uhr tickt leise. Ich schweige. Auf Grund ihrer Erzählungen bin ich nicht in der Lage, etwas zu sagen. Solche Geschichten höre ich öfters. Gerlindes Mutter ist eine von vielen, deren Töchter Rat und Hilfe brauchen. Trotz allem fühlt sich Gerlinde ihrer Mutter verpflichtet. Ja, sie hat sogar ein schlechtes Gewissen, weil sie der alten Frau nicht alle Forderungen erfüllen kann. Sie ist wie innerlich zerrissen und steht der Situation immer noch genauso hilflos gegenüber wie beim letzten Mal. Außer ihrem verstorbenen Vater kann ihr niemand einen Rat geben – ich schon gar nicht. Auf ihre Frage, wie ich wohl mit einer derartigen Situation umgehen würde, zucke auch ich mit den Schultern. „Keine Ahnung“, mehr weiß ich nicht zu sagen. Aber lassen wir den Vater zu Wort kommen. Hallo, kleine Linde! Ich spüre immer noch deine große Sehnsucht nach mir und weiß, wie gerne du mich als Vater in deinem Leben gehabt hättest. Deine Mutter ist eine sehr strenge und bestimmende Frau und sie hat dir sehr oft das Leben schwerer gemacht, als es nötig gewesen ist. Sie hat sich an dich geklammert und auf dich verlassen. Eine zu große Last für ein Kind, aber das, was geschehen ist, kann man nicht mehr ändern. Niemand kann das, ich schon gar nicht, auch wenn du
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