Menschen, die mit mir mein Wissen teilen, gehört der Tod ebenso zum Leben, wie die eigene Geburt. Beides ist ein nicht unbedingt angenehmer Faktor im Leben. Die Geburt ist für viele Menschen ein ebenso schwieriges Unterfangen wie das Sterben. Nur – über unsere Geburt wissen wir bereits mehr oder weniger, der Sterbevorgang ist uns noch neu und auch großteils fremd. Wenn man jedoch jemals die friedlichen, sanften Gesichtszüge der Toten gesehen hat, weiß man, dass man keine Angst zu haben braucht. Der Tod ist ein Übergang in eine andere Existenz, das Sterben ist der Weg dorthin. Gut, ich gebe es zu – ein wenig, ein ganz klein wenig Ungewissheit ist da, das ist erlaubt. Jedoch ist es nicht so, dass das ganze Leben aus ungewissen Situationen besteht? Gerlinde sieht mich an, ich lese den Brief nochmals vor – langsam, Wort für Wort betonend. Es ist wichtig für uns beide, die Worte, die Sätze des Vaters genau zu verstehen. Es steckt so viel Weisheit und Wissen in ihnen und so viel Erfahrung. In knappen, kurzen Sätzen bringt er eine Erklärung zu Papier, für die sogenannte „Bücherschreiber“ seitenlange Kommentare abgeben würden. Kurze, knappe, verständnisvolle Sätze und Gerlindes Situation mit der Mutter wird klar und deutlich erkennbar. Der Ausdruck in ihren Augen zeigt mir, dass sie ab jetzt mit dem Zustand ihrer Mutter wird umgehen können. „Leicht wird es nicht sein“, meint sie tief beeindruckt, „aber ich will und werde es schaffen!“ Hallo, kleine Linde! Ich bin sehr stolz auf dich, weil du dein Leben so gut gemeistert hast. Sicherlich, es waren sehr viele schwierige Situationen, doch so ist es eben im Leben. Jeder trägt seinen Tornister, gleich wer er ist und woher er kommt. In diesem Tornister steckt das Schicksal, so musst du dir das vorstellen und zu jeder Gelegenheit zeigt er sein Gewicht. Manchmal wird er im Laufe der Jahre leichter, manchmal geht er verloren, weil er nicht mehr gebraucht wird, manches Mal kann er aber noch schwerer werden. Das geschieht dann, wenn der Träger des Tornisters sein Schicksal nicht annehmen will oder mit ihm hadert. Veränderungen im Leben sollte jeder annehmen, denn steif und starr auf seiner Meinung zu beharren, lässt den Tornister ins Unermessliche wachsen. Dein Tornister hat viel von seiner Schwere verloren, das Schicksal hat es im Großen und Ganzen bis jetzt mit dir gut gemeint, auch wenn du des Öfteren ahnungslos wie ein Kind dem
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