Zeilen aus dem Jenseits

man verstehen – auch das sind die Vorgaben der Mutter. Diese Vorgaben sind immer noch in Gerlindes Gedankenwelt verankert. Gerlinde steht voll im Bann der Willensstärke ihrer Mutter. Als letzte Hilfe bittet sie ihren Vater um einen Rat. Sie klammert sich förmlich daran. Was auch immer ihr Vater zu sagen hat, sie wird Wort für Wort befolgen und in die Tat umsetzen. Das tut sie bereits seit Anbeginn an und sie wird es auch diesmal tun. Hallo, meine liebe Linde! Mach dir nicht so viele Gedanken über das Schicksal eines anderen Menschen, auch wenn dieser deine Mutter ist. Du hast viel für sie getan, dir vieles zugemutet, aber jetzt ist die Zeit da, in der du nichts mehr tun kannst. Sie hat ein ganzes Leben lang negatives Gedankengut ausgesendet – nun kommt diese Energie zu ihr zurück – das ist ihr Schicksal. In ein Schicksal kannst du nicht eingreifen, auch wenn du spürst, dass es anders laufen könnte – es läuft aber so, wie es für sie bestimmt ist. Das ist hart für dich, aber es geht nicht anders, weil dir die Liebe für den Menschen fehlt. Liebe kann nur dort entstehen, wo sie auch gegeben wird. Da, wo nie Liebe war, wird sie auch nicht zum Wirken kommen. Und – sei ehrlich zu dir selber – du liebst deine Mutter nicht, du fühlst dich nur immer noch für sie verpflichtet – das bist du nicht. Solange du dich jedoch an sie „gekettet“ glaubst, kann sie den entscheidenden Schritt nicht tun, weil sie sich an dich klammert. Du bist ihre Garantie für das Weiterleben können – du weißt ja, sie hat grausame Angst vor dem Sterben. Selbstverständlich ist es deine Entscheidung, wie du mit der Situation jetzt umgehst. Aber bedenke – auch deine negativen Gedanken und Gefühle bleiben in deiner Seele haften. Also, sei ein vernünftiges Mädel und gib dem Schicksal deiner Mutter eine Chance. Ich bin bei dir und du lass den Kopf nicht hängen, Vati All die Freude über den gesicherten Pflegeplatz für die Mutter, all die „Gewissensbisse“, all der Frust, alles war umsonst und unnötig verschwendete Energie – so lauten Gerlindes Worte, als sie wieder vor mir sitzt. Bitterkeit liegt in ihrem Gesicht, der aufgestaute Ärger ist aus ihrer Stimme zu hören. „Was ist denn geschehen?“ Ich stelle ihr die Frage und weiß bereits die Antwort.

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