Kapitel 3-5: Der Geisterverkehr im nachapostolischen Zeitalter und in der jetzigen Zeit

- 16 - Einige Tage später wiederholte sich die Besessenheit. Bald war es, als führen in bestimmter Zahl Hunderte von Dämonen aus, wobei sich das Gesicht der Person jedesmal veränderte und eine neue drohende Miene gegen Blumhardt einnahm. Auch bekamen die Männer, die Blumhardt stets mitnahm, manche Stöße und Faustschläge, ohne daß sie sahen, wer ihnen diese versetzte. Blumhardt selbst durften die Dämonen, wie sie sagten, nichts tun. Gottliebin raufte sich die Haare, schlug sich die Brust, warf den Kopf an die Wand und suchte auf allerlei Weise sich zu verletzen. Es war, als ob die Szenen immer schrecklicher würden und als ob Blumhardts Einwirkung die Sache nur verschlimmerte. Blumhardt schreibt: "Was ich in Geist und Gemüt damals ausgestanden habe, läßt sich nicht in Worten beschreiben. Mein Drang, der Sache ein Ende zu machen, wurde immer größer. Obwohl ich jedesmal befriedigt scheiden konnte, da ich fühlte, daß die dämonische Macht sich fügen müsse, und da die Person jedesmal vollkommen recht war, so schien die finstere Macht sich immer wieder zu verstärken und mich zuletzt in ein großes Labyrinth verstricken zu wollen, mir und meiner amtlichen Wirksamkeit zum Schaden und Verderben. Alle Freunde rieten mir, zurückzutreten. Aber ich mußte mit Schrecken daran denken, was aus der Person werden könnte, wenn ich meine Hand von ihr abzöge, und wie sehr ich von jedermann, wenn es übel erginge, als der Verursacher dastehen müsse. Ich fühlte mich in einem Netze, aus dem ich mich ohne Gefahr für mich und andere unmöglich durch bloßes A b t r e t e n wieder herauswinden konnte. Zudem schämte ich mich vor mir und meinem Heilande, zu dem ich so viel betete und dem ich so viel anvertraute und der mir so viele Beweise seiner Hilfe gab – ich gestehe es offen -, dem Teufel nachzugeben. ‘Wer ist der Herr?‘ mußte ich mich oft fragen. Und im Vertrauen auf den, der Herr ist, hieß es in mir immer wieder: Vorwärts! Es muß zu einem guten Ziele führen, wenn es auch in die tiefste Tiefe hinuntergeht, es sei denn, daß es nicht wahr wäre, daß Jesus der Schlange den Kopf zertreten habe." Die Zustände, in denen es war, als führen Dämonen aus, steigerten sich. Zugleich traten aber andere unheimliche Erscheinungen ein, die sich sogar körperlich fühlbar machten. So fühlte sich Gottliebin in einer Nacht und im Schlafe von einer brennenden Hand am Halse gefaßt, die alsbald große Brandwunden zurückließ. Bis die Tante, die im gleichen Zimmer schlief, das Licht anzündete, waren bereits gefüllte Brandblasen um den ganzen Hals herum entstanden. Der Arzt, der am folgenden Morgen kam, konnte sich nicht genug darüber wundern. Auch sonst bekam sie bei Tage und bei Nacht Stöße auf die Seite oder auf den Kopf, oder es faßte sie an den Füßen, daß sie plötzlich auf der Straße oder auf der Treppe, oder wo es sonst war, hinstürzte, so daß sie Beulen oder andere Schäden davontrug. Am 25. Juni 1842, als Blumhardt zu einem Kinderfest mußte, vernahm er bei seiner Rückkehr, Gottliebin sei nahezu wahnsinnig. Er ging zu ihr, und es schien ihr bald wieder gutzugehen. Nachmittags aber nahmen die Ereignisse eine außerordentliche Gestalt an. Die Kranke wurde so angegriffen, daß sie wie tot dalag. Es wiederholte sich nun jener Eindruck vom Ausfahren von Dämonen in einer Weise, die das bisher Erlebte weit hinter sich ließ und den Eindruck eines Sieges von ungeahnter Ausdehnung bei Blumhardt erweckte. Es kam auch mehrere Wochen lang nichts mehr vor, und Gottliebin konnte gehen, wohin sie wollte. Da kam die Kranke eines Tages blaß und entstellt zu ihm, um ihm etwas zu klagen, was sie bisher aus Schüchternheit vor ihm verborgen hatte. Sie erzählte ihm von einem Leiden, das sie an einem jeden Mittwoch und Freitag befalle und das mit so schmerzlichen und starken Blutungen verbunden sei, daß diese Plage, wenn sie nicht aufhöre, ihr Tod sein müsse. Ihre Schilderungen über andere mit diesem Leiden verbundenen Erlebnisse entziehen sich jeder Mitteilung und waren derart, daß Blumhardt hier die allerschauerlichsten Phantasien des Volksaberglaubens verwirklicht sehen mußte.

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