Kapitel 3-5: Der Geisterverkehr im nachapostolischen Zeitalter und in der jetzigen Zeit

- 17 - Blumhardt schreibt: "Vorderhand brauchte ich ordentlich Zeit dazu, mich zu sammeln, um zu der traurigen Überzeugung zu kommen, daß die Finsternis so viele Macht über die Menschen solle bekommen haben. Mein nächster Gedanke war: ‘Jetzt bist du fertig, jetzt geht’s in die Zauberei und Hexerei hinein; und was willst du gegen diese machen!‘ Wenn ich aber das jammernde Mädchen ansah, so schauderte es mich vor der Möglichkeit der Existenz jener Finsternis und vor der Unmöglichkeit der Hilfe. Es fiel mir ein, daß es Leute gebe, denen man geheimnisvolle Künste zur Abwehr von allerlei dämonischen Übeln zuschrieb, und sympathetische Mittel (von geheimnisvoller Wirkung), welchen immer unbedingt Hohe und Niedrige huldigen. Sollte ich etwa nach dergleichen Dingen mich umsehen? Das hieße, wie ich längst überzeugt war, Teufel mit Teufel vertreiben. Soll gläubiges Gebet nicht auch wider obige Satansmacht, worin sie nun bestehen möge, etwas auszurichten vermögen? Was sollen wir arme Menschlein machen, wenn hier nicht direkte Hilfe von oben zu erflehen ist? Gibt es eine Zauberei und Hexerei, ist es da nicht Sünde, sie unangetastet ihr Spiel treiben zu lassen, wenn eine Gelegenheit sich zeigt, ihr mit Ernst die Spitze zu bieten?" Blumhardt rief daher der Kranken zu: "Wir beten, sei es, was es wolle, wir probieren es. Wir verspielen wenigstens nichts mit dem Gebet. Und auf Gebetserhörung weist uns die Schrift auf fast jeder Seite; der Herr wird tun, was er verheißt!" Blumhardt besuchte die Kranke am folgenden Tage. Es wurde ein für ihn und die bei ihm waren unvergeßlicher Tag. Nach mehrmonatlicher Dürre zog an diesem Abend zum erstenmal ein Gewitter herauf. Gottliebin war von einer wahren Wut befallen, sich das Leben zu nehmen. Sie raste durch beide Stuben und begehrte wild ein Messer. Dann lief sie auf den Speicher, sprang auf das Gesims des Fensterladens hinauf und stand bereits außerhalb des Ladens in freier Luft, nur noch mit einer Hand nach innen sich haltend, als der erste Blitzstrahl des nahenden Gewitters ihr ins Auge fiel, sie aufschreckte und aufweckte. Sie kam zur Besinnung und rief: "Um Gottes willen, das will ich nicht!" Der lichte Augenblick aber verschwand wieder, und im wiederkehrenden Delirium erfaßte sie einen Strick und band ihn künstlich um das Gebälke mit einer Schleife, die sich leicht zusammenzog. Schon hatte sie den Kopf beinahe ganz hineingezwängt, als ein zweiter Blitzstrahl durch das Fenster ihr Auge traf, der sie wie vorhin wieder zur Besinnung brachte. Ein Tränenstrom floß am folgenden Morgen aus ihren Augen, als sie den Strick an dem Balken erblickte, den sie bei der besten Besinnung so künstlich umzuwinden nicht imstande gewesen wäre. Am gleichen Tage, abends um 8 Uhr, wurde Blumhardt gerufen, und er fand sie ganz im Blute schwimmend. Ihre sonstigen furchtbaren Bedrängnisse seien mit Stillschweigen übergangen. Blumhardt fing an, mit Ernst zu beten, nachdem er ohne viel Erfolg einige Trostworte gesprochen, während draußen der Donner rollte. Das wirkte nach einer Viertelstunde s o e n t s c h e i d e n d, daß alles weg war. Bald kam sie ganz zu sich, und Blumhardt entfernte sich auf einige Augenblicke, bis sie ganz umgekleidet war. Die Kranke bekam unvermutet einen neuen Anfall, gerade wie sonst, wenn Dämonisches sie überfiel. Da aber brach plötzlich der ganze Zorn und Unmut der Dämonen los, und es wurden eine Menge Äußerungen folgender Art vernommen, meist mit heulender und wehklagender Stimme: "Jetzt ist alles verspielt, jetzt ist alles verraten, du verstörst uns ganz; der ganze Bund geht auseinander; alles ist aus, alles kommt in Verwirrung. Du bist schuld daran mit deinem ewigen Beten. Du vertreibst uns doch noch. - Wehe, wehe, alles ist verspielt; unser sind 1067 und derer, die noch leben, sind auch viele, aber die sollte man warnen. O weh ihnen, wehe, sie sind verloren, Gott verschworen, ewig verloren." Das Gebrüll der Dämonen, die zuckenden Blitze, die rollenden Donner, das Plätschern der Regengüsse, der Ernst der Anwesenden, die Gebete von meiner Seite, auf welche die Dämonen in oben beschriebener Weise ausfuhren – das alles bildete eine Szene, die sich kaum jemand auf eine der Wirklichkeit entsprechende Weise wird vorstellen können.

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