Kapitel 7: Christus sein Leben und sein Werk

- 14 - Trotzdem blieb sie ihrem Gott treu, wie ja auch Mose, jener hohe Geist des Himmels, Gott treu blieb, obschon er mehr als einmal als Mensch zum Straucheln kam und zur Strafe dafür nicht in das gelobte Land einziehen durfte. Auch darin irrt die katholische Kirche, daß Maria nach der Zeugung und der Geburt Jesu noch J u n g f r a u gewesen sein soll. Ebensowenig wie jede andere Jungfrau nach der Empfängnis und der Geburt eines Kindes noch Jungfrau ist, ebensowenig war es Maria. Nur bevor sie Christus empfing, war sie Jungfrau. Der Erlöser sollte nicht von einer Mutter geboren werden, die vorher schon einmal geboren oder empfangen hatte. Das ist der Sinn der Worte bei Matthäus: 'Siehe, die 'Jungfrau' wird empfangen und einen Sohn gebären.' Es steht auch mit der Wahrheit im Widerspruch, wenn die katholische Kirche behauptet, nach der Geburt Jesu h a b e Ma r i a k e i n e K i n d e r m e h r g e b o r e n. Aus welchem Grunde sollte sie denn nach der Geburt ihres Erstgeborenen auf ihre Mutterrechte und Josef auf seine Vater- und Gattenrechte verzichten? Die nach Christus geborenen Geschwister beeinträchtigten doch in keiner Weise weder die Persönlichkeit Christi noch sein Leben noch seine Lehre oder sein Werk. Wenn in den Urkunden des Neuen Testamentes an verschiedenen Stellen von B r ü d e r n u n d S c h w e s t e r n J e s u die Rede ist, so sind seine leiblichen Brüder und Schwestern damit gemeint und keine 'Verwandten', wie die Katholiken krampfhaft zu beweisen sich bemühen. Wären es 'Verwandte' Christi gewesen, so hieße es nicht 'Brüder' und 'Schwestern', sondern 'Verwandte'. Oder meint ihr, die damalige Sprache habe kein Wort gehabt, mit dem sie die Bezeichnung 'Verwandte' hätte ausdrücken können? Das werdet ihr doch wohl im Ernst nicht behaupten wollen. Denn in der Geschichte des zwölfjährigen Jesus im Tempel wird ja mitgeteilt, daß seine Eltern ihn suchten bei den 'Verwandten' und Bekannten. Also hier, wo es sich um wirkliche 'Verwandte' handelte, gebraucht auch der Evangelist das Wort 'Verwandte'. Wenn derselbe Evangelist nun später schreibt: 'Es trafen seine Mutter und seine Brüder bei ihm ein' (Lukas 8, 9), dann will er sicher nicht sagen, daß diese Brüder bloß 'Verwandte' gewesen seien, die mit seiner Mutter kamen. Und die Leute, die Jesus die Ankunft seiner Mutter und Brüder meldeten, sagten ebenfalls: 'Deine Mutter und deine 'Brüder' stehen draußen und wünschen dich zu sprechen.' Und Matthäus und Markus berichten ebenfalls, daß seine 'Mutter' und 'Brüder' zu ihm kamen. Sollten alle drei Evangelisten das Wort 'Brüder' gebraucht haben, wo es 'Verwandte' heißen soll, wiewohl sie doch das Wort Verwandte hätten gebrauchen können und müssen? Es ist töricht, so etwas anzunehmen. Ferner berichtet Matthäus über das Auftreten Jesu in seiner Vaterstadt Nazareth: 'Als er in seine Vaterstadt gekommen war, machte er in dem dortigen Betsaale durch seine Lehre solchen Eindruck auf sie, daß sie in Staunen gerieten und fragten: Matthäus 13, 53 – 57: 'Woher hat dieser solche Weisheit und Wunderkraft? Ist dieser nicht der Sohn des Zimmermannes? Heißt seine Mutter nicht Maria und seine Brüder nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas? Leben nicht auch seine Schwestern alle hier bei uns? Woher hat er denn dies alles?' Kann irgendeiner mit gesundem Menschenverstand behaupten, in dieser Aufzählung von Vater, Mutter, Brüdern und Schwestern Jesu handle es sich bloß um Verwandte? So wie hier der wirkliche Vater und die wirkliche Mutter Jesu gemeint ist, so sind auch die wirklichen Brüder und Schwestern Jesu gemeint. Und was könnte die Aufzählung von 'Verwandten' hier überhaupt bezwecken? Die Bewohner von Nazareth staunten über die Lehre und Wunder Jesu. Und da fragten sie, wie auch ihr in ähnlichen Fällen manchmal fragt: Von wem hat er denn das alles? Sein Vater, der Zimmermann, ist doch ein einfacher Mann. Seine Mutter, die Maria, ist eine einfache, schlichte Frau, und auch an seinen Geschwistern ist nichts Auffallendes zu bemerken. Denn seine Brüder, der Jakobus und der Josef und der Simon und der Judas, verkehren doch täglich mit uns. Aber an ihnen haben wir bisher nichts Außergewöhnliches bemerkt. Auch seine Schwestern, die alle hier in unserem Orte sind, unterscheiden sich ebenfalls in nichts von den anderen weiblichen Bewohnern von Nazareth. Wie kommt nun der Jesus als einziger von allen seinen Geschwistern zu der wunderbaren Veranlagung?

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