Kapitel 7: Christus sein Leben und sein Werk

- 17 - So wuchs der Knabe zum J ü n g l i n g u n d Ma n n e heran. Mit zunehmendem Alter nahmen auch seine Erkenntnisse zu, nicht bloß die Erkenntnisse, wie sie jeder Mensch mit zunehmendem Alter gewinnt, sondern auch vor allem die Erkenntnisse, die ihm durch die Geister Gottes vermittelt wurden. In demselben Maße ging auch sein Wachstum im Guten voran, was eure Bibel in den Worten ausdrückt: Lukas 2, 52: 'Er nahm zu an Alter und Weisheit und Wohlgefallen vor Gott und den Menschen.' Es war ein wirkliches Zunehmen und nicht bloß ein äußeres 'an den Tag legen', wie deine bisherige Religion behauptet. Christus war als Mensch nicht von vornherein vollkommen, da kein Geist im Menschenkörper vollkommen sein kann. Denn die Materie ist in sich etwas Unvollkommenes und Niedriges. Auch der Geist, der rein und vollkommen in die materielle Hülle kommt, muß sich als Mensch nach und nach in beständigem Kampfe gegen das ihn niederziehende Böse zur Vollkommenheit durchringen. Mit jedem Menschenleib sind menschliche Schwächen und Unvollkommenheiten des darin verkörperten Geistes verbunden, mit denen auch der vollkommenste Geist zu ringen hat und von denen er sich, so lange er Mensch ist, nie ganz befreien kann. Es gehört dies eben zur Natur des Menschen. Auch Christus machte darin keine Ausnahme. Er hatte mit diesen Unvollkommenheiten bis zu seinem letzten Atemzuge zu kämpfen und unterlag mehr als einmal der menschlichen Schwäche im Kampfe gegen das Böse. Im Garten Gethsemane wurde dieser große Überwinder des Bösen doch als Mensch schwach und unvollkommen, als er betete, der Vater möge den Kelch des Leidens an ihm vorübergehen lassen; wenn er auch hinzufügte: 'Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!' Er wußte, daß es der Wille des Vaters war, daß er diese Leiden erdulden sollte. Hier spricht also der schwache, unvollkommene Mensch, der infolge seiner Menschennatur vor einem qualvollen Tod erbebt und sich gegen ihn sträubt. Der Vollkommene würde gesagt haben: 'Vater, gib mir soviel Leiden als du willst und für gut findest. Ich nehme sie gern auf mich.' Er würde nicht gesagt haben: 'Nimm sie weg!' – Und der schwache Mensch sprach am Kreuze aus ihm, als er sich bei Gott mit den Worten beklagte: 'Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?' Diese Klage hätte ein in allen Stücken vollkommener Mensch nicht ausgesprochen. Aber ein so vollkommenen Menschen gibt es nicht. Da müßte der Mensch aufhören, Mensch zu sein, und der Leib aufhören, Materie zu sein. Paulus hat diese Wahrheit in seinem Brief an die Hebräer in Worten wiedergegeben, die denjenigen sehr unangenehm klingen, die Christus als Gott bekennen und daher jede Möglichkeit der Sünde und des Abfalls von Gott bei Christus leugnen. Er schreibt: Hebräer 5, 7 – 9: 'Christus hat in den Tagen seines Erdenlebens Bitten und Flehen mit lautem Geschrei und Tränen vor den gebracht, der ihn vom 'Tode' zu retten vermochte. Und er hat auch Erhörung gefunden und ist von der Angst befreit worden. Er hat, obwohl er Gottes Sohn war, an seinem Leiden Gehorsam gelernt. Nachdem er dann zur Vollendung gelangt war, ist er allen denen, die ihm gehorsam sind, der Urheber ewigen Heiles geworden.' In diesen Worten findest du alles, was ich dir vorhin gesagt habe, bis ins einzelne bestätigt. Ich wies dich bei der Erklärung des Heilsplanes Gottes auf die sehr wichtige Tatsache hin, daß auch der höchste geschaffene Geist sich durch eine Menschwerdung der Gefahr aussetze, vom Bösen besiegt und zum Abfall von Gott verleitet zu werden. Diese Gefahr bedrohte auch Christus. Er erkannte sie in ihrer ganzen Größe. Mehr als einmal war er nahe daran, den Angriffen Satans zu erliegen. Darauf weist Paulus in den vorgenannten Worten seines Briefes hin, wenn er sagt, daß Christus zu Gott unter Tränen geschrien habe, ihn doch von dem Tode zu erretten. Daß nicht der leibliche Tod damit gemeint war, geht daraus hervor, daß Paulus ausdrücklich sagt, Gott habe das Gebet Christi erhört. Er hat ihn also vor dem Tode bewahrt, vor dem Christus so große Angst empfand. Hat ihn Gott vor dem irdischen Tode und der irdischen Todesangst bewahrt? Im Gegenteil. Den Kelch der irdischen Todesangst und des irdischen Todes hat Gott ihn bis zur Neige leeren lassen. Es muß also ein anderer Tod gewesen sein, von dem Christus auf sein Flehen errettet wurde. –

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