Kapitel 7: Christus sein Leben und sein Werk

- 20 - Diese Verführungsspezialisten hatten ihre Rollen gut verteilt. Die Geister des Zweifels waren die mächtigsten und erschienen immer wieder auf dem Plan. Wie konnte denn ein Gott seinen erstgeborenen Sohn in eine solche Wüste schicken, dem Hunger preisgeben und diesen Seelenqualen aussetzen? - War am Ende doch alles, was er von vermeintlichen guten Geistern gehört, war der Ausspruch des Täufers, war die Gottesstimme am Jordan nicht eine einzige große Täuschung oder eine Kundgebung des Bösen? - War die Gottessohnschaft infolgedessen nicht ein großer Wahn, dem er zum Opfer gefallen war? Um diesen Punkt drehte sich der Hauptangriff der Hölle. • Die Überzeugung von seiner Gottessohnschaft sollte in diesem Menschensohn vernichtet werden. War das erreicht, dann hatte Satan gewonnenes Spiel. Denn wer an seiner Aufgabe irre wird, wirft sie von selbst fort. Vierzig Tage und vierzig Nächte dauerte das Kesseltreiben der Hölle. Und ihr Opfer war ihr schutz- und hilflos preisgegeben, zitternd an allen Gliedern vor seelischen Aufregungen und vor körperlichem Elend infolge Hungers und Schlaflosigkeit. Es fehlte hier ja jede Nahrung. Er fastete, aber nicht freiwillig, sondern weil nichts Eßbares vorhanden war. Nichts als Sand und Steine, soweit man schaute. Aber alle Spezialisten der Hölle mühten sich vergeblich ab , diesen fiebernden Jesus von Nazareth zu Fall zu bringen, obschon er sich vor körperlicher Schwäche, Hunger und Durst nicht mehr aufrechthalten konnte. Immer wieder schrie er unter Tränen zu seinem Vater um Hilfe, damit er ihn vor dem Tode des Abfalls bewahren und ihm die Kraft geben möge, dem Ansturm des Bösen bis zum siegreichen Ende standzuhalten. Da, am letzten Tage, als alle Höllenmächte mit ihren Verführungskünsten dem gequälten Opfer gegenüber versagt hatten, kam er selbst – er, d e r F ü r s t d e r F i n s t e r n i s . In manchen Dingen ist er Spezialist. Vor allem ist er der Geist höllischer Wundertaten. Als solcher steht er vor dem vor Hunger zitternden Jesus und spricht: 'Du meinst, du seiest ein Sohn Gottes? Wenn du das bist, dann brauchst du keinen Hunger zu leiden, sondern du kannst diese Steine zu Brot machen. Aber du kannst es nicht, du Irregeführter, und mußt hier wegen dieses Wahns des Hungertodes sterben. Wunder kannst du nicht wirken und hast noch keine gewirkt und wirst auch keine wirken. Und doch bildest du dir ein, du seiest ein Sohn Gottes. Sieh mich an, ich bin ein Sohn Gottes, aber von jenem Gott weggegangen, der in seiner Grausamkeit dich hier so elend werden läßt. Ich kann Wunder wirken. Diese Kraft kann mir jener Gott nicht nehmen. Ich kann aus diesen Steinen Brot machen. Ich will dir zu essen geben. Du wirst sehen, ich kann es. Sag dich los von dem, der dich hier verhungern läßt! Tritt zu mir, und die schönsten Speisen der Erde stehen dir zur Verfügung.' 'Weiche, Satan, ich mag dein Brot nicht und möchte auch keins, wenn ich es aus diesen Steinen bereiten könnte. Ich warte auf das Wunderwort, das aus dem Munde Gottes kommt. Das Wort wird kommen zur rechten Stunde und mir Speise verschaffen, und ich werde am Leben bleiben.' Aber so leicht läßt Satan sich nicht abweisen. 'Gut!' spricht er, 'wenn du kein Wunder in meinem Beisein wirken und von mir kein Brot haben willst, das ich dir bloß aus Mitleid angeboten habe, dann kannst du ja einen anderen Weg wählen, um dich zu überzeugen, ob du ein Sohn Gottes bist. Denn daß du kein Sohn Gottes bist, dafür möchte ich dir den Beweis erbringen. Von dieser Selbsttäuschung möchte ich dich befreien. Siehe, hier ist die Zinne des Tempels. Ich will dich dorthin bringen, damit du dich hinabstürzest. Denn den Gottessöhnen ist ja versprochen worden, daß sie in solchen Fällen von Engelshänden getragen werden. Also mache den Versuch! Daß ich dir dabei nicht helfen werde, weißt du. Denn ich will dir ja gerade beweisen, daß du nicht zu den Gottessöhnen gehörst. Und ich bin sicher, daß du bei diesem Sturz zerschmettert liegenbleiben wirst. Aber versuchen sollst du es. Auch Gott kann nicht verlangen, daß du blindlings an deine Gottessohnschaft glauben sollst. Auf eine Probe muß du doch wohl deine angebliche Gottessohnschaft stellen, wenn du nicht jedes vernünftige Denken preisgeben willst. Kommst du heil unten an, so will auch ich an dich glauben. Findest du aber den Tod dabei, dann kannst du froh sein, lieber sofort von dem ganzen Trug, den man dir vorgegaukelt, durch den Tod befreit zu werden, als daß du dein ganzes Leben einem solchen Irrwahn opferst, um zum Schluß enttäuscht und von den Menschen verflucht zugrunde zu gehen.'

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