Kapitel 8-9: Die Lehre Christi und das heutige Christentum

- 11 - Die Worte: 'Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!', die Christus nach seiner Auferstehung an Petrus richtete, deutet ihr ebenfalls als eine Bevorzugung des Petrus. Doch mit Unrecht. Petrus hatte seinen Meister unter Eidschwüren dreimal öffentlich verleugnet. Nach menschlichem Ermessen mußte man annehmen, daß Christus den ungetreuen Jünger entlassen und ihm das Apostelamt entziehen würde. Auch Petrus selbst war überzeugt, daß der Meister ihn verstoßen werde gemäß seinen eigenen Worten: Matthäus 10, 33: 'Wer mich vor den Menschen verleugnet, den werde ich auch vor meinem himmlischen Vater verleugnen.' Ihr Menschen würdet es jedenfalls unter ähnlichen Umständen getan haben. – Aber Christus hatte Erbarmen mit dem reuigen Petrus. Er stellte ihn wieder den übrigen Aposteln gleich und übertrug auch ihm das Hirtenamt. Auch er sollte gleich seinen bisherigen Mitaposteln, trotz der begangenen Untreue, seine Mitmenschen auf die Weide der Wahrheit führen. Seine dreimalige Frage: 'Petrus, liebst du mich?' sollte den tiefgefallenen Petrus an die dreimalige Verleugnung erinnern und ihm zum Bewußtsein bringen, wie groß die Güte Gottes gegen ihn war, die trotz allem Vorgefallenen ihn doch als Verkünder des Reiches Gottes und als Werkzeug der Geister Gottes beibehalten wollte. Du siehst, wie irrig die Auslegungen der angeführten Bibelstellen durch deine bisherige Kirche sind und daß sie daraus keinen Beweis für eine bevorzugte Stellung des Petrus und die Unfehlbarkeit des römischen Papstes ableiten kann. Die Hölle hat diese Kirche längst überwunden, und das Böse ist auch die Urheberin der Unfehlbarkeitslehre. Denn da die meisten Lehren dieser Kirche große Irrtümer sind, ist die Hölle bemüht, jene Irrtümer in der Menschheit möglichst lange zu erhalten. Das erreicht sie am besten mit dem Machtmittel der Unfehlbarkeit. Die Kirche kann ja die Irrtümer nicht mehr rückgängig machen, weil sie dieselben unter dem Siegel der Unfehlbarkeit lehrt. Sie aufzugeben, hieße sich selbst vernichten. In eurer Papstlehre häuft sich Unwahrheit auf Unwahrheit. • So ist es auch eine geschichtliche Unwahrheit, daß der römische Bischof ein direkter Nachfolger des Petrus im Apostelamt sei. Denn die Bischöfe der ersten Christengemeinden wurden weder von einem Apostel, noch durch eine menschliche Wahl für ihr Amt bestimmt, sondern nur durch die sich kundgebenden Geister Gottes. Und wenn in einzelnen Fällen ein Apostel oder Apostelschüler einen als Bischof in sein Amt einführte, so tat er es erst dann, wenn ein Geist Gottes jenen als Bischof bestimmt hatte. Außerdem hatte ja kein Bischof vor einem anderen einen Vorzug und kein Apostel eine höhere Gewalt, als seine Mitapostel. Galater 2, 6: 'Mir ist es gleichgültig', sagt Paulus, 'wie groß das Ansehen der Apostel war. Denn Gott nimmt auf das Ansehen eines Menschen keine Rücksicht.'– Und an derselben Stelle schildert er, wie er einmal dem Apostel Petrus mit aller Schärfe entgegengetreten sei und ihm vor der ganzen Gemeinde vorgehalten habe, daß er nicht in Übereinstimmung mit der Wahrheit des Evangeliums wandle. Wenn es genügt hätte, daß Gott dem Apostel Petrus als dem ersten unfehlbaren Papst die Heilswahrheiten offenbarte, dann brauchten die Geister Gottes erst recht nicht zu den ersten Christengemeinden zu kommen. Sie besaßen ja dann in Petrus eine unfehlbare Quelle der Wahrheit. Und warum wurde denn Paulus nicht zu Petrus geschickt, um von ihm die Wahrheit zu empfangen? Er war doch in seiner nächsten Nähe. Warum wurde er anstatt dessen gemäß seinen eigenen Worten von Christus selbst belehrt?

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