Kapitel 8-9: Die Lehre Christi und das heutige Christentum

- 28 - 8. 7 Der Begriff der Sünde Fünf tens: Wie ihr eine ganz f a l s c h e L e h r e v o n d e r E r b s ü n d e aufgestellt habt, so ist auch eure Auffassung von der Sünde überhaupt eine verkehrte. Die Bibel unterscheidet zwischen der Sünde als 'Abfall von Gott' und den Sünden als menschliches Straucheln der Gottesgläubigen. In dem ersten Brief des Apostels Johannes steht eine Stelle, deren Erklärung euch große Schwierigkeiten bereitet. Sie lautet: 1. Johannes 5, 16 – 17: 'Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, und es ist keine Sünde zum Tode, so soll er für ihn beten und ihm so Lebenskraft geben, nämlich denen, die keine Sünde zum Tode begehen. Es gibt auch eine Sünde zum Tode. Wenn jemand eine solche begeht, sage ich nicht, daß man für ihn beten soll. Jedes Unrecht ist eine Sünde. Aber nicht jede Sünde führt zum Tode' Hier macht also Johannes einen Unterschied zwischen der Sünde, die zum Tode führt und den Sünden, die nicht zum Tode führen. Und - was euch in den Worten dieses Apostels am unverständlichsten klingt - ihr braucht für einen, der die Sünde zum Tode begeht, nicht einmal zu beten. Den Sinn dieser Worte kann ich dir am besten an einem Beispiel klarmachen: Die Soldaten haben bei ihrem Eintritt zum Militär einen Fahneneid zu leisten. Dadurch werden sie Soldaten ihres Vaterlandes. Nun kommen ja auch bei den Soldaten Fehler vor, für die sie nach den militärischen Gesetzen bestraft werden, ohne daß sie dadurch aufhören, Soldaten ihres Vaterlandes zu sein. Aber eine Soldatensünde gibt es, durch die einer aufhört, Soldat seines Vaterlandes zu sein und auf der die Todesstrafe ruht. Es ist dies die Fahnenflucht durch Übergehen zum Feinde des Vaterlandes. Dadurch wird er tot für die eigene Heimat. Es ist militärisch 'die Sünde zum Tode'. Und wenn die Mutter eines solchen Deserteurs bei der Regierung ihres Landes um Gnade für ihren fahnenflüchtigen Sohn bitten würde, so wäre dies zwecklos. Denn er untersteht ja nicht mehr der Gewalt des eigenen Staates, sondern hat sich unter die Herrschaft eines feindlichen Staates begeben und ist jetzt dessen Gesetzen unterworfen. Dieser Staat läßt ihn nicht mehr frei, selbst wenn der Fahnenflüchtige zurückwollte. Aber er will ja auch gar nicht zur alten Heimat zurückkehren. - Die an die heimatliche Regierung gerichteten Gnadengesuche der Mutter sind also vollkommen zwecklos. Wende dieses Beispiel auf eure Stellung zu Gott an. Als gottesgläubige Menschen seid ihr Untertanen des Reiches Gottes. Wenn ihr auch als schwache Erdenpilger täglich kleinere oder größere Fehler begeht, so sind das Sünden, für die ihr zwar von Gott bestraft werdet, durch die ihr jedoch nicht aufhört, Untertanen des Reiches Gottes zu sein. Kehrt ihr aber Gott den Rücken durch Unglauben, Gottesleugnung oder indem ihr lebt, als ob es keinen Gott gäbe, so ist das die Sünde der Fahnenflucht. Es ist die Sünde, durch die ihr euch vom Reiche Gottes trennt und in das Reich der bösen, gottfeindlichen Mächte übergeht. Ihr gebt den Gehorsam gegen Gott vollständig auf, wie ja ein Deserteur durch die Fahnenflucht sich dem Gehorsam gegen seinen Landesherrn entzieht. Ihr seid tot für das Reich Gottes. Ihr habt 'die Sünde zum Tode' begangen. Was sollte also das Gebet eines anderen für einen solchen Überläufer für Nutzen haben? Jener will ja von Gott nichts wissen und nicht zu ihm zurückkehren. Gott müßte ihn also auf euer Gebet hin zwingen, zurückzukehren. Das kann Gott nicht, weil er jedem den freien Willen gegeben hat und niemals in die freien Entscheidungen eines Geschöpfes mit Zwang eingreift. Sein Heil muß jeder aus freier Entschließung wirken.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3