Kapitel 8-9: Die Lehre Christi und das heutige Christentum

- 57 - gen ein Strafnachlaß verbunden ist, den deine Kirche nach Belieben bestimmen und abstufen kann? Ist es nicht vielmehr eine Lästerung des großen und heiligen Gottes, seine Erweise des Erbarmens und der Liebe als an solche Lächerlichkeiten geknüpft zu betrachten? • Nicht Menschen, nicht Päpste und Bischöfe können Nachlaß von Sündenstrafen erteilen, G o t t a l l e i n ist derjenige, der jedem vergilt nach seinen Werken. • Die innere Umkehr des Sünders zu Gott und seine Werke der Liebe sind die Maßstäbe, die Gott bei seinem Verzeihen und Begnadigen anwendet. • Wer sich in Reue zu Gott wendet, erhält Verzeihung seiner Sünden; und wenn er sich Mühe gibt, die Werke der Liebe zu vollbringen, indem er seinen Mitmenschen verzeiht und ihnen nach Kräften hilft, dann werden ihm auch die für die Sünden verdienten Strafen erlassen. Darum sagt Christus bei Maria Magdalena: 'Ihr wird viel vergeben, weil sie viel geliebt hat; und wem weniger vergeben wird, der hat auch weniger geliebt.' Hier ist selbstverständlich nicht die Geschlechtsliebe gemeint, sondern die Gottes- und Nächstenliebe. Wer viel Liebe seinen Mitmenschen erweist, dem wird auf dem Wege der Begnadigung auch viel von der für seine Sünden verdienten Strafe erlassen. Auf die Waagschale werden die Sündenstrafen gelegt und auf die andere die Werke der Nächstenliebe. Soviel wie die Schale der Strafen schwerer wiegt als die Schale der Werke der Liebe, so viel hat der Sünder abzubüßen. • Wem also wenig an Strafe erlassen wird, der hat auch wenige Werke der Liebe aufzuweisen. Maria Magdalena hatte viel gesündigt. Aber sie war auch stets hilfsbereit, wenn es galt, den Notleidenden und unschuldig Verfolgten beizustehen. Darum wurde ihr, nachdem sie sich von ihrem Sündenleben abgewendet hatte, eine sehr weitgehende Begnadigung zuteil. Nun spricht allerdings Christus von einer Sünde, die weder in diesem noch im anderen Leben vergeben wird. Das Wort 'vergeben' hat auch hier, wie an so vielen anderen Stellen der Bibel, die Bedeutung 'begnadigen'. Bei der Sünde, die Christus meint, gibt es keine Begnadigung. Die Strafe dafür muß ganz abgebüßt, der 'letzte Heller bezahlt werden'. Diese Sünde hat er in folgenden Worten angegeben: Matthäus 12, 31 – 32: 'Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden; aber die Lästerung des Geistes wird nicht vergeben werden. Und wenn jemand ein Wort wider den Menschensohn sagt, wird es ihm vergeben werden; wer aber etwas wider den Heiligen Geist sagt, dem wird es weder in dieser Welt noch in der zukünftigen vergeben werden.' • Wer die Wirkung des Geistes Gottes k e n n e n g e l e r n t hat, wessen Seele durchstrahlt worden ist von der Wahrheit, die Gottes Geister unter der Kraftwirkung Gottes ihm mitgeteilt, und wer t r o t z d e m aus irdischen Rücksichten die Wahrheit ablehnt, der begeht die Sünde wider den Geist, für deren Strafe es k e i n e B e g n a d i g u n g gibt. Der Grund für die Ablehnung einer Begnadigung liegt in der Natur dieser Sünde. Denn wenn die höchsten Beweise der Wahrheit, die Gottes Geister liefern können, einen Menschen nicht zur Annahme der Wahrheit bewegen, obschon er in seinem Inneren die Wahrheit als Wahrheit erkennt und fühlt, welches andere Mittel gibt es denn da noch, ihn zur Annahme der Wahrheit zu bringen? Da bleibt nur noch eins: Er muß durch vollständige Abbüßung der schweren Strafe für diese Sünde zuerst innerlich mürbe gemacht werden. Er muß elend und hungrig werden, wie der verlorene Sohn. Erst dann wird er reif dafür, daß ihm von Gott noch einmal die Wahrheit angeboten wird. Das jüdische Priestertum, die Pharisäer und Schriftgelehrten begingen diese Sünde wider den Geist. Sie hörten die Lehre Christi und sahen täglich mit eigenen Augen die Bestätigung seiner Lehre durch die Kraftwirkungen der Geister Gottes, durch die er die Kranken heilte, Tote erweckte und andere Wundertaten vollbrachte.

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