Der Delpasse-Effekt

- 10 - 1.6 Physik ist unerwünscht Man hätte nun eigentlich vermuten sollen, daß die Parapsychologie als nächstes darangehen würde, nach einer physikalischen Erklärung für die erfolgreich nachgewiesenen Phänomene zu suchen. Zu den Gründern der britischen Society for Psychical Research gehörten, wie berichtet wurde, auch angesehene Physiker. Lange bevor Prof. Rhine auf der Szene erschien, hatten sie sich redlich bemüht, in ihrem Fachgebiet eine Erklärung für die unbegreiflichen Erscheinungen zu finden. Das physikalische Weltbild ihrer Zeit, das von den ehernen Gesetzen Isaac Newtons geprägt war, ließ eine solche Erklärung jedoch nicht zu. So gelangten sie zu dem Schluß, daß die paranormalen Phänomene nicht den Gesetzen Newtons unterworfen seien. Da diese Gesetze aber nicht bereit waren, eine Ausnahme zuzulassen, konnte dies nur bedeuten, daß neben der physikalischen Weltordnung noch eine zweite WELTORDNUNG existieren mußte. • Versteckt wie in einer russischen Puppe mußte in unserer Welt noch eine zweite WELT verborgen sein, die gänzlich unbekannten Gesetzen gehorchte. Beide Welten konnten offenbar nebeneinander bestehen, ohne in Kollision miteinander zu geraten. Mit dieser Annahme gerieten die Physiker der Society for Psychical Research natürlich in erhebliche logische Bedrängnis. Es spricht für ihren vorurteilslosen Forschergeist, daß sie sich dennoch zur Existenz des Unerklärbaren bekannten. 30 Jahre später jedoch, als Prof. Rhine seine Kartenexperimente unternahm, hatte sich die Welt erheblich verändert: • Einstein hattet erklärt, daß es noch andere Dimensionen gibt als die, die wir auf unserer Erde zu erkennen vermögen. Seine Relativitätstheorie hatte die Materie, den sicheren festen Boden unter unseren Füßen, in unanschauliche, flüchtige Energie verwandelt. Selbst die Zeit war zu einer unsteten Größe geworden, auf die man sich nicht mehr so sicher wie bisher verlassen konnte. • Die Quantentheorie schließlich hatte dem alten, festgefügten Weltbild der Physik einen Sprung beigebracht, den nichts und niemand mehr zu kitten vermochte. Männer, deren Namen längst zur Geschichte der modernen Physik geworden sind, Planck, Heisenberg, Bohr, Pauli, Born, de Broglie, Dirac, Schrödinger und viele andere rüttelten am Thron der alten Wissenschaft, die allem übersinnlichen feindlich gewesen war. Die Chance der Parapsychologie war gekommen. In dieser Situation wäre es leicht für sie gewesen, die neue und unverständliche, ja unlogisch erscheinende Physik Einsteins, Plancks und Heisenbergs zu ihrer eigenen Grundlage zu machen. Die Parapsychologen hätten nur zu erklären brauchen: Irgendwo hier, in diesem unerforschten REICH, haben auch wir unseren Platz; hier wollen wir suchen. Ein solcher Entschluß wäre keineswegs abwegig gewesen. Die makrophysikalischen Gesetze Newtons hatten der Parapsychologie eine eindeutige Abfuhr erteilt. Warum sollten die Ursachen für paranormale Phänomene nicht in Gesetzmäßigkeiten liegen, die sich unterhalb der Größenordnung der Atome abspielen? Seltsamerweise mied die Parapsychologie bisher die goldene Brücke, die ihr gebaut wurde. Statt zu einer Wissenschaft der Physik wurde sie mehr und mehr zur Domäne der Psychologen. Das ist zwar verständlich, denn in der Erforschung der menschlichen Psyche wurden in den letzten Jahrzehnten entscheidende und schnelle Fortschritte erzielt; mit Hilfe dieser Fortschritte hoffte man, auch dem Paranormalen bald auf die Spur zu kommen. Man muß sich heute aber doch fragen, ob dies wohl der einzig richtige Weg war. - Denn wann immer die Parapsychologie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit über unterhaltsame Spukgeschichten hinaus zu fesseln vermochte, dann war es dort, wo meßbare, wägbare und wiederholbare Versuchsanordnungen der Physik im Spiel waren. Dennoch steht die Physik bei den Parapsychologen nicht hoch im Kurs.

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