Der Delpasse-Effekt

- 17 - 2.2 Biofeedback – Kontrolle des Unbewußten Wie der Neurologe Grey Walter, so hatte auch sein Berufskollege Professor William Jongh van Amsynck wissenschaftliche Interessen im Bereich der Kybernetik. Als man damit begann, die Techniken des Feedback in die Medizin einzuführen, war Professor van Amsynck einer der ersten, der die neuen Trainingsmethoden an Hypertonie-Kranken erprobte. Wesentliche Steuerungsmechanismen im tierischen Organismus, so zum Beispiel die Regelung biochemischer Prozesse in der Zelle, funktionieren auf der Basis des Feedback-Prinzips. Bereits Jahrmillionen vor dem Menschen hat die Natur das Biofeedback erfunden. Mit der Erforschung des Biofeedback hat die Medizin ihre Auffassung vom Nervensystem ganz erheblich revidieren müssen. So scheinen die anatomischen Unterschiede zwischen den beeinflußbaren und den unbeeinflußbaren Funktionskreisen unseres Körpers wohlbegründeten Sinn zu haben. Zwar gab es Berichte über die seltsamen Fähigkeiten fernöstlicher Fakire oder Jogis, die auf Kommando in der Lage sein sollten, ihren Herzschlag zu vermindern, Blutdruck und Körpertemperatur zu senken und schließlich in eine todesähnliche Starre zu verfallen. In diesem Zustand konnten sie tagelang bei minimalster Sauerstoffzufuhr in einem freiwilligen Grabe ausharren. Solange solche Versuche nur von Reisenden aus exotischen Ländern berichtet wurden, war es leicht, sie als "Scharlatanerie" abzutun. Aber dann wurden die seltsamen Wundermänner aus dem fernen Osten in wissenschaftlichen Versuchen getestet. Die Ergebnisse ließen keinen Raum für Zweifel mehr: • Die Fakire und Jogis w a r e n f ä h i g , Körperfunktionen, die man für absolut unbeeinflußbar gehalten hatte, willkürlich zu regulieren. Noch kein Zen-Meister, noch kein Jogi hat bis heute ein Patentrezept dafür verraten. Die Auskünfte sind vielmehr ernüchternd: Übungen zur Selbstkontrolle, Meditation, asketische Versenkung, bis sich der erste bescheidene Erfolg einstellt. Das Interesse blieb begrenzt. Das änderte sich schlagartig, als man die Technik des Biofeedback erfand. • Biofeedback bedeutet, durch maschinelle Hilfe die Fähigkeiten der Einflußnahme binnen kürzester Frist zu erlernen. Das System ist einfach: Einem Probanden wird etwa die Aufgabe gestellt, seinen Pulsschlag zu verlangsamen. Er wird an ein Gerät angeschlossen, das nichts beeinflußt, sondern nur registriert. Gelingt es dem Probanden – ganz gleich auf welche Weise, und sei es durch Zufall – für einen Moment seinen Pulsschlag zu verlangsamen, so wird er durch das Aufflammen einer Lampe oder durch einen Summton des Feedback-Gerätes belohnt. Solange der Patient in der Lage ist, seine unwillkürlichen Reflexe unter Kontrolle zu halten, hält das Belohnungssignal an. Steigert sich der Pulsschlag jedoch wieder, so wird auch die Belohnung entzogen. Durch diese Rückmeldung seines Erfolges oder Mißerfolges lernt der Patient binnen verhältnismäßig kurzer Zeit, seine Pulsfrequenz tatsächlich mit dem Willen zu steuern. Das Bemerkenswerte dabei ist, daß er nicht etwa bewußt eine bestimmte Maßnahme – etwa die Kontraktion eines Muskels – erfindet. Er lernt vielmehr, unbewußt einen Spannung- oder Entspannungszustand des gesamten Organismus herbeizuführen, welcher dann das Erfolgsignal auslöst. Nach einiger Übung ist der Schüler fähig, sich "freizuschwimmen". Er kann den gewünschten Zustand nun auch ohne Hilfe des Biofeedback-Gerätes erreichen. Was ein fernöstlicher Jogi mühselig und jahrelang durch Konzentrationsübungen erlernt, hat der Proband sich in wenigen Wochen angeeignet. Der Sinn solcher Übung erschöpft sich natürlich nicht in dem Erfolgserlebnis, ein varietéreifes Kunststück zu beherrschen. Viele Erkrankungen lassen sich auf ein Fehlverhalten des unwillkürlichen Nervensystems zurückführen. Wenn man dieses System der willkürlichen Beeinflussung zugänglich machen könnte, so wäre das wie die Entdeckung eines Medikaments, das nicht nur an den Symptomen, sondern an der Wurzel des Übels angreift.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjI1MzY3