Der Mensch und seine Bindung an Gott

- 136 - Willensfreiheit oder Vorherbestimmung? In diesem Abschnitt wird ein Problemkreis behandelt, der schon immer die Gemüter der Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen erhitzte. Dabei ist die Auseinandersetzung deshalb besonders schwierig, weil mit Begriffen gearbeitet wird, die vorher schlecht oder gar nicht definiert wurden und unter denen die Gesprächspartner sehr unterschiedliche Dinge verstehen können. Zu derartigen Begriffen gehören bereits die Worte "Wille" und "Freiheit". Doch fangen wir zunächst mit dem physikalischen Begriff "Kausalität" = Ursächlichkeit an. Die Aufgabe der exakten Naturwissenschaften, insbesondere der Physik, ist nicht nur die Feststellung der bloßen Tatsachen in unserer Welt, sondern vor allem ihre sinnvolle Verknüpfung miteinander. Die gegenseitige Bedingtheit und Abhängigkeit wird aufgezeigt, d. h. zwischen den Zuständen desselben Gebildes wird zu verschiedenen Zeiten ein eindeutiger funktionaler (gesetzmäßiger) Zusammenhang festgestellt. Zum Beispiel gilt bei der gleichförmigen Bewegung eines Fahrzeugs für den zurückgelegten Weg s bei konstanter Geschwindigkeit v die Beziehung s = v ‧ t , wobei t die verstrichene Zeit ist. Man faßt dabei die Geschehnisse als im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinander stehend auf. Dabei liegt die Ursache zeitlich früher, die Wirkung zeitlich später. Ein Geschehen bedeutet, daß sich etwas ändert, und das kann nur erfolgen, wenn eine physikalische Größe vorhanden ist und abläuft, die wir "Zeit" nennen. Dabei ist die Zeit, wie z. B. auch die Länge, eine sogenannte physikalische Grundgröße, die nicht auf Einfacheres zurückgeführt werden kann und damit auch keiner Erklärung zugänglich ist, Erklärung im Sinne der Zurückführung auf Einfacheres. Zeiten können, wie auch andere physikalische Grundgrößen, nur gemessen werden, d. h. mit Normzeiten verglichen werden. Die Auffindung eines eindeutigen funktionalen Zusammenhanges, einer eindeutigen Abhängigkeit zwischen den verschiedenen Zuständen eines Geschehens (zunächst der unbelebten Natur), und die Aufstellung der Begriffe "Ursache" und "Wirkung" führen zu der Folgerung und Behauptung, daß gleiche Ursachen stets gleiche Wirkungen haben und daß umgekehrt gleichen Wirkungen auch gleiche Ursachen zugrunde liegen. Diese Erfahrungstatsache wird Kausalitätsprinzip oder Kausalgesetz genannt. Das Kausalgesetz ist die Voraussetzung für die Möglichkeit einer Naturforschung. Ohne dieses wären auch einfache Schlüsse nicht möglich. Man kann das Kausalgesetz auch so aussprechen: Sind in irgendeinem Augenblick sämtliche Zustandsgrößen aller an einem Naturvorgang beteiligten Dinge bekannt, so ist es grundsätzlich möglich, sowohl seinen weiteren, als auch seinen vorhergehenden Verlauf in allen Einzelheiten im voraus oder für die Vergangenheit zu berechnen. Vorauszusagen, was künftig unter bestimmten Bedingungen geschehen wird, ist aber die wesentlichste Aufgabe der Physik. Anstelle des Begriffes "Kausalitätsprinzip" wird oft auch die Bezeichnung "Determinismus" (Festgelegtsein) verwendet. Es heißt dann, daß bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen die Zukunft durch die Vergangenheit determiniert sei wie auch umgekehrt. Diese Umkehrung, daß also die Zukunft oder auch die Gegenwart die Vergangenheit determiniert (bestimmt), läßt man bei dem Begriffspaar "Ursache" und "Wirkung", zumindest im Sprachgebrauch des täglichen Lebens, meist nicht zu. Es besteht die verschwommene Vorstellung, daß die Ursache eine von Natur aus vorhandene "Kraft" ist, welche die Fähigkeit besitzt, etwas zu bewirken, wobei das "Bewirken" mit dem Ablauf der Zeit stattfindet. Dabei hat man sich an die Übereinkunft gewöhnt, daß die Wirkung zeitlich nach der Ursache kommt und nicht umgekehrt. Dieses so äußerst wichtige und in seinen Konsequenzen weittragende Kausalitätsprinzip gilt in der sogenannten "Makrophysik", also in dem Bereich der Physik, in dem an den Vorgängen eine Vielzahl von Molekülen und Atomen beteiligt ist. Ganz besonders trifft dies für die klassische Mechanik und insbesondere für die Himmelsmechanik (die Bewegung der Himmelskörper) zu.

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