Der Mensch und seine Bindung an Gott

- 142 - Die Unterschiede bestehen in Art und Umfang der Informationsverarbeitung, die einer Willensentscheidung vorangeht. Die Anzahl und die Verknüpfungen der logischen Operationen vor einer Willensentscheidung sind bei Menschen sehr viel größer als bei anderen Lebewesen. Während bei der Willensentscheidung einer Pflanze zum Wachstum vielleicht nur drei verschiedene Informationen gewichtet und ausgewertet werden, etwa Temperatur, Lichtverhältnisse und Feuchtigkeit, können die erforderlichen ausgewerteten und gewichteten Informationen bei einer tierischen und menschlichen Willensentscheidung sehr viel größer sein. Insofern dürfen wir den Tieren und erst recht den Menschen eine sehr viel größere Willensfreiheit zusprechen als den Pflanzen. Ein beachtenswerter Unterschied zwischen Pflanzen einerseits und Tieren und Menschen andererseits besteht auch darin, daß Menschen und höhere Tiere lernen können. Sie sind fähig, sich aus günstigen und ungünstigen Erfahrungen während ihrer Handlungen einen neuen Informationsvorrat schaffen und speichern zu können. Er steht ihnen dann bei neuen Willensentscheidungen zur sinnvollen Mitverwendung zur Verfügung. Eine Pflanze kann das nicht. Sie handelt und reagiert nur nach ererbten, d. h. fest angelegten, Programmen. Die These, daß in bezug auf Willensfreiheit nicht ein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied zwischen dem Menschen und anderen Lebewesen besteht, findet auch darin ihre Stütze, daß der Mensch im Verlaufe der Evolution, also einer sehr langen Entwicklung, aus tierischen Lebewesen entstanden ist. Die Festlegung, ab wann die Vorfahren der heutigen Menschen auch schon als Menschen anzusprechen sind, etwa nach der gezielten Verwendung des Feuers, ist absolut willkürlich. Das gleiche wäre der Fall, wenn wir sagen würden, ab jener Generation besaßen die Lebewesen Willensfreiheit und bis zur vorhergehenden noch nicht. Auch hier ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung ohne nennenswerten Sprung anzunehmen. Die bisherigen Darlegungen über die Willensfreiheit lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Ein großer Teil der menschlichen Entscheidungsprozesse läuft sicherlich nach den kausalen Prinzipien der Physik ab. Ein Teil derartiger Vorgänge läßt sich auch in heutigen elektronischen Rechenanlagen verwirklichen, und sie verlaufen dort gleichfalls physikalisch streng kausal. Dazu kommen aber noch die Entscheidungsprozesse, die aus Konfliktsituationen hervorgehen. Hier findet das Kausalitätsprinzip seine Grenzen. Es setzt Zufallsgeschehen ein, das eine sichere Vorhersage des menschlichen Verhaltens unmöglich macht. Auch dadurch ist eine absolute Festlegung irdischen Schicksals bis in ferne Zeiten ausgeschlossen. Gleichfalls zeigen Berichte aus der Parapsychologie, die anschließend behandelt werden, daß kein völlig zwanghafter Ablauf allen Geschehens vorliegt. Wenn nun die Informationsverarbeitungsvorgänge, also das geistige Leben im Menschen, nach physikalischen Gesetzen ablaufen, ist die Frage sehr naheliegend, ob Begriffe wie "Schuld", "Verantwortung", "Strafe" usw., nicht sinnlos oder überflüssig werden, oder mit einem anderen Sinn versehen werden müssen. Die Begriffe "Schuld" und "Verantwortung" werden ja meist mit einem ethischen und moralischen Sinn versehen. Viele wird es vielleicht zunächst verwundern, daß möglicherweise Verbindungen zwischen Physik und Informationsverarbeitung einerseits und Ethik und Moral andererseits bestehen können. Betrachten wir zunächst den Begriff der Strafe. Wenn wir die Lebensvorgänge auf unserer Erde beobachten, so können wir das Bestreben aller lebenden Individuen feststellen, das eigene Leben fortzuführen und zu erhalten. Auch jede Gattung und jede Art hat dieses Bestreben und führt darum einen Kampf, den um das Dasein, der zumeist auf Kosten anderer geht. Sehr vereinfachend dargestellt heißt das: der Stärkere frißt den Schwächeren. Damit dieser Kampf aber nicht ins Uferlose geht und schließlich zur Auslöschung jeglichen Lebens führt, haben gleichgeartete Lebewesen Verhaltensweisen unter sich entwickelt, oder ein Schöpfer hat sie ihnen eingegeben, die dazu führen, daß das gleichgeartete Lebewesen geschont oder sogar gefördert wird. Dadurch werden die Überlebenschancen im Kampf ums Dasein für die ganze Art erhöht und vergrößern sich damit letztenendes auch für das einzelne Individuum.

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