Der Mensch und seine Bindung an Gott

- 94 - Die Offenbarung Gottes in der Zarathustrischen Religion In den vorangehenden Kapiteln wurde über die Verbindung des universalen Gottes durch medial veranlagte Personen (Seher, Propheten, Priester) mit uns Menschen berichtet. So weit historisch erfaßbar, begann diese um das Jahr 2000 v.Chr. bei dem Nomaden Abram (Siehe S. 4), setzte sich fort über Mose, die Propheten des Alten Bundes und der urchristlichen Gemeinden bis hin in die Neuzeit. Es ist nun sehr bedeutsam zu sehen, daß dieser universale Gott sich nicht nur durch Propheten an das Volk der Israeliten gewandt hat, sondern ebenfalls durch einen Propheten an die Völkerschaften des nordöstlichen Persiens. In den Personen der achämenidischen Perserkönige Kyros II. (der Große, 559 - 530 v. Chr.) und Darius I. (522 - 486 v. Chr.) begegnen sich die beiden Religionskreise in schicksalhafter Weise. Der Prophet, um den er hier geht, heißt Zarathustra. Über seine genauen Lebensdaten bestehen unterschiedliche Meinungen. Unumstritten ist sein erreichtes Lebensalter von 77 Jahren. Das Geburtsjahr aber wird von einigen Historikern um 599/98 v. Chr. angenommen, von dem Göttinger Prof. für Iranistik und Zarathustraforscher Walter Hinz (geb. 1906) aber für 630 v. Chr. angesetzt (37, S. 25). Da ich Hinz für den besten Kenner dieses Gebietes ansehe, werden im folgenden die angegebenen Jahreszahlen auch immer auf sein Werk "Zarathustra" (37) bezogen. Wer diese dann mit Zahlenangaben anderer Geschichtswerke vergleicht, kann gegebenenfalls Unterschiede von 30 bis 40 Jahren feststellen. Für den Inhalt der folgenden Darlegungen sind diese aber unerheblich. Zarathustra war zunächst Priester im Lande Baktrien. Dabei handelt es sich um ein Gebiet um die heutige Stadt Balch im jetzigen nördlichen Afghanistan. Der Kult, in dem Zarathustra aufwuchs, kannte viele Götter mit zum Teil schauerlichen Opferriten, vor allem den Kult des Gottes Mithras, der später große Verbreitung im römischen Reich fand und dort besonders beim Militär. Der Mithraskult wurde einige hundert Jahre später die große Konkurrenz des Christentums. Im Alter von 30 Jahren (600 v. Chr.) erlebte Zarathustra seine Berufung, die den unbekannten Priester zum Begründer einer neuen Religion machte (37, S. 40 u. 56). Wie bei den meisten Propheten geschah die Berufung durch eine Vision, d. h. durch eine paranormale sinnliche Wahrnehmung des "inneren Auges" und "inneren Ohres". Es erschien ihm eine hohe Wesenheit, ein Erzengel, der sich als Vohu Manah vorstellte, zu deutsch etwa "Guter Sinn". Er befragte Zarathustra mit hoheitsvoller Strenge, zu wem er sich bekennen wolle (38, S. 98). Als dieser sich der göttlichen Welt angelobte, führte ihn der Erzengel durch Belehrungen und innere Schauungen in sein Prophetenamt ein. Die Erlebnisse, Predigten, Gebete und Meditationen Zarathustras sind in den sogenannten Gathas mit 16 Gesängen und insgesamt 229 Strophen als kunstvolle religiöse Dichtung niedergelegt und in altertümlicher Sprache abgefaßt. Sie wurden zunächst, wie damals üblich, nur mündlich überliefert und erst Jahrhunderte nach Zarathustras Tod schriftlich niedergelegt. In einem dieser Gesänge berichtet Zarathustra über seine Berufung (38, S. 98): "Als das Heilige mich durch den Engel umfing, als ich erstmals von Euch belehrt ward, da verhieß mein Eifer, für das zu wirken, was Ihr als das höchste Gut mich habt erkennen lassen, nur Leid mir unter den Menschen." Trotz der Ankündigung des ihm bevorstehenden schweren Schicksals hat Zarathustra nicht gezaudert, den ihm erteilten Auftrag des Erzengels anzunehmen und auszuführen. Gestärkt durch den Umgang mit ihm machte er sich daran, als Prophet den neuen Glauben zu verbreiten, einen Glauben, der nur einen einzigen Gott lehrte. In ihm wurden die alten Götter als Götzen verworfen. Wie vorauszusehen, stieß Zarathustra mit seiner neuen Lehre auf den heftigsten Widerstand der Priesterschaft und des Adels. Nach zehn Jahren vergeblichen Wirkens mußte er das Land vor den Verfolgungen seiner Gegner verlassen (38, S. 101). Etwa 590 v. Chr. zog er mit seinen Herden und dem Gesinde aus Baktrien fort und wandte sich nach Westen. In Chwaresmien (auch Chwarezm oder Chorezm genannt; es ist der heutige Landesteil Chorassan im Nordosten Persiens), im Reiche des Königs Wischtaspa, fand er eine neue Heimat und ein fruchtbares Wirkungsfeld. Schon zwei Jahre nach Za-

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