Leben nach dem irdischen Tod

- 18 - Die erste große Überraschung für mich war - ich möchte verstanden wissen, daß ich nun nach irdischer Auffassung 'tot' war - daß ich mich in der Lage fand, anderen Menschen beistehen und ihnen helfen zu können. Aus eigener schrecklichster Not heraus, fähig zu sein, anderen eine hilfreiche Hand zu bieten, erleichterte mir den Übergang sehr. Ich muß zugeben, daß ich in diesem Moment einfach baß erstaunt darüber war, plötzlich fähig zu sein, anderen zu helfen, so erstaunt, daß ich gar nicht daran dachte zu forschen, warum das so sei. Ich hatte gar keine Zeit zu gedanklicher Zergliederung. Diese kam erst später. Zunächst erwartete mich eine neue Überraschung, die darin bestand, daß ich eine Reihe von ehemaligen Freunden um mich versammelt fand, die bereits vor Jahren ins Jenseits hinübergegangen waren. Das war der Anlaß, mir die plötzliche Veränderung, die mit mir vor sich gegangen war, erst so recht bewußt werden zu lassen. Endlich besann ich mich auf mich selbst und war ein wenig bestürzt. Einige Augenblicke der Unruhe - ganz kurz nur - , dann wurde mir klar, daß mein augenblickliches Erleben die Realisierung dessen bedeutete, was ich schon auf Erden wußte. Meine irdische Überzeugung erwies sich jetzt also als volle Wahrheit. Der Wunsch nach einem 'Telefon' erfaßte mich plötzlich. Welch ein hervorragender Artikel für die Titelblätter meiner Zeitungen, schoß es mir durch den Kopf. Das war meine erste instinktive Reaktion. Dann fühlte ich Hilflosigkeit. Mich erfaßte der Gedanke an die Meinen zu Haus. Sicher wußten sie noch nichts. Was würden sie sich wohl für Sorgen um mich machen? Ich hatte das Empfinden, vor einem Telefon zu sitzen, das außer Betrieb war. Ich war dem irdischen Schauplatz meines Todes noch so nahe, daß ich alles genau beobachten konnte, was dort geschah. Vor mir sah ich das Wrack des Schiffes und die Menschen, die verzweifelt um ihr Leben kämpften. Das gab mir neuen Auftrieb. Ich konnte helfen! Und innerhalb weniger Sekunden - in viel kürzerer Zeit als sie brauchen, diese Zeilen zu lesen - wandelte sich mein Zustand tiefer Hilflosigkeit in zielbewußte Aktivität. Helfen, nicht hilflos sein, war mein einziger Wunsch und Gedanke. Ich hoffe, daß ich hilfreich war. Ich überspringe nun einiges. … Das Ende kam. Mir war, als ob man auf die Abfahrt eines Schiffes wartet und ausharrt, bis alle an Bord gegangen sind. Das heißt in diesem Falle, wir warteten, bis das Unglück vorüber, oder besser, vollends geschehen war: Die Geretteten gerettet, die Toten lebendig! Dann änderte sich ganz plötzlich die Szene. Für uns begann eine merkwürdige Reise. Wir waren eine ganz seltsame Mannschaft auf einer Reise mit unbekanntem Ziel. Dieses ganze Erleben war so unbeschreiblich phantastisch, daß ich nicht viel darüber sagen kann. Viele unter uns, die verstanden, was geschehen war, befanden sich in schrecklicher Ungewißheit und großer Sorge um ihre Angehörigen die sie zurückgelassen hatten und hinsichtlich ihrer eigenen Zukunft. Was würden wohl die kommenden Stunden für uns bereithalten? Würden wir vor den Meister gestellt werden? Was würde sein Urteil über uns sein? Der andere Teil war völlig niedergeschmettert und teilnahmslos allem gegenüber, was um uns vorging. Sie schienen nichts mehr zu verstehen und wahrzunehmen. Es waren geistige und seelische Wracks. Eine fremdartige und fast makabre Gesellschaft - fürwahr. Menschliche Seelen auf der Suche nach einem neuen Land, nach einem neuen Zuhause. Innerhalb weniger Minuten trieben bei dieser Katastrophe die toten Leiber Hunderter auf dem eiskalten Wasser. Hunderte von Seelen wurden gleichzeitig sozusagen 'lebendig durch die Luft befördert'. Ein mancher begriff, daß sein Tod gekommen war und war entsetzt darüber, nicht die Macht zu besitzen, sein irdisches Gut mit herüberzuretten. Sie kämpften verzweifelt zu retten, was ihnen auf Erden so wertvoll war. Die Szenen auf dem Schiff bei Beginn der Katastrophe waren, wie mir jeder glauben wird, gewiß alles andere als angenehm. Aber sie waren nichts gegen das, was dann geschah. Der Anblick der armen, so plötzlich aus dem irdischen Leben gerissenen Seelen war einfach grauenvoll. Es war gleichermaßen herzzerreißend wie abstoßend und ekelerregend. So warteten wir, bis alle versammelt und bereit waren, die große Reise ins unbekannte jenseitige Land anzutreten. Es wurde ein einzigartiges Erlebnis, viel fremdartiger und seltsamer, als ich es je erwartet hatte. Wir schienen uns mit ungeheurer Geschwindigkeit vertikal in die Luft zu erheben. Dabei bewegten wir uns alle gleichzeitig, so, als ob wir uns auf einer großen Plattform befänden, die mit gigantischer Kraft und Geschwindigkeit von unsichtbarer Hand senkrecht in den Raum geschleudert wurde. Trotzdem hatte ich keinen Moment das Gefühl der Unsicherheit. Wir bewegte uns anscheinend ganz systematisch und zielbewußt. Ich vermag nicht zu sagen, wie lange wir so dahinflogen, noch wie weit wir uns von der Erde entfernten. Doch die Ankunft war märchenhaft schön. Es war, wie wenn man aus einer düsteren neb-

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