- 19 - ligen englischen Landschaft sich plötzlich unter den herrlichen Himmel Indiens versetzt findet. Alles war Schönheit und Glanz. Wir sahen das Land schon von fern. Jene unter uns, die schon auf Erden entsprechendes Wissen gesammelt hatten, wußten, daß wir uns dem Ort nahten, an dem alle unvorbereitet aus dem Leben gerissenen Seelen ihre erste Heimstatt finden. Wir spürten, daß die ganze Atmosphäre heilsam wirkte. Sie durchströmte jeden Neuankömmling mit belebender Kraft und bewirkte, daß ein jeder sich rasch erholte und sein verlorengegangenes geistiges Gleichgewicht wiederfand. Wir kamen an, und - so seltsam es klingen mag - wir waren irgendwie stolz auf uns selbst. Alles um uns war so licht und lebendig, alles so wirklich, ja geradezu physisch, in dieser letzteren Hinsicht in jeder Weise so real wie die Welt, die wir gerade eben verlassen hatten. Ein jeder der Ankommenden wurde sogleich von einer Gruppe alter Freunde und Verwandter, die ihm auf Erden nahegestanden hatten, herzlichst in Empfang genommen. Dann trennten wir uns, die wir die schicksalhafte Reise von jenem unglückseligen Schiff bis hierher gemeinsam bestanden hatten. Ein jeder war wieder freier Herr seiner selbst, umringt von einer kleinen Schar lieber Freunde, die ihm den Weg in dieses Land vorangegangen waren. Ich habe euch nun ein wenig von unserer seltsamen Reise und der Ankunft im jenseitigen Land erzählt. Als nächstes will ich von meinen ersten Eindrücken und Erfahrungen berichten. Vorausschicken möchte ich noch, daß ich nicht genau angeben kann, in welcher Zeit nach der Schiffskatastrophe ich diese ersten Erlebnisse hatte. Das ganze bisherige Erleben schien mir eine ununterbrochene Folge von Geschehnissen zu sein; ich bin dessen aber nicht ganz sicher. Ich befand mich zu jener Zeit in Gesellschaft zweier lieber Freunde, deren einer auf Erden mein Vater war. Er kam und blieb bei mir, um mir zu helfen und mich mit meiner neuen Umgebung bekanntzumachen. Es war nicht anders als bei einer irdischen Reise in ein fremdes Land, wo man von einem Vertrauten empfangen wird, der einem die ersten Schritte in dieser fremden Gegend erleichtern hilft. Das war für mich eine beinahe sensationelle Feststellung. Die Schreckensszenen während und nach dem Schiffsuntergang gehörten bereits der Vergangenheit an. Aufgrund der Fülle von überwältigenden Eindrücken in der kurzen Zeit meiner jenseitigen Reise schienen die vielleicht in der vergangenen irdischen Nacht gehabten grauenvollen Erlebnisse bei der Katastrophe bereits um 50 Jahre zurückzuliegen. Aus diesem Grund vergällte uns kein Kummer um die so jäh verlorenen irdischen Angehörigen die erste Freude an der Schönheit des jenseitigen Landes. Ich will damit nicht sagen, daß keiner unglücklich war. Viele waren es, aber nur deshalb, weil sie die Zusammenhänge zwischen irdischem und jenseitigem Leben nicht erkannten und deshalb dem ganzen Geschehen verständnislos gegenüberstanden. Für uns aber, die wir um die tieferen Zusammenhänge wußten und unsere Möglichkeiten kannten, galt das natürlich nicht. Unsere damalige Gefühlslage läßt sich etwa mit den Worten skizzieren: Laßt uns erst einmal ein wenig unser neues Leben und unseren Aufenthalt genießen, bevor wir dann alle Neuigkeiten nach Hause berichten. So machten wir uns also wenig Kummer und Sorgen in dieser ersten Zeit nach unserer Ankunft. Um nun auf meine ersten Erfahrungen zurückzukommen, so muß ich zu ihrer Darstellung ein wenig in Einzelheiten gehen. Ich bin glücklich, sagen zu können, daß ich noch immer meinen alten Sinn für Humor besitze. Ich weiß, daß das im folgenden zu Berichtende alle Skeptiker und Spötter, die meine hier beschriebenen Erlebnisse als Humbug ablehnen, ganz besonders amüsieren wird. Nun, ich habe nichts dagegen. Ich bin sogar erfreut darüber, daß mein Büchlein sie wenigstens auf diese Art und Weise irgendwie beeindrucken wird. Und schließlich, wenn dann ihre eigene Zeit für den großen Wechsel gekommen sein wird, werden sie sich in derselben Lage befinden, über die ich gleich berichten werde. Deshalb und mit Humor für diese Leute sage ich: 'Bleibt nur bei eurer Meinung, es macht mir gar nichts aus.' Mein Vater, mein Freund und ich machten uns also gleich auf den Weg. Eine recht kuriose Feststellung machte mir dabei einiges Kopfzerbrechen: Ich war genauso angezogen wie stets früher auf Erden, und es war mir nicht möglich zu begreifen, daß und wieso ich meine Anzüge hierher mitgebracht hatte. Das Nummer eins, Herr Skeptiker. Mein Vater war ebenfalls so gekleidet, wie ich ihn von früher her kannte. Alles und jeder schien ganz 'normal', so wie auf Erden. Wir gingen ganz normal miteinander aus und nahmen, wie gewohnt, alsbald eine Erfrischung. Dann folgten wie üblich lange Gespräche und Nachfragen nach gemeinsamen Freunden auf beiden Seiten. Ich konnte ihnen darüber vieles Interessante berichten,
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