- 70 - usw., aber bei ihr sitzen bleiben und die Umschläge machen konnte keine, da die Nachbarsleute auch zumeist arm waren und selbst die Hände voll zu tun hatten. Am dritten Tag wurde ihr plötzlich schlecht. Die Kinder liefen um Hilfe, doch bis der Armenarzt kam, konnte er nurmehr den Tod der armen Frau André konstatieren. Am nächsten Tag kam der Totenbeschauer und dann eine Frau, die die Tote wusch und anzog. Als sie fort war, kletterten die kleineren vier Kinder auf das Bett der Mutter. Laut jammernd und weinend schüttelten und rüttelten sie die Tote hin und her, sich über sie werfend und sie immer wieder rufend. Nachdem sie sie etwa zehn Minuten auf diese Art bearbeitet hatten, hob ein schwerer Seufzer die Brust der Entschlafenen, dann noch einer - und sie hob mühsam die Augenlider. Kaum hatten die Kinder dies bemerkt, als sie sich mit lautem Jubel von neuem auf sie warfen, sie in die Höhe zerrten, und es dauerte keine fünf Minuten, so hatten sie ihre Mutter wieder lebend und bei vollem Bewußtsein. Das ganze Städtchen lief über das Wunder zusammen, man überhäufte die Wiedererstandene mit Lebensmitteln und Geld, und nach zwei bis drei Wochen saß sie wieder munter und tüchtig hinter ihrem Stand. So lebte sie nach diesem Vorfall noch 58 Jahre lang. Nie hatte sie mehr eine Krankheit heimgesucht. Alle ihre Kinder sind ihr im Tode vorangegangen(!), und sie war nicht imstande, nur eines von denen dem Tode abzuringen, die sie einmal von dort zurückgerufen hatten, von wo es angeblich keine Wiederkehr gibt. Über 30 Stunden waren es gewesen, die sie als Tote verbracht hatte. Sie erzählte darüber folgendes: 'Als mich plötzlich ein arges Unwohlsein überkam, fühlte ich, wie mir die Sinne schwanden. Dann fühlte ich eine starke, schaukelnde Bewegung, als ob sich das Bett unter mir hob und senkte. Dann war es mir, als ob ich von irgendeiner Höhe hinabstürzte, tiefer und immer tiefer. Ein schreckliches Angstgefühl und furchtbare Beklemmung war alles, was ich wußte. Plötzlich schien es mir, als ob ich Boden unter den Füßen bekommen hätte, und ich stand auf einer Heide. Weit und breit war nur eine öde, steppenartige Gegend sichtbar. Vor mir ein holperiger, ausgetretener Fußweg schien in diese Endlosigkeit hineinzuführen. Eine eigentümliche Dämmerung vervollständigte noch die Trostlosigkeit dieser Gegend. Es erschien alles wie an einem naßkalten Herbstabend, grau und unfreundlich. Ich stand einen Augenblick ganz ratlos und unschlüssig. Da erhellte sich plötzlich ein kleiner Teil des Firmamentes in der Gegend, wo der Weg hinführte. Ein Lichtschein wurde heller und immer heller, gerade als ob die Sonne an einem recht nebeligen Morgen sich durch Dunst und Wolken kämpft. - Ich weiß nicht, bin ich dem Lichtschein entgegengegangen oder kam er mir entgegen? - Plötzlich ist es um mich herum hellichter Tag geworden, und ich stand zu meiner größten Überraschung unter einer Schar von Bekannten, die mich alle aufs herzlichste begrüßten! Es waren alle meine Lieben, die mir vorangegangen waren; meine Eltern, Geschwis-ter, meine beiden Gatten ... ein unendliches Glücksgefühl hatte sich meiner bemächtigt, eine nie gekannte Ruhe und Heiterkeit. Sie umringten mich jubelnd, und in ihrer Mitte schritt ich vorwärts, einem unsichtbaren Ziele zu. Da erschütterten mich plötzlich heftige Stöße, ich wankte, man fing mich in den Armen auf, und bedauerlich hörte ich einige bekannte Stimmen sagen: 'Also ist sie heute nur auf Besuch zu uns gekommen? Und bleibt noch nicht bei uns? - Wann kommt sie ganz zu uns?' - Dann schwanden mir die Sinne, ich verspürte wieder die schaukelnde, fallende Bewegung; es schlugen verworrene Stimmen an mein Ohr. Man rief mich - mühsam öffnete ich die Augen, ich lag im Bett, meine Kinder schrien durcheinander. 'Sie lebt! Sie lebt wieder!' - Ich war ja froh, daß ich meinen Kindern wiedergegeben wurde. Aber wenn ich allein war, überkam mich stets eine unendliche Sehnsucht nach jener Gegend, gleichsam, als hätte ich dort meine Heimat. Und in späteren Jahren erst recht, als mich ein Kind nach dem anderen verließ. Und ich warte mit Ungeduld auf den Tag, da ich ihnen folgen darf. Leider läßt er so lange auf sich warten." In dem folgenden Fall ist eine trauernde Mutter nicht durch ein gütiges Geschick vor dem Selbstmord bewahrt geblieben. Sie hat ihn sofort nach dem Tode ihres Sohnes vollzogen. Die Begebenheit wird uns von Allan Kardec geschildert. Er arbeitete ab 1856 mit dem französischen Medium. Madame Japhet (Pseudonym für Célina Bequet) und anschließend mit einem Monsieur Roze als Medium zusammen. Mit diesem
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