Nachtodliche Schicksale

- 215 - Das Wilde Heer im Odenwald I. Geschichtlicher Überblick Im Jahre 1954 erschien in der Zeitschrift für Parapsychologie "Neue Wissenschaft" (46) von Alfons Rosenberg ein Aufsatz "Der Landgeist von Burg Rodenstein". In ihm bezieht er sich auf ein 1825 erschienenes 111 Seiten umfassendes Buch des großherzoglich hessischen Beamten Heinrich Zehfuß (53) mit dem Titel "Die Herren von Rodenstein nebst der Sage von den Wandergeistern auf Schnellerts und Rodenstein". Ausgehend von der Zehfußschen Veröffentlichung berichtet Rosenberg, daß sich südlich vom Fränkisch-Crumbach im Odenwald (Hessen) zwei Burgruinen mit Namen Rodenstein und Schnellerts befinden, die 6 km voneinander entfernt liegen. Über diese Burgruinen gibt es folgende in den verschiedensten Formen ausgeprägte Sage (51, S. 50): Vor vielen Jahrhunderten lebte ein Ritter von Rodenstein, der ein wilder, rauflustiger Kämpe war, und sowohl die Schlacht, als auch die Jagd liebte. Obwohl eigentlich den Frauen abgeneigt, hatte er schließlich doch ein sehr schönes Edelfräulein geheiratet. Diese übte einen mäßigenden Einfluß auf ihn aus, so daß er sich von Turnieren, Jagden und Raufhändeln zurückhielt. Eines Tages erwachte jedoch seine alte Kampfeslust, weil er mit einem Nachbarn in Fehde geriet. Inzwischen war seine Frau jedoch schwanger geworden. Als der Ritter nun zu seinem Kampf ausziehen wollte, hing sich seine Frau an ihn und wollte ihn nicht gehen lassen. Doch rauh wie er war, stieß er sie fluchend von sich und stürzte hinaus. Die Frau fiel dabei zu Boden, erlitt am selben Tag eine Frühgeburt und starb in den Wehen. Der Ritter belagerte inzwischen die Burg seines Feindes. Da erschien ihm nachts eine bleiche, weiße Gestalt, von Ferne heranschwebend. Als sie näher kam, erkannte er in ihr seine verstorbene Frau, die ihr totes Kind auf dem Arm trug. Sie sprach ihn an und sagte: "Du hast Weib und Kind deiner Kampfeslust geopfert, so verfluche ich dich, daß du in Zukunft immerdar kämpfend umherziehen mußt und dem Lande Krieg und Frieden verkündest." - Und dieser Fluch ging in Erfüllung. So wurde der Ritter von Rodenstein der Kriegsbote für das ganze Deutsche Reich. Er haust mit einem Geisterheer in Friedenszeiten in den Ruinen der Schnellertsburg. Bricht aber ein Krieg aus oder steht er kurz bevor oder nähern sich Heereszüge dem Odenwald oder geschieht sonst ein schreckliches Ereignis, so zieht der Ritter mit seinem unsichtbaren Heer mit Sausen und Brausen, mit Hufegetrappel und Waffengeklirr, mit Räderrollen und Trommelwirbel durch die Luft von der Schnellertsburg in die westlich gelegene Burg Rodenstein. Erfolgt später der Friedensschluß oder steht er kurz bevor, so zieht das Wilde Heer den entgegengesetzten Weg und kehrt in seine Friedensgarnison zurück. So weit in kurzen Worten die Sage. Sie hat keinen urkundenmäßig nachweisbaren geschichtlichen Hintergrund. Keiner der Herren von Rodenstein hat durch Taten oder Schicksale den Anlaß zu dieser Sage gegeben (41, S. 31). Was aber seit Jahrhunderten geschichtlich nachweisbar ist, sind seltsame meteorologisch-akustische Erscheinungen, die, so scheint es jedenfalls, in irgendeiner Weise mit Krieg und Frieden, Glück und Unglück zusammenhängen. Es werden tatsächlich im Bereich der beiden Burgruinen oder häufig von einer zur anderen ziehend, hörbare, brausende Erscheinungen in der Luft wahrgenommen, manchmal mit ganz engbegrenzten Winderscheinungen verknüpft, in welche die Menschen Pferdegetrappel, Waffengeklirr, Peitschengeknall oder ähnliches hineingehört oder hineingedeutet haben. Dabei sind die Erscheinungen so, daß man sie nicht einfach als normale Sturmböen oder andere WettererscheiTitelblatt eines Buches über das Wilde Heer im Odenwald

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