Psychowissenschaftliche Grenzgebiete
 
Thema: Das Fortleben nach dem Tode (9)


   

14. Schlußfolgerungen aus dem Erfahrungsmaterial

Welche Schlüsse lassen sich nun aus dem vorgetragenen und dem zahlreichen sonstigen in der Literatur berichteten Erfahrungsmaterial ziehen, wenn man es als wahr annimmt?

Die Informationen einzelner Verstorbener bestehen offenbar weiter, aber nicht "leblos" wie in einem Buch abgedruckt, sondern kommunikations- und aufnahmefähig mit allen Merkmalen der früheren Persönlichkeit. Nach Definition im physikalisch-nachrichtentechnischen Sinn ist das dann Fortleben, ganz gleich, wo man die Fortexistenz annimmt. Diese Auffassung ist unter dem Namen "Spiritistische Hypothese" oder "Spiritistische Theorie" bekannt geworden.

Manch einen mag eine solch einfache Beweisführung nicht überzeugen. Hier werden ja auch keine mathematischen Beweise vorgelegt, sondern nur sog. Erfahrungsbeweise, wie sie im täglichen Leben und auch vor Gericht als Indizienbeweise ständig verwendet werden. Viele Menschen machen sich außerdem gar nicht klar, daß die tiefsten Grundlagen aller Wissenschaften nicht exakt beweisbar sind, sondern immer auf irgendwelchen Annahmen oder Axiomen oder Grundprinzipien beruhen, die nicht beweisbar sind. Auch in der Physik, die doch als sog. exakte Naturwissenschaft gilt, sind sehr wichtige Gesetzmäßigkeiten nicht exakt beweisbar. So ist z. B. das 1687 von Isaac Newton formulierte Trägheitsgesetz: "Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern" ein reiner Erfahrungssatz, d. h. die Schlußfolgerungen, die aus dem Satz zu ziehen sind, werden durch die Erfahrung bestätigt. Ein unmittelbarer Beweis dieses Satzes ist unmöglich, da wir keinen Körper äußeren Einflüssen völlig entziehen können. Man nennt das dann (6, S. 452): "eine erkenntnistheoretische Voraussetzung, die auf keine Weise bewiesen werden kann, ohne die man indessen nicht weiterkommt".

Eine ähnliche Lage liegt in der Wärmelehre vor. Bei der Temperaturfestlegung geht man nämlich von der nicht beweisbaren Annahme aus, daß Änderungen von Körpereigenschaften (z. B. Volumen, elektrische Eigenschaften usw.) in gesetzmäßiger Weise von ihrem Körperzustand, den wir Wärme nennen, abhängen. Die Physiker L. Bergmann und Cl. Schäfer sagen dazu (6, S. 451): "Will man diese Annahme nicht machen - und man kann auf logischem Wege nicht dazu gezwungen werden - so muß man auf eine wissenschaftliche Behandlung der Wärmelehre verzichten."

Ähnlich ist es in der Parapsychologie. Niemand kann auf logischem Wege dazu gezwungen werden, die spiritistische Hypothese durch Erfahrungs- und Indizienbeweise als "bewiesen" anzusehen. Aber dieser muß dann eben auch auf eine wissenschaftliche Behandlung nachtodlicher Zustände und Entwicklungen verzichten. Er wird nie auf den Gedanken kommen, etwa das Leben nach dem Tode erforschen zu wollen. Für ihn wird jeder Spukfall nur reine Psychokinese von Menschen sein, die materiell auf dieser Erde leben. Ein solcher wird nie auf den Gedanken kommen, in bestimmten Spukfällen etwa mit einem "verstorbenen Spukverursacher" Verbindung aufzunehmen, ihn über seinen Zustand aufzuklären und zu veranlassen, den Spuk einzustellen. Ein Gegner der spiritistischen Hypothese läßt höchstens Menschen, die von dem Spuk betroffen sind, psychologisch oder psychiatrisch auf neurotische Symptome untersuchen.

Natürlich bleibt festzuhalten, daß im wissenschaftlichen Sinn die Annahme vom Fortleben nach dem Tode nur eine Hypothese ist. "Exakte" Beweise gibt es dafür nicht, wie es überhaupt in keiner Wissenschaft "exakte Beweise" für ihre Grundlagen gibt. Die angeführten Erfahrungs- oder Indizienbeweise gelten außerdem nur für einzelne Individuen, keinesfalls erstrecken sie sich aber auf alle Individuen dieser Welt. Es ist also ein kühner Schluß, wenn man von den Indizien des Fortlebens einzelner Menschen auf das Fortleben aller Menschen schließt. Es bleibt dem einzelnen überlassen, ob er auch diese Annahme macht.

Es ist weiter zu bemerken, daß das Erfahrungsmaterial der Parapsychologie keinerlei Hinweise gibt auf etwas, was wir "Unsterblichkeit" nennen. Fortleben nach dem irdischen Tode und Unsterblichkeit sind ja zwei verschiedene Dinge. Die Erfahrungen der Parapsychologie reichen nur in den unmittelbaren Bereich nach dem Tode hinein.

Aber trotz allem ist die Überlebenshypothese wichtig (52). Ohne einen ausreichenden Vorrat von Hypothesen verarmt jede Wissenschaft. Hypothesen sollen einer Forschung den Weg weisen. Sie sollen zum sinnvollen Suchen anregen, sie sollen uns Richtlinien geben, die in die Zukunft weisen. Zur Überlebenshypothese ist hier zu sagen, daß auch sie, wie das Trägheitsprinzip in der Physik, uns in die Lage versetzen soll, uns auf künftige Situationen einzustellen, und zwar auf Situationen unseres nachtodlichen Lebens. Das Trägheitsprinzip gibt, obwohl nicht exakt beweisbar, aber unzählige Male in seinen Schlußfolgerungen bestätigt, Richtlinien für physikalisch sinnvolles Handeln. Die Überlebenstheorie kann uns, wenn wir sie annehmen, Verhaltensrichtlinien für unser Leben geben, sie kann uns Einblicke in Zusammenhänge geben, die wir sonst nicht durchschauen, die uns sonst sinnlos erscheinen.

Wenn wir das an Erkenntnis annehmen, was uns aus der Welt angeboten wird, in die wir nach unserem Tode eintreten, wenn wir es sorgfältig prüfen und verwerten und die Richtschnur unseres Handelns darauf entsprechend ausrichten, können wir Menschen mit mehr Ruhe und Gelassenheit durch das Leben gehen. Auch Schicksalsschläge werden uns, wenn wir das irdische Leben nur als Durchgangsstation zu einem nachtodlichen Leben ansehen, nicht in dem Maße umwerfen, wie sie es tun, wenn der Tod für uns unwiderrufliche Endstation ist.

Ähnliche Hilfe wollen uns ja auch die Religionen dieser Erde geben, insbesonders auch das Christentum. Das Christentum und sein Vorläufer, die Mosaische Religion, kannten sogar Zeiten der ständigen unmittelbaren Verbindung mit der jenseitigen Welt und der Welt Gottes. Die Annahme der Überlebenshypothese und die Beschäftigung mit ihren Erfahrungsberichten kann auch Einfluß auf die religiöse Haltung eines Menschen ausüben. Dazu äußert sich der schweizerische evangelische Theologieprofessor Fritz Blanke (9) mit folgenden Worten:

"Unsere theologische Parole gegenüber den parapsychologischen Dingen lautet also nicht einfach in globo: Hände weg! Diese Mahnung gilt gegenüber der Magie. Sie, die sich Gottes selber bemächtigen will, ist für die Seele eine Gefahr. Aber es wäre unwahr und ungerecht, wollten wir die Beschäftigung mit der Parapsychologie allgemein als seelengefährlich hinstellen. Es gibt Menschen, die der Parapsychologie einen inneren Fortschritt verdanken, Menschen, die, versunken im Materialismus und Rationalismus, dem Okkulten begegneten und daraufhin an ihrer bisherigen Weltanschauung zu zweifeln begannen. Und dieser Zweifel endete damit, daß sie wieder zu Religion und Christentum zurückfanden.

Gewiß, es gibt auch immer wieder Personen, die im Parapsychologischen stecken bleiben und es geradezu als Ersatzreligion gebrauchen. Aber das muß nicht sein. Es gibt, wie gesagt, andere Menschen, die auf dem Umwege über die Parapsychologie und ihre Geheimnisse zum ersten Mal wieder auf die Welt Gottes aufmerksam wurden. Ich weiß von solchen, die, angeregt durch die Parapsychologie, wieder zum Neuen Testament griffen und denen vieles an den biblischen Schriften wieder glaubwürdig wurde. Von mir selbst muß ich bekennen, daß mir durch die Kenntnis der parapsychologischen Tatsachen wieder ein neuer Zugang zur biblischen Wirklichkeit der Engel und Dämonen eröffnet wurde. Ich bin heute weniger als jemals bereit, die Auffassung der Bibel, daß es Gewalten und Mächte zwischen Himmel und Erde gibt, als mythologischen Ballast über Bord zu werfen. Nicht, als ob die Parapsychologie den Glauben ersetzte, aber die Ergebnisse parapsychologischer Forschung schaffen für den Glauben Raum, und darum ist die junge Wissenschaft der Parapsychologie, richtig verstanden, eine hilfreiche Brücke zum Vollzuge christlicher Existenz. Wenn wir Theologen den Menschen der Gegenwart wirklich dienen wollen, so haben wir alle Veranlassung, das parapsychologische Forschen ernst zu nehmen und es gewissenhaft zu verarbeiten."
 

In dem nachfolgenden Band (Leben nach dem irdischen Tod) wird vorgetragen und beurteilt, was uns aus der jenseitigen, nachtodlichen Welt an Nachrichten, Auskünften und Belehrungen auf medialem Wege zufließt. Hier soll zum Abschluß nur eine Durchgabe angeführt werden, die 1982 durch ein Trance-Medium in Zürich, Frau Beatrice Brunner (1909-1983), mitgeteilt wurde. Das durch sie sprechende jenseitige Wesen hat über 30 Jahre hindurch in meist öffentlichen Veranstaltungen seine Schilderungen vorgetragen und sagte am 16. Oktober 1982 (24, S. 15):

"Überhaupt sollte man von der feinstofflichen Welt Schilderungen bringen und den Menschen eindringlich klarmachen, daß das Leben nach dem Abscheiden weitergeht und daß dort - ich sagte es schon - alles offenbar wird, was man im Erdenleben getan, gesagt und gedacht hatte. Denn das Leben des Menschen hat ja so tiefbedeutsamen Sinn! Doch werft einmal einen Blick auf jene Menschen von heute, die sich kein Gewissen daraus machen, zu stehlen, zu rauben, Menschen umzubringen. Sie zeigen damit, daß sie keinerlei Verantwortungsbewußtsein besitzen. Sie kennen den Sinn ihres Lebens nicht, geschweige den Sinn der Schöpfung.

Was aber hat die Religion dem Menschen zu sagen? Religion erfordert, dem Menschen die Wahrheit zu offenbaren. Doch darf der Mensch vor der Wahrheit nicht davonlaufen! Er will die Wahrheit einfach nicht hören. Ihm muß man in aller Deutlichkeit klarmachen, daß er auf Erden nur Gast ist. Gott hat ihm für die Zeit seines Erdenlebens Gastrecht eingeräumt. Aber ebendieser Gastgeber, zu dem der Mensch ja zurückkehrt, wird ihn nach seinem Abscheiden zur Rechenschaft ziehen. Freilich: ein Mensch, der weder die Ursache der Schöpfung noch den Sinn seines Erdenlebens kennt, sagt leichthin: 'Das glaube ich nicht. Wenn ich gestorben bin, ist alles aus!' Solche Menschen haben weder zu Gott noch zu seiner feinstofflichen Welt eine Beziehung. Ihnen ist die geistige Welt gleichgültig, fremd.

Trotzdem sollte es mit der Zeit möglich werden, dem Menschen die Verantwortung aufzuzeigen, die er trägt - für sich selbst wie für seine Mitmenschen. 'Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde.' Also trägt der Mensch in sich das 'Bildnis Gottes'... Es lohnte sich für den Menschen, darüber nachzusinnen.

So vieles gibt es für mich zu sagen und zu erklären. Auch mir fällt es schwer, es in einer Weise zu tun, die das Gesagte euch verständlich macht, so daß ihr glauben könnt und anfangt, euch mit der Wahrheit zu befassen."
 
 
 
 

15. Der Gegensatz Spiritismus – Animismus

Für die bisher vorgetragenen Tatbestände gibt es auch eine völlig andere Hypothese, zusammengefaßt unter dem Namen "Animistische Hypothese", im Gegensatz zu der bislang nahegelegten sog. "Spiritistischen Hypothese".

Die Vertreter der animistischen Hypothese führen alles bisher Geschilderte auf eine sehr weit gefaßte außersinnliche Wahrnehmung (Super-ASW-Theorie) zurück, gegebenenfalls in Verbindung mit Psychokinese lebender Menschen.

In manchen Fällen wird die spiritistische Hypothese auch als "unwissenschaftlich" bezeichnet. So heißt es in einem Lexikon der Parapsychologie (10, S. 26):

"Wissenschaftstheoretisch ist die spiritistische Hypothese weder beweisbar noch widerlegbar, der Animismus hingegen ordnet sich unserem Wissenschaftsbegriff ein. Vielen erscheint die spiritistische Erklärung - meist in der Form, der Geist eines Verstorbenen bewirke das Phänomen - jedoch leichter annehmbar als die animistische; tatsächlich müssen im konkreten Fall zur Verteidigung des Animismus oft recht gewagte Konstruktionen herhalten, andererseits bleibt die spiritistische Möglichkeit in der Sphäre des Glaubens und damit außerhalb der Wissenschaft."

Dazu muß man sagen, daß es reine Willkür ist, die spiritistische Hypothese, die in sich folgerichtig und schlüssig ist und sich auf gewichtige Indizien stützt, einfach aus der Wissenschaft auszuschließen. Ein solches Vorgehen vereinfacht aber das Verfahren, weil man dann die Erfahrungsbeweise, die für die spiritistische Hypothese sprechen, nicht mehr ernsthaft zu erörtern braucht.

Der bekannteste Vertreter der animistischen Auffassung im deutschsprachigen Raum war der Freiburger Psychologe und Parapsychologe Prof. Hans Bender (geb. 1907, gest. 1991). In seinem Buch "Unser Sechster Sinn" heißt es (5, S. 96):

"Der Streit zwischen 'Animismus' und 'Spiritismus' - Rückführung der Phänomene auf Fähigkeiten Lebender contra Verbindung mit Jenseitigen - wird seit bald hundert Jahren unter dem genannten Stichwort ausgetragen. Das Bemühen um Vorurteilslosigkeit gebietet zuzugeben, daß der Unbeweisbarkeit der spiritistischen Hypothese auch die Unbeweisbarkeit gegenübersteht, daß sie nicht richtig sein kann. Nach allem, was die Parapsychologie bisher erarbeitet hat, ist aber die animistische Deutung viel näherliegender und wahrscheinlicher, doch ist andererseits die Unrichtigkeit der spiritistischen Hypothese nicht zwingend beweisbar."

Die Ansichten darüber, was wahrscheinlicher ist, gehen unter Fachleuten sehr auseinander. Der katholische Theologe Prof. Gebhard Frei, Mitbegründer und erster Präsident von IMAGO MUNDI, stellt jedenfalls fest (22, S. 104):

"Das Resultat der bisherigen Überlegungen ist, daß sicher der weitaus größere Teil derer, die sich überhaupt ernstlich und eingehend mit parapsychologischen Fragen beschäftigt haben, oft nach langem Ringen, zum Schluß kamen, eine gewisse Summe von Phänomenen könne nur durch das Hereinwirken Jenseitiger erklärt werden. Also könne die Parapsychologie empirisch das Überleben des Todes, was begrifflich mit 'Unsterblichkeit' im strengeren Sinne noch nicht identisch ist, beweisen".

In "ähnlicher Weise äußert sich der britische Physiker George Tyrrell, von 1944-46 Präsident der Society for Psychical Research. Er schreibt (61, S. 228):

"Alles läuft darauf hinaus, daß die parapsychischen Phänomene sehr dafür sprechen, daß es Kommunikationen mit Verstorbenen wirklich gibt. Natürlich ist es möglich, diese Schlußfolgerung zu umgehen, aber nur, wenn man eine noch ungewöhnlichere Hypothese einführt. Die Tatsachen sind ganz klar. Man kann sich ihrer nicht entledigen, indem man sich schweigend darüber hinwegsetzt, seinen Blick abwendet oder verfälschend darüber berichtet. Früher oder später wird man sich mit ihnen auseinandersetzen müssen."
 
 

Prof. Bender hält solchen Auffassungen entgegen (4, S. 8):

"Persönlich möchte ich bemerken, daß ich durchaus bereit bin, mich von einem zwingenden Beweis überzeugen zu lassen und keine Vorurteile gegen die Hypothese des Überlebens habe. Doch fühle ich mich als Wissenschaftler an den alten scholastischen Grundsatz verpflichtet 'Entia non sunt numeranda praeter necessitatem' - Prinzipien sollen nicht über das notwendige Maß hinaus erweitert werden. Auf die Kontroverse Animismus - Spiritismus angewandt, heißt das: Wir machen als Parapsychologen bei spontanen Phänomenen und im Laboratorium ständig die Erfahrung von den Raum und die Zeit transzendierenden Fähigkeiten der leibgebundenen Psyche. Wir verfügen aber über keine unmittelbare Erfahrung, daß die Psyche als personale Entität leibfrei existieren kann."

Ebenso sagt Bender (17, S. 186):

"Wenn eine Äußerung, die sich auf etwas bezieht, was nur ein Verstorbener wußte, überhaupt verifiziert werden kann, muß die Verifikationsquelle entweder telepathisch oder hellseherisch, also im Rahmen der 'animistischen Deutung' erreichbar sein. Ich halte einen strengen Beweis der spiritistischen Hypothese für ausgeschlossen."
 
 

Zu diesen Ausführungen ist folgendes zu sagen:

  1. Die Meinungen gehen wiederum darüber auseinander, ob nun die Einführung der Super-ASW-Theorie oder die Einführung des sog. Astralleibes und einer feinstofflichen, jenseitigen Welt die weitergehende Erweiterung der Prinzipien oder Annahmen ist.

  2. Kein Parapsychologe der spiritistischen Richtung behauptet, daß die Psyche den Tod leibfrei überlebt. Sie existiert in einem Leibe weiter, nur ist er besonderer Art und wird Astralleib genannt oder mit anderen Namen belegt.

  3. Zwingende Beweise kann man in dieser Welt weder in irgendeiner Wissenschaft, noch im täglichen Leben, noch im Gerichtswesen erbringen. Alle Wissenschaften beruhen auf irgendwelchen Annahmen und Grundprinzipien, die nicht beweisbar sind. Trotzdem werden Wissenschaften betrieben. Ebenso werden vor Gericht Prozesse geführt, obwohl Geständnisse, Zeugenaussagen und Indizien falsch sein können und es manchmal auch sind.
Eine absolute Sicherheit ist also nirgends zu erreichen. Wer bereit ist, nur bei absoluter Sicherheit etwas zu unternehmen und sich nur durch "zwingende" Beweise überzeugen läßt und das konsequent durchhält, ist zu absoluter Untätigkeit verurteilt.

Die Beweisschranke wird von den Animisten in der Parapsychologie so hoch gehängt, daß sie nie übersprungen werden kann. Ganz folgerichtig sagt Bender dann auch, daß er einen strengen Beweis der spiritistischen Hypothese für ausgeschlossen hält.

In allen anderen Wissenschaften gibt man sich schon mit sehr viel geringwertigeren "Beweisen" zufrieden, besonders auch in der Psychologie. Ja es gibt einen Fall, wo man nur von sich selbst ohne jeden Beweis auf alle anderen Menschen schließt. Gemeint ist hier das Ich-Bewußtsein und die Wahrnehmung der Sinneseindrücke (Farben, Töne usw.). Jeder geht davon aus, daß, abgesehen von pathologischen Fällen, auch alle anderen Menschen im wesentlichen die gleichen inneren Empfindungen haben wie man selbst. Einen halbwegs stichfesten Beweis gibt es dafür aber nicht. Schließlich kann man ja die Berichte anderer über ihre inneren Empfindungen, die man in keiner Weise kontrollieren kann, nicht als strenge Beweise im wissenschaftlichen Sinn ansehen.

In der Philosophie gilt der Grundsatz, daß die Beweiskraft eines Beweises sich nach der Stärke der Beweisgründe richtet. Was will und kann man aber in der Parapsychologie mehr erwarten, als wenn Verstorbene leibhaftig wiedererscheinen, sich ausfragen, betasten und sogar Herz- und Pulsschlag prüfen lassen. Und das nicht einmal, sondern Tausende von Malen. So geschehen bei Einer Nielsen, Carlos Mirabelli und anderen.

Dieses gewichtige Material wird aber meist in seiner Echtheit angezweifelt. Es wird behauptet, die ganzen Materialisationserscheinungen seien vorgetäuscht, die Bilder Fotomontagen, alle Materialisationsmedien seien Schwindler und die Beobachter und Untersucher (teils bedeutende Naturwissenschaftler, teils Laien) seien leichtgläubige Idealisten. Diese Vorwürfe sind schon gegen Crookes, Zöllner und Schrenck-Notzing erhoben worden. Sie haben sich aber kräftig dagegen zur Wehr gesetzt. Trotzdem wurden die Vorwürfe weiterhin aufrechterhalten und weiterverbreitet, mochten die "Enthüllungen" auch noch so fadenscheinig sein.

Natürlich gibt es auch in der Parapsychologie und unter Medien Schwindler. Die sind in jeder Bevölkerungsgruppe und in jedem Berufsstand vorhanden. Ich selbst habe auch schon schwindelhafte Materialisations-Demonstrationen gesehen. Zwei meiner Bekannten, von mir ausgerüstet mit einem Infrarot-Nachtsichtgerät, konnten ähnliche Beobachtungen in Camp Silver Belle (U.S.A.) und Brasilien machen. Aber diese und andere Demonstrationen waren auch schon vor der Benutzung von Nachtsichtgeräten als äußerst verdächtig anzusehen. Die Medien saßen unkontrollierbar in großer Entfernung von den Beobachtern, die Beleuchtung war äußerst schlecht, alle Kontrollmaßnahmen waren verboten, meist sogar die Benutzung von Tonbandgeräten untersagt. Hier wurde niemals das Entstehen und Vergehen der Phantome und das Herausfließen des Ektoplasmas aus dem Medium unmittelbar beobachtet.

Bei Nielsen wurde das aber von wissenschaftlich geschulten Beobachtern oft unter einwandfreien Bedingungen gesehen. Trotzdem ist aber auch Nielsen von der Verdächtigung der Täuschung nicht verschont geblieben. Im Mai 1915 wurde er sogar aufgrund einer nicht beweisbaren Verdächtigung (26, S. 124) für zwei Tage in Untersuchungshaft genommen. Unmittelbar danach fanden erneut Kontrollversuche mit Nielsen statt, bei denen er sich vorher nackt ausziehen mußte und dann in fremde Kleider gesteckt wurde (26, S. 126 f). Außerdem fanden die Versuche nicht in seinem Hause statt. Trotzdem erschienen Phantome und traten andere physikalische Phänomene auf. Die von den Untersuchern unterschriebene Ehrenerklärung hat aber nicht dazu geführt, daß Nielsen nicht doch mit allen anderen Schwindlern in einen Topf geworfen wird. Auch für ihn gilt: "Etwas bleibt immer hängen."

Dr. Gerloff hat sich viele Jahre lang bemüht, Parapsychologen (auch der animistischen Richtung) Europas und Amerikas zu Einer Nielsen zu bringen und sie zur Untersuchung der Phänomene anzuregen. Der Göttinger Mathematiker Prof. Lyra versuchte das gleiche mit dem Kopenhagener Atomphysiker Niels Bohr. Alles vergebens. Keiner von ihnen befaßte sich mit Nielsen. Heute heißt es aus dem Kreis der gleichen Parapsychologen, daß die Versuche mit Einer Nielsen als äußerst fragwürdig anzusehen seien, da es nur Wohnzimmerexperimente gewesen seien. Der Parapsychologe Prof. Hans Bender sagte mir im Herst 1961 in einem Gespräch:

"Ich stimme mit ihnen darin völlig überein, daß die physikalischen Phänomene für die Parapsychologie äußerst wichtig sind. Aber man muß es doch nicht gleich wie dieser Dr. Gerloff machen und zu Einer Nielsen fahren, um dort mit seiner eigenen Großmutter zu frühstücken."

Warum eigentlich nicht? Ich würde ein solches Frühstück mit der eigenen (verstorbenen, wohlgemerkt) Großmutter als äußerst beweiskräftig ansehen. Der Gesprächspartner scheute aber offensichtlich einen solchen "Beweis".

So werden also Nielsen und andere bedeutende Materialisationsmedien weiterhin umstritten bleiben. Manche Kritiker und Gegner der Parapsychologie werden weiterhin lieber annehmen (wie früher u.a. vielfach behauptet), daß die gebildeten Vollphantome nur durch Helfershelfer dargestellt worden seien. Aber seit wann gibt es halbseitig durchsichtige Helfershelfer oder solche, denen der Unterleib fehlt und die dann schweben? Und die umfangreichen tuchartigen Ektoplasmaproduktionen bis zum Umfang eines Bettlakens, so wurde behauptet, hätten Nielsen und andere Materialisationsmedien entweder aus dem Magen herausgewürgt oder aus dem After hervorgezogen und danach dorthin auch wieder spurlos verschwinden lassen. Die gegenteiligen Beteuerungen erfahrener Wissenschaftler (Ärzte, Naturwissenschaftler, Ingenieure) und anderer Beobachter wurden dagegen einfach übergangen.
 

Der Leser vergegenwärtige sich die Unmöglichkeit einer derartigen Täuschungsbehauptung einmal selbst an Hand der Bilder 14, 15 und 16. Es handelt sich um Aufnahmen, die im Mai 1953 bei Einer Nielsen in Kopenhagen gemacht wurden (27, S. 39 u. 41).

 
 

 

Bild 14: Einer Nielsen entströmt Ektoplasma und "legt" sich über das Gesicht einer Zuschauerin. Aufnahme Mai 1953, Entnommen (27, S. 39).

 

 

Bild 15: Einer Nielsen entströmt tuchartiges Ektopasma. Aufnahme Mai 1953, wenige Sekunden nach Aufnahme des Bildes 14. Entnommen (27, S. 41).

 

Bild 14 zeigt Nielsen in Trance in einem Sessel sitzend. Tüllartiges Ektoplasma entströmt seinem Mund. Es fällt aber nicht, der Schwere folgend, zu Boden, sondern "weht" einer anwesenden Zuschauerin über das Gesicht. Anschließend fließt weiteres Ektoplasma, jetzt tischtuchartig, aus Nielsens Mund.

 
Bild 16: Blitzlichtaufnahme von Einer Nielsen mit einer zweiten Kamera, gleichzeitig zur Aufnahme von Bild 15.

 

Die Bilder 15 und 16 sind gleichzeitig mit zwei Photoapparaten aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen worden. Sie zeigen deutlich die Lage, insbesondere auch das tuchartige, etwas verknitterte, lange Ektoplasma. Das tüllartige Ektoplasma von Bild 14 ist inzwischen vom Gesicht der Zuschauerin herabgefallen und hat sich auf das lange Ektoplasma gelegt.

Wie soll man betrügerisch derartige Tuchmengen aus dem Magen hervorwürgen, und das noch, ohne daß umfangreiche Flecke vom Magensaft daran erkennbar sind? Und dann muß das Ganze ja hinterher auch wieder beseitigt werden, ohne daß jemand etwas davon merkt. Kein Trickkünstler hat derartiges bislang unter den Bedingungen, wie sie bei solchen Materialisationssitzungen herrschten, tricktechnisch nachahmen können. Ich habe selbst schon tricktechnische Nachahmungen von wesentlich harmloseren paranormalen Vorgängen durch erstklassige Zauberkünstler gesehen. Sie wirkten absolut unecht und hielten keinen Vergleich mit den echten Phänomenen aus. Es überstieg einfach ihr Können, paranormale Vorgänge überzeugend und "echt aussehend" nachzuahmen. Es gab aber und gibt auch jetzt noch Zauberkünstler, die für die Echtheit paranormaler Vorgänge eintreten. Einer von ihnen war Samuel Bellachini (1828-1885). Er war im vorigen Jahrhundert weltberühmt. Ein Buch über "Große Zauberer und ihre Geheimnisse" sagt über ihn (51, S. 83): "Bellachini empfing mehr Ehren und Auszeichnungen als irgendein Staatsmann, General oder Wissenschaftler seiner Zeit. Kein zeitgenössischer Monarch versäumte es, ihn auszuzeichnen: vom russischen Zar bis zur Königin Viktoria, vom italienischen bis bayrischen König, ganz zu schweigen von den Fürsten all der kleinen Länder."

Der Name Bellachini war damals in vielen Ländern gleichbedeutend mit Zauberei überhaupt. Und dieser Bellachini gab am 6. Dezember 1877 in Berlin eine notariell beglaubigte Ehrenerklärung für das amerikanische Medium Henry Slade ab, das seinerseit in den Ländern Europas mit seinen paranormalen Darbietungen großes Aufsehen erregte. Slade wurde damals, wie viele Medien nach ihm, öffentlich des Betruges und der Täuschung bezichtigt. Bellachini wies diese Behauptungen als falsch zurück (64, S. 217) und bestätigte in seiner Erklärung, daß er Slade und seine Leistungen während mehrerer Sitzungen bei hellem Tage geprüft habe und bei schärfster Beobachtung und Untersuchung seiner Umgebung zu dem Ergebnis gekommen sei, daß keine tricktechnischen Manipulationen dabei im Spiele gewesen seien. Er halte es für unmöglich, derartiges tricktechnisch zu erklären. Viel genützt hat diese Erklärung aber nicht. Die Betrugsbehauptungen über Henry Slade (-33-) und andere Medien wurden weiterhin aufrechterhalten und geglaubt. Sie paßten und passen eben den meisten Menschen viel besser in das vorherrschende materialistisch gefärbte Weltbild, als zuzugeben, daß es auch jenseits unserer täglichen Erfahrung noch andere Dinge gibt.

Dem zweifelnden, aber gutwilligen und wißbegierigen Leser dieser Zeilen bleibt daher nichts anderes übrig, als die Originalliteratur sorgfältig zu lesen und sich an Hand der Berichte und Argumente selbst ein Urteil zu bilden. Mancher wird vielleicht auch selbst Zugang zu paranormalen Geschehnissen finden. Echte Materialisationsmedien wie Nielsen, Mirabelli und andere, die man heute noch besuchen könnte, sind zur Zeit leider nicht bekannt. Wenn es sie geben sollte, so wirken sie im Verborgenen. Es hat den Anschein, als ob derartige Begabungen in der heutigen, materiell ausgerichteten Zeit nicht mehr zur Entwicklung und zum Durchbruch kommen.

Es ist aber auch gar nicht erforderlich, daß nun alle Menschen, Wissenschaftler oder Parapsychologen von dem "Beweismaterial" für die spiritistische Hypothese überzeugt werden. Wichtig ist nur, daß einige überzeugt sind und von der Plattform des Spiritismus aus weiter vorstoßen in unbekannte Bereiche. Es wird sich dann zeigen, ob von dieser Ausgangsposition größere Erfolge errungen werden können als mit der rein animistischen Hypothese. Bislang ist allerdings noch keinem der große Durchbruch in der Parapsychologie gelungen. Zur Zeit hat es aber der Animist, kurzfristig gesehen, einfacher. Er überblickt in Ruhe einen begrenzten Bereich. Er braucht sich nur mit Gegnern wie Prokop und Wimmer auseinanderzusetzen, braucht sich jedoch nicht auf "schwankenden" Boden vorzuwagen. Für den aber, der sich dazu durchgerungen hat, die spiritistische Hypothese als gerechtfertigt anzusehen, beginnen damit erst die Schwierigkeiten. Er muß sich nämlich daranmachen, die Phänomene zu sortieren in die, die wirklich spiritistisch zu deuten sind, und in die, die nur scheinbar eine spiritistische Deutung nahelegen. Er muß die Flut der "Jenseitsmitteilungen" sichten und dort die Spreu vom Weizen trennen. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, die dem Animisten erspart bleibt.

So muß jeder Mensch und jeder Forscher seine eigene Entscheidung treffen, wie er das vorgelegte Erfahrungsmaterial bewerten und welchen Weg er danach einschlagen will. Auch in den normalen Naturwissenschaften waren die Meinungen über die "Beweisfähigkeit" von gewissen Versuchen und Beobachtungen oft sehr geteilt. Es hat manchmal sehr lange gedauert, bis sich eine neue Theorie voll durchgesetzt hat. Hier wie auch in der Parapsychologie gilt der Satz, den der bedeutende Physiker Prof. Max Planck 1933 veröffentlicht hat: "Eine neue wissenschaftliche Idee pflegt sich nicht dadurch in der Welt durchzusetzen, daß ihre Gegner allmählich überzeugt und bekehrt werden, sondern in der Weise, daß die Gegner aussterben."

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