Psychowissenschaftliche Grenzgebiete
 
Thema: Giganten im All -I - (2)

       

3.0 Im Mutterschiff

Ein lautes Knacken ließ Martin aufhorchen, dann ertönten wunderbare harmonische Töne und Akkorde aus dem unsichtbaren Schallwandler. Es war eine Musik, wie er sie noch nie gehört hatte. Sie versetzte ihn in eine sphärenhafte Stimmung, ohne jeglichen Mißklang. Plötzlich erklang wieder die ihm schon bekannte Stimme:

"Herr Berger, Sie befinden sich bereits im Großschiff. Sie werden dieses Flugobjekt jetzt verlassen. Bleiben Sie ganz ruhig und haben Sie Vertrauen zu uns. Treten Sie in den Kreis auf dem Boden. Bleiben Sie ruhig stehen! Alles geht von selbst."

Martin stellte sich mitten in den Kreis. Mit einem feinen singenden Geräusch senkte sich ein runder Deckel im Boden. Unter ihm wurde es sonnenhell. Der Deckel rastete ein und Martin sah unter sich eine Treppe. Ohne Schwierigkeiten konnte er das Flugobjekt verlassen. Es war eine Wohltat, wieder ein größeres Blickfeld zu haben!

Martin Berger sah sich um. Alles war peinlich sauber und mattglänzend. Er stand in einer Halle, die von einem warmen, sonnenähnlichen Licht erhellt wurde.

Ein humanoides Wesen kam ihm entgegen. Es war etwa 160 cm groß, schlank und durchaus von normaler menschlicher Figur. Das Gesicht war bronzegetönt. Das Wesen hatte ein majestätisches Aussehen und eine hohe, etwas nach vorn gewölbte Stirn. Die Augen waren tiefblau und das mittelblonde Haar fiel bis auf die Schulter. Martin mußte zugeben, daß dieses Wesen engelhaft schön und stattlich aussah. Nichts von einem Monster oder grünem Ungeheuer. Die Kleidung schloß oben mit einem silbrigschimmernden Kragen ab, der einem Rollkragen ähnelte und bis an das Kinn reichte. Martin fielen die sehr feinen, schlanken Hände auf, die aber trotzdem keinen weiblichen Eindruck machten. Das fremde Wesen lächelte freundlich.

"Herr Berger, ich begrüße Sie als Gast in unserem Raumschiff. Ich bin SHINUN und Offizier dieses Mutterschiffes."

Er machte eine leichte Verbeugung, wie sie bei den Japanern üblich ist. Dann führte er den Handrücken an seine Stirn, was wohl eine besondere Begrüßung sein sollte. Martin versuchte, sich anzupassen und erwiderte den Gruß auf die gleiche Art. SHINUN sagte:

"Ich gehe voraus. Folgen Sie mir, bitte. Wir müssen zur Untersuchung. Sie müssen verstehen, daß wir sehr vorsichtig sein müssen, zumal wir mindestens einen Monat lang mit Ihnen zu tun haben werden. Wir können uns eine eingeschleppte Krankheit nicht leisten."

Martin nickte nur und schritt hinter dem Außerirdischen her. Nach ein paar Stufen öffnete sich selbsttätig eine Tür. Sie traten beide in einen Raum, der mit Apparaten ausgestattet war. Auch hier gab es eine unsichtbare Lichtquelle. In der Mitte stand eine Art Operationsstuhl, wie bei einem Zahnarzt. SHINUN deutete auf den Stuhl.

"Nehmen Sie bitte Platz. Es dauert nicht lange."

Ein anderer Außerirdischer trat herein und grüßte ebenfalls mit dem Handrücken gegen die Stirn.

"Ich hoffe, daß Ihnen nichts fehlt, Herr Berger. Wir werden das gleich herausfinden. Das Resultat ist auch für Sie wichtig."

Martin ahnte, daß er noch nie von einer ähnlichen medizinischen Kompetenz untersucht worden war, wie es jetzt der Fall war. Eine Menschenrasse die derartige Raumschiffe entwickeln konnte und damit das All durchreiste, mußte ebenso auf anderen Gebieten ungewöhnlich erfahren sein. Der Arzt untersuchte seinen Rachen, dann die Ohren und schaute mit einem kleinen Gerät in seine Augen.

"Da ist nichts. Es ist alles in Ordnung. Sie haben als Kind einmal geschielt, doch das ist mit der Zeit in Ordnung gekommen. Wir werden weiter sehen."

Der Arzt befühlte Martins Hals und nickte zufrieden.

"Stehen Sie bitte auf und entkleiden Sie sich."

Martin tat, wie es verlangt wurde. SHINUN machte einige Notizen. Der Arzt setzte einen Apparat in Bewegung, an dem ein langer Schlauch befestigt war. An diesem saß ein Kopf, der wie ein Mikrofon aussah. Mit diesem tastete der Arzt den ganzen Körper ab. Dabei sagte er einiges zu SHINUN, der diese fremdsprachlichen Ausdrücke aufschrieb. Die Untersuchung schien beendet. Der Arzt schaltete den Apparat aus und hing den Schlauch in eine Gabel. Dann wandte er sich an Martin:

"Ihr Gesundheitszustand ist im allgemeinen zufriedenstellend. Allerdings haben Sie augenblicklich einige Schwierigkeiten mit der veränderten Atmosphäre, aber das wird sich geben. Der Luftdruck hier im Schiff ist dünn, entsprechend einer irdischen Höhe von etwa 4.000 m über dem Meer. Ihr Blutdruck ist daher hoch. Alle Anstrengungen sind für Sie größer als normal, aber Sie sollen ja keine Arbeiten bei uns verrichten. Was wir von Ihnen verlangen, liegt auf geistigem Gebiet. Wir wollen uns mit Ihnen unterhalten, denn wir können die Verhaltensweise der Erdenbrüder nicht verstehen."

Martin durfte sich wieder anziehen. Der Arzt gab ihm etwas zum Einnehmen und klopfte Martin kameradschaftlich auf die Schulter.

"Sehen Sie das Ganze als einen Erholungsurlaub. Eigentlich hätten wir allen Grund, Sie als unseren Feind zu betrachten. Aber wir denken anders über Menschen. Sie müssen wissen, daß jeder Mensch für uns ein gewisses Tabu besitzt. Es wäre schön, wenn das auf der Erde auch so wäre, denn dann wären Sie gar nicht hier."

Nun wußte Martin ungefähr, worauf das Ganze abzielte. Er war ein geistiges Versuchsobjekt für Außerirdische. Wenn man auf der Erde wüßte, was sich hier abspielte! Niemand kann sich dort etwas Derartiges vorstellen. - Allmählich wuchs Martins Neugierde. SHINUN bedankte sich bei dem Arzt und winkte Martin, ihm zu folgen.

"Sie werden sicher Hunger haben. Die Gastfreundschaft gebietet uns, den Gast gut zu bewirten. Es wird Ihnen an nichts fehlen. Wir haben alles, was für den Menschen gesund ist."

Martin schritt mit SHINUN einen langen Gang entlang, der sehr viel Ähnlichkeit mit den Gängen auf großen Ozeanriesen hatte. Es gab kleine "Geschäfte" rechts und links, und alles war sonnenhell erleuchtet, ohne daß eine Lichtquelle zu sehen war. SHINUN deutete auf einen dieser kleinen Läden, indem er sagte:

"Sie sehen, wir haben auch Schaufenster. Aber das ist kein Glas, sondern ein elastisches Material von großer Durchsichtigkeit. Wir nennen es "Espam". Es kann mit einem besonderen Apparat geschnitten werden, sonst ist es unzerstörbar. Dort drüben ist die, wie sagt man bei Ihnen, Kantine."

Beide traten in den Speiseraum, der sehr gemütlich und geschmackvoll eingerichtet war, ohne Kitsch und ohne Disharmonie. Es gab kein Holz. Alles war aus dem gleichen Material hergestellt, das Martin schon untersucht hatte. Es gab keine Tischdecken. Alles war peinlich sauber. An jedem Tisch standen drei gut gepolsterte Drehstühle. SHINUN setzte sich mit Martin an einen der Tische.

"Das alles ist für Sie natürlich völlig neu und fremdartig. Sie müssen wissen, daß wir den größten Teil unserer Ernährung selbst herstellen, auch das Wasser gehört dazu. Wir haben ein Verfahren entwickelt, mit dem man die Atome neu gruppieren kann. Natürlich ist das Wort "gruppieren" falsch gewählt, doch ich spreche bewußt in einer für Sie verständlichen Form. Im Verhältnis zur Erde sind wir auch in wissenschaftlicher Hinsicht sehr weit voraus. Ein Raumschiff, wie dieses hier, kann jahrelang auf Reisen sein, ohne Station machen zu müssen. - Sie bekommen jetzt etwas zu essen. Darunter wird auch Gemüse sein. Dieses Gemüse und auch die Salate ziehen wir in einer eigenen Gärtnerei, in einem Treibhaus. Außerdem haben wir ein großes Algenhaus, das sehr wichtig ist."

"Ich bin erstaunt", meinte Martin. "Man hat sich auf Erden stets Gedanken darüber gemacht, auf welche Weise man lange im Weltall leben könnte. Ohne eine Atomgruppierung, wie Sie es nannten, wäre das wohl nicht möglich."

"Ja, das ist das Erhaltungsproblem. Aber es gibt noch größere Schwierigkeiten zu überwinden. Wir haben sie fast alle gelöst."

SHINUN zeigte auf eine junge Dame, die den gleichen Dreß trug wie er.

"Das ist LAO, unsere Stewardeß, die uns bedienen wird. Natürlich haben wir auch noch andere Stewardessen."

SHINUN machte der Stewardeß ein Zeichen. Sie nickte zustimmend und legte den Handrücken gegen die Stirn, um Martin zu begrüßen. Martin erwiderte diese Aufmerksamkeit. Das Mädchen brachte zwei Platten, auf denen sich verschiedene Gerichte befanden. Als Besteck diente eine Art Zange, die aber sehr leicht zu handhaben war.

"Es sind auch Algen dabei."

SHINUN zeigte Martin, wie man die Algen am besten zerteilt. Das Essen schien bekömmlich. Es schmeckte weder gut noch schlecht. Man mußte sich wohl erst an diese Kost gewöhnen. "Wie viele Mahlzeiten halten Sie ein?" wollte Martin wissen.

"Das ist die Hauptmahlzeit. Wir essen nur zweimal in etwa 24 Stunden Erdrechnung. Eine kleine Mahlzeit und später die Hauptmahlzeit. Das reicht völlig aus. Sie können sich nicht vorstellen, was dieses Großschiff alles aufzuweisen hat. Übrigens beherrschen wir die großen irdischen Weltsprachen sehr gut. Ich spreche vier irdische Weltsprachen perfekt. Dazu kommt unsere eigene Sprache, mit einigen Dialekten. Außerdem kommt noch eine technische Verständigung hinzu. Die Unterhaltung macht uns keine Schwierigkeiten, wie Sie sehen. Ich bin zu Ihrer Orientierung beauftragt. Meine eigentlichen Kenntnisse betreffen hauptsächlich das technische Gebiet. LAO wird Sie stets bedienen. Auch sie spricht mehrere Sprachen. Ihr Intellekt ist groß. Für Ihre Unterweisung haben wir NAMO vorgesehen. Auch eine junge Dame, die Sie noch kennenlernen werden."

Das alles überstieg menschliche Phantasie! Die Wirklichkeit hatte unglaubliche Formen angenommen. Martin kam sich vor, als ob er seinen irdischen Körper bereits verlassen hätte und in den Regionen einer jenseitigen Welt angekommen sei. SHINUN schien ihn zu verstehen. Er machte den Eindruck, als ob er Martins Gedanken lesen könne. Eine ausgeprägte Telepathie war bei den Außerirdischen nicht auszuschließen. Martin wagte jedoch nicht, danach zu fragen. Das Raumschiff reiste geräuschlos und erschütterungsfrei. Die Schwerkraft war allerdings etwas verändert, sie war geringer als auf der Erde. Martin war Journalist, aber kein Techniker, auf alle Fälle kein Ingenieur, trotzdem interessierte ihn alles, was mit dieser Reise zusammenhing.

"Dieses Weltraumstrahlschiff hat sehr viele Räume und eine sehr große Besatzung", sagte SHINUN mit sichtbarem Stolz. "Selbstverständlich haben Sie, Herr Berger, eine eigene Kabine zur Verfügung. Ich werde Sie Ihnen selbst zeigen. Dazu müssen wir den Aufzug benutzen. Die Kabine liegt im 18. Stockwerk."

"Im 18. Stockwerk!" rief Martin erstaunt. "Das ist kaum zu fassen."

"Nun, das Raumschiff, in dem Sie sich befinden, hat eine Länge von etwa 600 m. Die mittlere Höhe beträgt etwa 100 m. Unter uns befindet sich der Schwerpunkt. Wir sind im 3. Stockwerk. Ich kann verstehen, daß Sie an solche Größenordnungen nicht gewöhnt sind. Derartige Transportmittel sind Ihnen völlig fremd. Aber wir haben noch weit größere Mutterschiffe zur Verfügung. Dieses Schiff hat in Ihrer Sprache den Namen "KOMET". Wie ein Komet rast es auf seinen Forschungsreisen durch das All."

"Steht dieses Schiff zur Zeit still, oder ist es auf Fahrt?" wollte Martin wissen.

"Es befindet sich auf Fahrt. Doch es ist keine große Fahrt, sondern eine nur kurze Reise. Wir umkreisen den Jupiter in größerer Entfernung."

Martin kam aus dem Staunen nicht heraus. Mit diesen Angaben kam er nicht mehr klar. Er dachte einfach zu irdisch. SHINUN führte seinen Gast den Gang entlang bis zu einem Lift. Der Fußboden war mit einem sehr elastischen, geräuschdämmenden Material ausgekleidet. Oben angekommen, ähnelte der Gang einem Flur in einem eleganten Hotel. Es gab Zimmer an Zimmer, aber nirgendwo stand eine Zimmernummer an der Tür. Einige Türen waren mit seltsamen Symbolen versehen. Möglicherweise waren es Ziffern. SHINUN berührte eine dieser Türen und die Tür öffnete sich automatisch. Der kleine Raum, der sich dahinter erstreckte, war praktisch eingerichtet. Zwei der Martin bereits bekannten Sessel standen neben einem kleinen Tisch. Ein verstellbares Ruhebett stand an der anderen Seite. Es gab sogar Blumen! Sehr seltsame Exemplare einer Kakteenart.

"Hier werden Sie wohnen", sagte SHINUN. "Wenn Sie besondere Wünsche haben, so ist auch ein Summer vorhanden. Sie brauchen nur auf diese Taste zu drücken. Es wird dann jemand nach Ihnen sehen."

"Ich bin gespannt, wie das Schiff im Ganzen aussieht", sagte Martin, indem er sich setzte. SHINUN nahm ebenfalls Platz und zog einen Plan aus seiner Tasche, den er vor Martin ausbreitete.

"Wenn ich Sie durch das ganze Schiff führen wollte, so würden wir ein paar Tage dazu benötigen. Es hat so viele interessante Einrichtungen. Schauen Sie auf den Plan. Es zeigt nur eine Skizze von einem Stockwerk und schon finden Sie sich kaum zurecht."

Martin faßte sich an den Kopf. Es erschien ihm alles unvorstellbar. "Ich kann nicht begreifen, wie es möglich ist, derartig gewaltige Schiffe zu bauen." SHINUN lächelte.

"Das glaube ich Ihnen gerne. Aber wir haben noch größere Objekte gebaut, z. B. unsere Raumstationen. Sie ähneln schon kleinen Himmelskörpern, die von vielen Menschen bewohnt werden können. Alle diese Raumstationen sind gut verteilt und haben ganz bestimmte Spezialaufgaben zu erfüllen. Die größten Raumstationen bestehen aus drei kugelförmigen Körpern, die miteinander durch einen Gang verbunden sind."

"Ich kann nicht begreifen, wie man das dazu notwendige Material dorthin gebracht hat."

"Das Material wurde überhaupt nicht dorthin befördert. Wir haben die Baustoffe durch Atomgruppierungen selbst erzeugt. Dazu haben wir eine Maschine, die das kann. Aber hinzu kommen noch menschliche Fähigkeiten, die auf dem Sektor der Magie liegen."

Martin stöhnte: "Der Magie? Das ist mir zu hoch! - Kein Erdenmensch wird mir das je glauben, wenn ich auch noch von Magie berichten soll." SHINUN steckte den Plan wieder ein und wiegte seinen schönen Kopf, als ob er nicht recht wisse, wie er es seinem Gast begreiflich machen sollte.

"Es gibt eben keine Wunder. Alles ist ausführbar. Es gibt keine Grenzen für die Entwicklung und Verwirklichung einer Phantasie. Das ist es, was man auf der Terra noch nicht erkannt hat. Die Wissenschaft zieht sich dummerweise selbst Grenzen, an denen sie hängenbleibt. Sie glaubt, diese Grenzen nicht überschreiten zu können. Das ist ein Irrtum! Die Magie öffnet letztendlich alle Türen. –

Was glauben Sie, wer die Pyramiden auf der Terra gebaut hat! Die Ägypter hätten das mit ihren primitiven Mitteln allein nie fertig gebracht. Unsere Vorfahren haben ihnen dabei kräftig geholfen. Sie wurden deshalb für Götter gehalten. Es sollten religiöse Kultstätten werden, statt dessen wurden diese Bauwerke von den Ägyptern zweckentfremdet. Die Pharaonen haben sie als Grabstätten beschlagnahmt.

Das ist eine üble Geschichte der Vergangenheit. Na, Sie werden noch allerlei zu hören bekommen. Es war nicht ganz einfach, einen geeigneten Menschen für unsere Absicht ausfindig zu machen. Wir können nur einen Menschen als Vertreter der Erdenmenschheit gebrauchen, der möglichst keine Vorurteile besitzt. Ich verlange von Ihnen nichts anderes, als daß Sie mir aufmerksam zuhören und möglichst nichts vergessen."

"Darf ich mir Notizen machen?"

"Aber sicher. Sie werden auch alle Ihre Utensilien zurückbekommen, sobald diese keimfrei gemacht worden sind. Wir haben alles aus Ihrem Auto entnommen, was Ihnen gehört."

"Dann werde ich auch fotografieren können?"

"Nein, das ist leider nicht möglich. Den Film haben wir aus Ihrem Fotoapparat entfernt, denn er wurde durch die Strahlung unseres Schiffes völlig verdorben. Jede Berührung mit den Strahlen unseres Raumschiffes löscht alle Informationen. Viele Menschen auf der Erde haben versucht, gute Aufnahmen von unseren Schiffen zu machen. Aber wenn sie zu dicht herankamen, wurden die Aufnahmen gelöscht. Daher existieren auch nur Bilder, die unsere Schiffe aus größerer Entfernung zeigen. Ist Ihnen das jetzt klar?"

"Ja, allerdings. Jetzt ist mir auch klar, warum die besten Beweisstücke fehlen. Es gibt bisher (1971) keine veröffentlichte Aufnahme, die ein Mutterschiff aus nächster Nähe zeigt. Es gibt daher auch keine Teilansichten."

"Ja, so ist es. Aber das kommt den irdischen Regierungsexperten sehr entgegen. So haben sie eine gute Möglichkeit, der WAHRHEIT auszuweichen. Es wird mehrere große Konferenzen geben, auf denen fast alles zur Sprache kommen wird. - Im allgemeinen werden die Erinnerungen des Fluggastes an seinen Aufenthalt bei uns gelöscht. Ich habe aber gehört, daß man bei Ihnen eine Ausnahme machen will. Sie werden wahrscheinlich alle Erinnerungen daran behalten und mit zur Erde nehmen. Wie Sie dort damit fertig werden, das ist Ihre Mission."

Martin merkte bereits, worauf es ankam. Es war ein superlatives Amt. Die "Götter" wollten ihn programmieren, um ihn dann wieder freizulassen. Aber diese Programmierung würde ihn in große Schwierigkeiten bringen. Das war eine Sache, die weit über den normalen Verstand eines Erdenmenschen hinausging. Das merkte er deutlich an sich selbst. "Wann wird die interstellare Konferenz stattfinden?" SHINUN sah ihn scharf an und antwortete:

"Wenn es Ihr Gesundheitszustand erlaubt, Herr Berger, wird es in drei Tagen soweit sein. Wir haben hier zwar keine Tage und Nächte, aber ich richte mich nach Ihrer Zeitrechnung. Wir haben so etwas wie einen Rhythmus, den wir "Zest" nennen. Ein Zest hat die Dauer von etwa zehn Stunden Ihrer Zeitrechnung."

"Was geschieht, wenn dieses Raumschiff die Lichtgeschwindigkeit überschreitet?"

"Ich nehme an, daß Sie das nicht überleben würden. Dazu ist Ihr Körper nicht geeignet. Es gibt doch einen biologischen Unterschied zwischen uns. Dasselbe trifft auch für die Dematerialisation zu. Wenn das Schiff dematerialisiert wird, müßten Sie wahrscheinlich sterben, während wir am Leben blieben. Doch haben Sie keine Angst, es wird nichts Derartiges geschehen. Wir fliegen ja nur um den Jupiter."

Für den ersten Tag war das mehr als genug. Martin spürte bereits, daß es an seine Nerven ging. SHINUN hatte auch diese Gedanken erfaßt und sagte freundlich:

"Ich verstehe Sie gut. Sie sind müde. Ich rate Ihnen daher erst einmal gründlich auszuschlafen. Wir werden Sie nach einem Zest wecken. Sollten Sie Durst haben, so trinken Sie etwas aus dem Becher, der dort drüben steht. Übrigens, die Toilette ist nebenan. Aber machen Sie keine Spaziergänge allein im Schiff. Es wäre für Sie gefährlich.

Ich werde Ihnen noch viele Einzelheiten des Raumschiffes zeigen. Aber ich bin davon überzeugt, daß man sie auf Erden nicht nachbauen kann. Es sieht so aus, als wenn auf unserem Heimatstern Elemente vorkommen, die es auf Erden nicht gibt, jedenfalls nicht an der Oberfläche. Diese Elemente sind aber unerläßlich. Unsere Raumschiffahrt hat vor etwa 15.000 Erdenjahren begonnen. Bedenken Sie einmal, daß die Erdenmenschheit erst am Anfang steht, und schon ist man übermütig, ja, um nicht zu sagen verrückt."

"Ja, das ist richtig", sagte Martin, "wir fangen erst an, haben aber durchaus einige Erfolge zu verzeichnen. Unsere Technik hat in den letzten 100 Jahren ungeheure Erfahrungen gemacht. Auch die Wissenschaft hat viel geleistet".

"Das hört sich ganz gut an", entgegnete SHINUN, "aber warten Sie die Konferenz ab, dann sieht manches anders aus.

Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht."