Psychowissenschaftliche Grenzgebiete
 
Thema: Giganten im All - I - (3)

       

4.0 NAMO, das lebende Lexikon

Martin wachte auf, als das Raumschiff ein paar heftige Bewegungen machte. Das Fahrzeug schlingerte. Sofort wurde er von einer inneren Unruhe erfaßt. Es kam ihm nicht geheuer vor. Er drückte auf den Summer. Nach kurzer Zeit erschien SHINUN, der jetzt einen weißen Dreß trug. Der Schnitt des Anzuges, wie überhaupt die ganze Ausführung, war jedoch dieselbe wie zuvor. SHINUN lächelte. Er wußte genau, warum Martin ihn gerufen hatte.

"Kein Grund zur Aufregung, Herr Berger. Die Bewegungen, die das Großschiff ausführt, haben kaum eine Bedeutung. Jedenfalls bedeuten sie keine Gefahr für uns. Wir sind bei unserer Reise um den Jupiter in einen atomaren Teilchensturm geraten. In wenigen Minuten haben wir das Sturmzentrum wieder verlassen. Wir setzen dann die Fahrt in der üblichen Weise fort.

Übrigens haben wir heute einen besonderen Tag. Im Großschiff ist ein Junge geboren worden. Jetzt haben wir ein Besatzungsmitglied mehr. Die Geburt erfolgte, während Sie schliefen. Die Mutter des Jungen ist wohlauf. Die Geburt eines Menschen ist für uns immer etwas Großartiges, ein heiliges Wunder der unermeßlichen SCHÖPFUNG. Wir sind alle sehr dankbar und tief ergriffen. Ich glaube nicht, daß man auf der Terra einer Geburt diese Bedeutung beimißt, so wie wir es immer tun.

Nach dem Frühstück werde ich Ihnen den Maschinenraum zeigen. Bedenken Sie, daß Sie hier allerhand zu sehen bekommen, dessen Großartigkeit noch kein Erdenmensch zu Gesicht bekommen hat."

Als sie die Kabine verließen, sagte Martin: "Warum haben Sie eigentlich gerade mich für dieses Abenteuer ausgewählt?" Wieder lächelte SHINUN überlegen, indem er antwortete:

"Ich sagte Ihnen bereits, daß wir jemanden brauchen, der keine Vorurteile besitzt."

"Ja, aber ein Ingenieur oder ein Raumfahrtspezialist wäre doch viel besser dazu geeignet als ich. Ich bin kein Professor!"

"Einen Gelehrten können wir nicht gebrauchen. Wir urteilen nach anderen Maßstäben. Es geht nicht um einen Titel oder um ein bestimmtes Studium, sondern nur um den gesunden Intellekt, d. h. um die gute Auffassungsgabe. Wir brauchen vor allem einen Menschen, mit einem möglichst gesunden Urteilsvermögen. Für diesen Zweck sind Sie der richtige Mann."

Nach dem Frühstück fuhren sie mit dem Lift wieder ein paar Etagen aufwärts. Sie passierten einen breiten Gang, dessen Türen viele Schilder mit eigenartigen Symbolen besaßen. SHINUN öffnete eine dick gepolsterte große Tür.

Vor ihnen lag eine riesige Halle.

Martin war schockiert. So etwas hatte er noch nie gesehen, ja, nicht einmal zu träumen gewagt. Selbst der Maschinenraum eines Ozeanriesen war dagegen kein Vergleich. Gewaltige Generatoren standen unter Energie. Geheimnisvolle Apparaturen standen an den Wänden. Die ganze riesige Halle war von einem leisen Knistern und Summen erfüllt. Trotzdem wurde die große Anlage nur von zwei Menschen überwacht, die auf einem Podium standen, von dem sie die ganze Halle übersehen konnten. SHINUN grüßte mit dem Handrücken und verließ mit Martin die riesige Halle. Er öffnete wieder eine Tür, die abermals in einen großen Raum führte, der aber nicht ganz so hoch war. Mitten im Raum stand ein langes Pult, vor dem ein Außerirdischer saß und sehr konzentriert beschäftigt war. Ringsum an den Wänden waren computerartige Instrumente installiert. Überall flammten Lichter auf und verloschen wieder.

"Das ist der Schaltraum. Von hier aus wird der Maschinenraum gesteuert und auch die Beschleunigung auf vielfache Lichtgeschwindigkeit. Ähnliche Räume existieren bereits auf der Terra, nur, daß sie nicht einen so großen und wichtigen Aufgabenbereich haben. Ich zeige Ihnen jetzt das Rechenzentrum."

Ein weiterer Raum war ähnlich ausgestattet. Hier waren mindestens 10 Personen beschäftigt, die an verschiedenen Apparaten tätig waren.

"In diesem Raum wird die Fahrt kontrolliert und die Reiseroute festgelegt. Es gibt nichts, was sich nicht genau berechnen läßt. Die Magnetfelder werden aufgespürt und berechnet, sowie die elektrischen Zonen und die sehr verschiedenen Gravitationsgebiete. Es ist eine für Sie unfaßbare Wissenschaft, die hier konzentriert ist, aber von Menschen allein nicht beherrscht werden kann. Dieser Raum ist sozusagen "der Kopf" des Großschiffes."

"Das ist alles sehr spannend, interessant und wunderbar", sagte Martin tief beeindruckt. "Ich staune, was Menschen alles erdenken, erfinden und in die Tat umsetzen können."

"Sehen Sie, das ist der Grund, warum für uns jeder Mensch ein HEILIGES TABU besitzt und warum wir ihn hoch achten. Wir können nicht verstehen, daß man einen Menschen auf der Terra so gering einschätzt und ihn bedenkenlos für etwas völlig Sinnloses tötet. Auch wenn der Erdenmensch noch in der ersten Phase seiner technischen Entwicklung steht, so besitzt er bereits den Anspruch auf sein TABU, das ihn von allen anderen Lebewesen im Universum unterscheidet. - Meinen Sie nicht auch, Herr Berger?"

Martin nickte beschämt. Er spürte aus jedem Satz, aus jeder Rede SHINUNs, wie hoch dieser über ihm stand. Diese außerirdische Menschenrasse war den Erdenbewohnern in jeder Beziehung weit voraus. Es waren Götter in Menschengestalt. Er überlegte blitzartig, ob diese Menschen nicht vor Jahrtausenden an der Entwicklung der Erdenmenschen mitgewirkt haben könnten und fragte: "Haben Ihre Vorfahren die kulturelle Entwicklung der Erdenmenschen mitbestimmt?"

"O ja", antwortete SHINUN. "Unsere Vorfahren haben versucht, die Erdenmenschheit richtig zu leiten, richtig zu beraten und ihr viele Geheimnisse zu offenbaren und zu enträtseln. Aber es war leider ein vergebliches Bemühen, denn wir wurden nicht verstanden. Niedere Instinkte der Erdenmenschen haben diese Freundschaft zerstört. Doch das war ein großer Bumerang für die Erdenmenschheit. Die begonnene Universalkultur ging in die Brüche. Somit gingen auch viele Erfahrungen verloren, z. B. die Geheimnisse der Magie, das Wissen über das seelische Weiterleben nach dem Tod und nicht zu vergessen, die wichtigen Gesetze der Schwerkraft."

"Das ist sehr traurig", sagte Martin beschämt. "Ich schäme mich meiner Vorfahren, die so dumm und schlecht gehandelt haben."

"Leider muß ich Ihnen sagen, daß Sie mit zu diesen Vorfahren gehört haben! Sie müssen sich also schon über sich selbst schämen. Jeder Mensch lebt immer wiederkehrend in der Materie, solange er nicht restlos geläutert ist. Diese wichtige Erkenntnis wurde in Ihrer Gesellschaft leider gestrichen. Doch diese GESETZE sind universell, also auch für uns gültig."

"Hat man Ihre Vorfahren für Götter gehalten?" wollte Martin wissen.

"Auch wir waren unsere eigenen Vorfahren. Deshalb sage ich stets "wir", auch wenn ich die Vorfahren damit meine. Wir wurden nicht nur für herabgestiegene Götter gehalten. Mehr noch, wir wurden gefürchtet, gehaßt und verflucht. Man hat uns sogar für den persönlichen GOTT gehalten, mitsamt SEINER HIERARCHIE. Wie das alles vonstatten ging, werden Sie noch genauer erfahren."

Nachdem SHINUN und Martin das Rechenzentrum des Großschiffes verlassen hatten, führte SHINUN seinen Gast von der Erde in einen sehr gemütlichen und geschmackvoll ausgestatteten Gesellschaftsraum. Dort saßen in angeregter Unterhaltung mehrere Besatzungsmitglieder, die alle freundlich grüßten. SHINUN führte Martin an einen Tisch, an dem eine engelhaft schöne junge Dame saß. Ihre Gesichtszüge waren fein und lieblich, aber ihre Augen hatten einen Ausdruck von unwiderstehlicher Entschlossenheit und Energie. Noch nie hatte Martin einen Menschen gesehen, der zugleich so anziehend und doch so respekteinflößend aussah. Das irritierte ihn völlig.

"Das ist NAMO, unser lebendes Lexikon", sagte SHINUN mit besonderer Betonung. "NAMO wird Sie unter die Fittiche nehmen. Sie können mit ihr reden, über was Sie nur wollen."

Martin wollte NAMO zur Begrüßung die Hand reichen, aber sie drückte nur die eigene Hand gegen ihre Stirn. Es gab keine andere Begrüßungsart unter diesen außerirdischen Menschen. SHINUN verabschiedete sich und ließ Martin mit dem wunderbaren Mädchen allein. Er war sehr befangen und wußte nichts zu sagen. Von der eigenartigen Schönheit hatte er einen richtigen Komplex bekommen. NAMO spürte seine Verlegenheit und kam ihm zuvor:

"Sie haben schon einiges gesehen", sagte sie freundlich, mit einer sehr sympathischen Stimme, "aber das ist alles noch nichts gegen das, was Sie auf unserem Heimatstern sehen könnten. Dieser Stern ist sehr entwickelt. Meine Menschenrasse hat ein sehr hohes Bildungsniveau erreicht. Mit Recht bin ich sehr stolz darauf. Aber auch uns wurde nichts geschenkt. Wir mußten alles erarbeiten, erforschen und der Natur abringen. Die Hauptsache ist, daß man den richtigen Weg kennt und ihn dann konsequent verfolgt."

Martin dachte an SHINUNs Worte: "NAMO ist unser lebendes Lexikon." Das war eine kurze Umschreibung, aber sie war sehr aufschlußreich. Martin stand einer enorm hohen Intelligenz gegenüber. Es schockierte ihn um so mehr, da diese ungewöhnliche Intelligenz durch eine Frau repräsentiert wurde. Er fragte befangen: "Können Sie mir bitte sagen, wie sich Ihre Rasse nennt?"

"Der Name meiner Menschenrasse wäre Ihnen völlig unverständlich. Sie könnten sich nichts darunter vorstellen. Aus diesem Grund stellen wir uns ganz auf den irdischen Sprachschatz ein. In Ihrer Vorstellung würde ich sagen: "Wir sind SANTINER, d. h. wir sind Heiligen ähnlich."

Also sind es doch Götter, dachte Martin, als er das Wort "SANTINER" hörte. "Ist es wahr, daß hin und wieder einige Ihres Menschengeschlechtes auf der Erde gelandet sind?", fragte er.

"Ja, das kann ich bejahen, auch bis in diese Zeitrechnung hinein, und es werden auch in der Zukunft Menschen unserer Rasse auf der Terra landen. Das ist ganz gewiß."

Die Götter kommen also wieder, dachte Martin. Das war eine gute Verheißung, denn es sind keine bösen Götter, sondern bewunderungswürdige Menschen von höchster Entwicklung. Menschen, die GOTT nahestehen und somit eine gottähnliche INTELLIGENZ besitzen. Die Erde braucht solche WESEN unbedingt. Als Martin NAMO noch einmal betrachtete, stellte er fest, daß er - symbolisch gesehen - vor das Angesicht GOTTES getreten war. Ein heiliger Schauer überfiel ihn bei diesem ungewöhnlichen Gedanken. Betrübt sagte er: "Wenn ich je zur Erde zurückkommen sollte, werde ich meines Lebens nicht mehr froh werden." NAMO faßte seinen Arm und drückte ihn sanft.

"Ich weiß, daß es für Sie nicht leicht sein wird. Sie werden dort stets Vergleiche ziehen, die sie lieber nicht machen sollten. Wenn Sie das nämlich tun, wird Sie die Erde mit ihren Menschen so erschrecken, daß Sie nicht mehr auf der Erde leben wollen. Das Wissen macht nicht immer glücklich. Es kann auch sehr schwer belasten. Vor allem dann, wenn man einsehen muß, daß man seinen unwissenden Mitmenschen machtlos ausgeliefert ist, die das HÖCHSTE nicht begreifen wollen, und man daran nichts ändern kann. - Seit Jahrtausenden bemühen wir uns, dieser Erdenmenschheit zu helfen und sie zu ändern. Bisher ist es uns noch nicht gelungen. Noch immer warten wir heißen Herzens auf den Augenblick, daß uns diese MISSION gelingt. Sie können sich vorstellen, Herr Berger, was es für uns bedeutet, wenn wir Milliarden Erdenmenschen verändern und veredeln könnten."

"Auf der Erde läßt sich nur etwas mit Gewalt oder durch schreckliche Revolutionen verändern", antwortete Martin, mit voller Überzeugung in der Stimme. NAMO schüttelte den Kopf:

"Das ist eben der Irrtum! Jeder Mensch ähnelt einem Computer, der in ganz bestimmter Weise programmiert worden ist. Der Mensch kann nur verändert werden, wenn zugleich seine Programmierung geändert wird. Sie werden begreifen, Herr Berger, daß so eine Änderung nur auf geistigem Wege möglich ist. Die Gewalt kann das nicht erreichen, auch keine Revolution. Beides führt zum Massenmord. Der Mensch wird dadurch nur unterworfen und muß die zwangsweise Änderung für eine gewisse Zeit erdulden."

Martin merkte, daß es gefährlich war, mit dieser Frau zu diskutieren. Er zog unweigerlich den Kürzeren.

"Hat Ihnen SHINUN schon unsere Nachrichtenzentrale gezeigt?", fragte NAMO.

"Nein, noch nicht", entgegnete Martin.

"Schön, dann gehen wir einmal dorthin. Es wird Sie ganz besonders interessieren, da Sie ja von Beruf aus mit Nachrichten zu tun haben", sagte NAMO und ging voraus.

Der Lift brachte sie zwei Etagen höher. Ein endloser Gang mußte passiert werden. Sie gingen geräuschlos. Martin hatte plötzlich das Gefühl, seine Schwerkraft zu verlieren. NAMO sah, wie er mit der Gravitationsveränderung kämpfte. Sie faßte seinen Arm, indem sie sagte:

"Das dauert nicht lange und geht gleich vorüber. Die Veränderungen in der Gravitation werden automatisch ausgeglichen. Im Schaltraum hat man das Magnetfeld, das unser Großschiff umgibt, verstärkt. Ich nehme an, daß ein Schwarm Meteoriten auf uns zukommt. Diese Steine kommen gar nicht erst an das Schiff heran und werden vorher abgelenkt. Es gibt keinen besseren Schutz vor derartigen Gefahren."

Inzwischen hatten sie die Nachrichtenzentrale erreicht. NAMO führte ihren Gast in den Raum. Apparate über Apparate, wie in einem wissenschaftlichen oder technischen Museum, waren überall zu sehen. Mindestens 15 SANTINER waren hier bei der Arbeit. In der Mitte des Raumes befand sich eine glasartige Säule von etwa 60 cm Durchmesser und 1,5 m Höhe. In dieser Säule flammte ein orangefarbenes Licht, das in seiner Leuchtdichte pulsierte. NAMO zeigte auf die Säule und erklärte:

"Das ist ein Nachrichtenspeicher. Hier werden sehr viele Nachrichten gespeichert. Wir empfangen nicht nur eigene Nachrichten von unseren Schiffen und Raumstationen, sondern zusätzlich viele Nachrichten, die elektrisch von der Terra ausgehen. Wir können fast jeden Sender auf der Terra empfangen. Doch dieser Empfang ist mitunter gestört. Besondere Schwierigkeiten bereiten uns die kurzen Wellen, die vorher reflektiert werden."

"Sie betonten den elektrischen Empfang. Gibt es denn noch Empfangsmöglichkeiten auf nicht elektrischer Basis?"

"Gewiß, sogar mehrere verschiedene Arten. Zum Beispiel haben wir eine Nachrichtenverbindung, die den sogenannten Tachyonen ähnlich ist. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit solch einer Nachrichtenverbindung beträgt mehr als das Zehnfache der Lichtgeschwindigkeit."

"Das ist nicht mehr zu begreifen!" Martin war vollkommen verblüfft. "Arme Wissenschaft", stöhnte er, "ihr habt wirklich keine Ahnung von den wirklichen Grenzen einer Geschwindigkeit. Theorie und Wirklichkeit sind oft grundverschieden." NAMO nickte zustimmend.

"Ja, das ist auch meine Meinung. Sie werden noch überraschter sein, wenn ich Ihnen verrate, daß unsere Telepathieverstärker noch schneller sind. Ein Telepathiesender arbeitet mit geistigen Impulsen, die viel, viel schneller sind als die Tachyonen, die wir "Asure" nennen. Möchten Sie einen irdischen Sender hören?"

Martin nickte und sagte: "Solange die geistige Substanz des Menschen abgestritten wird, ist es kein Wunder, daß die Wissenschaft zu falschen Erkenntnissen kommt. - Ja, wenn es möglich ist, so würde mich ein deutscher Sender interessieren".

NAMO sprach mit einem SANTINER, der an einen der Apparate ging und ihn bediente. Nach einigen Einstellungen warf der Apparat einen flachen Schlüssel heraus. Der SANTINER nahm den Schlüssel, steckte ihn in den Schlitz eines anderen Apparates und drehte ihn langsam um. Im selben Augenblick veränderte sich das Licht in der Säule. Es verlöschte kurzzeitig ganz, um gleich darauf in gelbes Licht aufzuflammen, das ebenfalls pulsierte. Plötzlich vernahm Martin deutlich die deutschen Worte: "... Die Verunglückten konnten leider noch nicht geborgen werden. Nach einer kurzen Pause meldet sich Rias II mit Musik zum Abend."

"Unglaublich!", rief Martin kopfschüttelnd. Wenn ich bedenke, daß wir um den Jupiter fliegen ..."

"Sie sehen, daß wir sehr gute Orientierungsmöglichkeiten haben", sagte NAMO, "wir haben die Terra geradezu studiert. Das Ergebnis ist allerdings niederschmetternd. Daß Sie hier im Raumschiff sind, hat seinen guten Zweck."

"Bin ich ein Angeklagter?" wollte Martin wissen.

"Wir halten nichts von einer Kollektivschuld und auch nichts von einer Erbschuld. Allerdings sind Sie ein Vertreter der Erdenmenschheit. Wir wollen keinen Entschluß fassen, ohne einem Vertreter der Erdenmenschheit Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu verteidigen. Wir wissen, daß Sie völlig anders denken als wir. Wir wissen aber auch, daß dieses Denken aus vielen falschen Informationen resultiert. Sie werden deshalb eine Schulung durchmachen, damit Sie die Dinge besser verstehen, um die es eigentlich geht."

"Ich werde mich bemühen, so gut es geht", antwortete Martin ziemlich deprimiert. Beide verließen die Nachrichtenstation. Als sie wieder den langen Gang passierten, sagte NAMO plötzlich:

"Ich werde Sie jetzt dem Kommandanten vorstellen. Er ist die höchste Persönlichkeit in der gesamten Raumflotte der SANTINER. Unser Kommandant heißt ASHTAR SHERAN. Dieses Wort läßt sich in keine irdische Sprache übersetzen, denn es besitzt zugleich mehrere Bedeutungen."

NAMO fuhr in ihrer Rede fort:

"ASHTAR SHERAN (-1-) ist der Höchstregierende, der Höchstwissende und der Höchstverantwortliche und vieles mehr. Er ist ein Weltenlehrer, der mehr als ein Professor oder Prophet ist. Sein Name und der damit verbundene Ruf ist auch in weiten Kreisen der Terra bekannt. Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie das alles gleich verstehen. Ich kann Ihnen nur verraten, daß mehrere Milliarden SANTINER, ohne zu zögern, für ASHTAR SHERAN ihr Leben hingeben würden, wenn es erforderlich wäre."

Bei diesen Worten rieselte ein Schauer über Martins Rücken. Er war tief beeindruckt.

"Der Kommandoraum liegt ganz vorn im Schiff", sagte NAMO, während sie den Gang entlang schritten. "Dort hat man freie Sicht in Fahrtrichtung. Es ist immer wieder ein wunderbarer und Ehrfurcht gebietender Ausblick ins göttliche All."
 

 

5.0 Begegnung mit ASHTAR SHERAN

NAMO machte vor einer roten Tür halt und klatschte zweimal in die Hände. Die Tür sprang auf und sie standen im Cockpit des außerirdischen Raumschiffes.

Eine kleine Halle, nur schwach rötlich beleuchtet, mit transparenten Wänden nach allen vorderen und seitlichen Richtungen. In der Mitte ein erhöhter Sitz, um den in einem Halbkreis ein Pult mit vielen Schaltungen angebracht war. Es war wohl der Sitz des Kommandanten. Rechts und links von diesem Pult waren jeweils drei weitere Sitze vorhanden, die auch vor Pulten mit Meßeinrichtungen standen.

Ringsum strahlte das All, mit seinen unendlich vielen Sternen und mit dazwischen farbig leuchtenden Materiewolken. Es war ein überwältigender Anblick. Seitlich stand eine große, weißlich leuchtende Scheibe, deren Oberfläche mit farbigen Mustern versehen war: Der Planet Jupiter. Martin konnte sich von dem Anblick des Weltalls nur schwer lösen.

NAMO sprach mit dem Kommandanten, der seinen Sitz verließ und Martin mit der Hand an der Stirn grüßte, während ein anderer SANTINER sofort den leeren Platz einnahm. Der Kommandant war in einen goldschimmernden Dreß gekleidet. Die sechs SANTINER an seiner Seite trugen einen silbrigschimmernden Dreß.

ASHTAR SHERAN war körperlich kleiner als Martin. Sein volles mittelblondes Haar war mit hellen Strähnen durchzogen und fiel lockig weich bis auf seine Schultern herab. Das Gesicht war kühn geschnitten und markant, aber von edlem Aussehen. ASHTAR SHERAN hatte sehr starke Augenbrauen und eine hohe, breite Stirn. Seine Augen waren das Faszinierendste an ihm. Die Augen waren tiefblau wie ein Bergsee und unergründlich. Die Haut wie von leuchtender Bronze. ASHTAR SHERAN hatte einen sehr imponierenden Gesichtsausdruck, den man schwer beschreiben kann, weil er auf Erden nicht anzutreffen ist. Er wandte sich an Martin mit den Worten:

"GOTT ZUM GRUSS UND FRIEDE ÜBER ALLE GRENZEN! Ich begrüße Sie, Herr Berger, im Namen aller meiner Mitmenschen, die als Nachbarn auf einem Planeten leben, der in Gestalt und in seiner Beschaffenheit der Terra ähnlich ist."

"Friede über alle Grenzen!" antwortete Martin, dem diese Worte der Begrüßung sehr gefielen. "Was hat man mit mir vor?" erkundigte sich Martin.

ASHTAR SHERAN wiegte leicht den Kopf und sagte:

"Man wird es Ihnen bereits gesagt haben. In diesem Mutterschiff, dem Flaggschiff einer großen Flotte, findet eine interstellare Konferenz statt. Es tagt die Universelle Bruderschaft intelligenter Menschen, die große Sorge um den Bestand der Terra haben. Wir wollen einen Stern, der seit Jahrtausenden in blutige Kriege verwickelt ist, nicht angreifen oder zerstören, sondern einen Weg finden, um der geplagten und unzufriedenen Erdenmenschheit zu helfen. Aus diesem Grunde haben wir Sie in unser Raumschiff gebracht, damit nichts ohne eine Stimme der Erdenmenschheit geschieht. Als Sodom und Gomorrha vernichtet wurden, haben wir ebenfalls einen Menschen informiert, der Ihnen als Lot bekannt ist. Sie sind in dieser Weise auch ein Lot, mit dem wir vorher reden wollen, bevor wir zu einem notwendigen Schluß kommen, denn Sie werden mir Recht geben, wenn ich sage: So geht es nicht weiter."

"Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als Ihnen zuzuhören. Ich habe keine Wahl", sagte Martin.

"Nein, so ist das nicht", antwortete ASHTAR SHERAN. "Sie werden nicht nur zuhören, sondern sich am Gespräch beteiligen. Ich nehme an, daß Sie als gebürtiger Deutscher dazu die deutsche Sprache vorziehen werden. Wir könnten uns aber auch in jeder anderen Weltsprache der Terra unterhalten. Alle Anwesenden der Konferenz werden dann ebenfalls deutsch sprechen. Sie, Herr Berger, werden daher keine Schwierigkeiten in der Verständigung haben. Die erste Debatte findet nach zwei Zesten statt. Ich danke Ihnen und verzeihen Sie mir, daß wir Sie zu diesem heiligen Zweck entführen mußten. – FRIEDE ÜBER ALLE GRENZEN!"

Mit diesen Worten war Martin zunächst entlassen. Die Begegnung mit ASHTAR SHERAN hatte ihn außerordentlich beeindruckt. Martin hatte das Gefühl, daß von diesem Manne eine geheimnisvolle Kraft ausging, die schwer mit Worten zu beschreiben war. Es war, als wenn er der Wunderkraft des Messias begegnet war.

War ASHTAR SHERAN ein Messias?

Wer oder was war er wirklich?

Wäre es möglich, daß ASHTAR SHERAN zur HIERARCHIE GOTTES gehörte?

Fragen über Fragen tauchten in Martins Geist auf. Wer konnte sie beantworten? NAMO schritt neben ihm und wandte sich an den in Gedanken versunkenen Martin mit den Worten:

"Wir werden Sie jetzt bestrahlen, Herr Berger, damit Sie während der Konferenz ganz auf dem Posten sind. Dazu müssen wir unseren Gymnastikraum durchqueren.

Wir haben einen Apparat, der starke Gesundheitsstrahlen aussendet. Es sind sogenannte Zosch-Strahlen, die auf der Terra noch unbekannt sind. Diese Strahlen verjüngen den physischen Körper.

Was glauben Sie, wie alt ich bin?"